Nature Credits – Überblick & Herausforderungen

Warum sollten sich Finanzinstitute mit Nature Credits auseinandersetzen und was sollten sie hierbei berücksichtigen? Welche regulatorischen Anforderungen sowie Qualitätsmerkmale von Nature Credits sind bei der Anwendung zu berücksichtigen?

Im folgenden Artikel erhalten Sie einen Überblick zu den angesprochenen Fragen sowie weiteren Inhalten im Kontext Nature Credits. 

Warum sind Biodiversity Credits wichtig? 

Trotz der weltweit steigenden Aufmerksamkeit und Bemühungen zum Schutz von Natur und Biodiversität verschlechtert sich deren Zustand nach wie vor kontinuierlich – mit entsprechenden Folgen für unser Wirtschafts- und Finanzsystem, welches in hohem Maße von Ökosystemleistungen abhängt. Die Populationen von Wildtieren – Säugetieren, Vögeln, Amphibien, Reptilien und Fischen – sind seit 1970 durchschnittlich um 69 % zurückgegangen. Der UN Global Land Outlook zeigt, dass mehr als eine Million Arten vom Aussterben bedroht sind. Etwa 50 % der Weltwirtschaft könnten infolgedessen durch Biodiversitätsverluste beeinträchtigt werden. Gleichzeitig werden laut Berechnungen der Europäischen Zentralbank in der Eurozone 75% der Kredite an Unternehmen mit mittlerer bzw. hoher Abhängigkeit von der Natur vergeben. 

Im Dezember 2022 verpflichteten sich 196 Länder mit dem Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF), den Verlust der Biodiversität bis 2030 umzukehren. Hierfür sollen jährlich 200 Milliarden USD aus öffentlichen und privaten Mitteln mobilisiert werden. Das GBF nennt verschiedene Instrumente, die zur Schließung dieser Finanzlücke beitragen könnten, darunter auch Nature Credits. Mit der im Juli 2025 veröffentlichten „Roadmap towards Nature Credits“, die die Schaffung eines Marktes für Nature Credits in der EU zum Ziel hat, hat die EU hierfür konkrete Maßnahmen vorgelegt

Definition Nature Credit und Nature Offset

Nature Credits sind finanzielle Instrumente, die darauf abzielen, die biologische Vielfalt zu erhalten und den Verlust von Biodiversität umzukehren. Dabei handelt es sich um Zertifikate, die eine quantitativ messbare und nachweisbare Einheit eines positiven Beitrags zur Biodiversität darstellen. Wichtig ist, dass dieser Beitrag zusätzlich geleistet wird – das heißt, er überschreitet Verbesserungen, die auch ohne den Einsatz von Nature Credits erreicht worden wären. Zudem müssen die erzielten Verbesserungen dauerhaft gesichert sein. Die so entstehenden Zertifikate können verkauft und gehandelt werden. 

Anders als Carbon Credits, die sich spezifisch auf die Kompensation von CO2-Emissionen konzentrieren, zielen Nature Credits auf die Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sowie der natürlichen Ökosysteme ab. Letzteres hat jedoch ebenfalls positive Auswirkungen auf die Reduktion von CO2-Emissionen. 

Für Finanzinstitute ergeben sich daraus verschiedene Anwendungsmöglichkeiten:  

Finanzinstitute und Unternehmen, die Nature Credits erwerben, können ihre Bemühungen zum Schutz und zur Förderung der biologischen Vielfalt verstärken und dies transparent kommunizieren. Zusätzlich können Nature Credits gezielt eingesetzt werden, indem Unternehmen Zertifikate aus Gebieten erwerben oder verkaufen, die für ihre eigene Lieferkette besonders wichtig sind. So lassen sich positive Wirkungen dort erzielen, wo sie den größten Beitrag zum Geschäftsmodell und der Nachhaltigkeitswirkung des Unternehmens leisten. 

Neben Nature Credits existieren auch Nature Offsets. Bei Nature Offsets handelt es sich um Maßnahmen, die negative Umweltauswirkungen ausgleichen sollen. Das bedeutet, dass ein Verlust an biologischer Vielfalt, der durch eine Unternehmensaktivität an einem Ort entsteht, durch gleichwertige oder größere ökologische Gewinne an einem anderen Ort kompensiert wird. Auf der praktischen Ebene generieren beide Instrumente positive Beiträge zur Biodiversität. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch darin, dass Nature Offsets Teil der sogenannten „mandatory mitigation hierarchy“ sind. Diese Hierarchie beschreibt ein abgestuftes Vorgehen zur Vermeidung, Minimierung und schließlich Kompensation von Umweltauswirkungen, bei dem Kompensationsmaßnahmen erst dann eingesetzt werden, wenn eine Vermeidung oder Minimierung nicht möglich ist und somit verpflichtend erfolgen müssen. Nature Offsets können im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) berichtet werden. Nature Credits gehen über diese verpflichtenden Ausgleichsmaßnahmen hinaus und können zusätzlich freiwillig erworben werden, um positive Biodiversitätsbeiträge zu fördern und die unternehmerische Naturschutzstrategie insgesamt zu stärken. 

Wichtig ist, dass Nature Credits immer in eine gesamtunternehmerische Naturschutzstrategie eingebunden sein sollten. Nur so können sie effektiv dazu beitragen, die Biodiversitätsziele eines Unternehmens langfristig und ganzheitlich zu erreichen. 

Der Markt für Nature Credits 

Die Teilnehmer am Nature Credit Markt lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen: Anbieter, Käufer und Verifizierungsanbieter.  

Die Hauptakteure sind Anbieter, Käufer und Verifizierungsanbieter. Projektentwickler – oft Landbesitzer, lokale Gemeinschaften oder Landwirte – generieren Nature Credits durch Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Biodiversität. Dabei wählen sie einen Standard, der Kriterien und Methodik definiert; ein allgemein anerkannter Marktstandard hat sich bisher jedoch nicht durchgesetzt. 

Käufer sind Unternehmen, Regierungen oder Privatpersonen, die Nature Credits als Investition oder zur Unterstützung des Naturschutzes und zur Erfüllung ihrer Nachhaltigkeitsziele erwerben. 

Verifizierungsanbieter prüfen und bestätigen die Messung und Qualität der Biodiversitätsverbesserungen, sichern die Glaubwürdigkeit der Credits und minimieren so das Risiko von Greenwashing. 

Während der heutige Markt für Nature Credits noch in den Kinderschuhen steckt, prognostiziert das World Economic Forum (WEF) steiles Wachstum: Der Markt für Nature Credits könnte in 2030 zwischen 760 Millionen USD und 2 Milliarden USD umfassen.1 An dieser Stelle knüpft auch die von der Europäischen Kommission veröffentlichte Roadmap to Nature Credits an, welche strategische Maßnahmen vorschlägt, um das Engagement der Privatwirtschaft im Bereich Nature Credits zu stärken.2

Bislang lässt sich beobachten, dass insbesondere Unternehmen aus den Bereichen Landwirtschaft und Immobilien Nature Credits nutzen. Diese Branchen haben direkte Auswirkungen auf Natur und Biodiversität und möchten durch den Einsatz von Nature Credits ihre Wertschöpfungsketten schützen oder ihre strategische Auseinandersetzung mit Nature-Themen vorantreiben. 

Auch im Finanzsektor gibt es erste Pilotprojekte: So hat beispielsweise die Swedbank im Jahr 2023 Nature Credits nach einem nationalen Standard erworben, was ihr ermöglicht, sich früh strategisch in diesem Zukunftsfeld zu positionieren. 

Herausforderungen von Nature Credits 

Bei der Implementierung von Nature Credits und dem Aufbau effektiver Märkte für deren Handel gibt es einige Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, um das volle Potenzial dieses Instruments auszuschöpfen. Im Folgenden werden die zentralen Aspekte Additionalität, Leakage und Messbarkeit näher beleuchtet. 

Ein zentrales Thema stellt die sogenannte Additionalität dar – also die Sicherstellung, dass geförderte Maßnahmen tatsächlich über den bestehenden gesetzlichen oder wirtschaftlichen Status quo hinausgehen. Oftmals ist es schwierig nachzuweisen, ob eine Maßnahme ohne den Nature Credit nicht bereits stattgefunden hätte oder tatsächlich „zusätzlich“ entstanden ist. Dies birgt Risiken wie Greenwashing oder doppelte Anrechnung von Maßnahmen, was die tatsächliche Verbesserung der Biodiversität beeinträchtigen kann. 

Eine weitere Herausforderung ist das sogenannte Leakage: Schutzmaßnahmen an einem bestimmten Ort können unbeabsichtigt dazu führen, dass negative Umweltwirkungen an eine andere Stelle verlagert werden. Beispielsweise kann die Ausweisung eines Schutzgebiets wirtschaftliche Aktivitäten wie Abholzungen oder landwirtschaftliche Expansion in benachbarte Regionen verdrängen. Dadurch kann der positive Effekt der Nature Credits teilweise oder vollkommen neutralisiert werden. 

Auch die Messbarkeit der Performance von Nature Credits ist komplex. Im Vergleich zu Treibhausgasemissionen, deren Reduktion relativ präzise quantifizierbar ist, sind Veränderungen in der Biodiversität vielschichtig und häufig erst langfristig erkennbar. Natürliche Ökosysteme sind äußerst komplex, viele Einflussfaktoren bestimmen ihre Entwicklung und damit auch die Indikatoren für tatsächliche Verbesserungen. Neuartige Technologien wie hochauflösende Drohnenaufnahmen mit automatisierter Auswertung oder akustische Messungen werden inzwischen verstärkt eingesetzt, um aussagekräftige Daten zu gewinnen. 

Für den wirtschaftlichen Erfolg und die Skalierbarkeit von Nature Credits sind daher nicht nur belastbare Messmethoden erforderlich, sondern auch klare Regeln und Definitionen bezüglich Konzipierung, Durchführung der Projekte sowie des Handels. Andernfalls droht der wirkungsvolle Effekt der Mechanismen zu verpuffen, und Unternehmen könnten dem Vorwurf des Greenwashings ausgesetzt sein. Eine verbindliche Standardisierung sowie eine seriöse und sorgfältige Marktgestaltung sind deshalb unerlässlich. 

Wie sind Nature Credits in der bestehenden Regulatorik abgedeckt?  

Nature Credits werden im EU-Raum bislang noch nicht explizit durch regulatorische Vorgaben abgedeckt. Zwar geht die CSRD mit dem ESRS E4 auf Biodiversitätsausgleiche im Kontext möglicher „Maßnahmen und Ressourcen“ für die Biodiversität ein, erwähnt neben Nature Offsets auch Nature Credits, jedoch nicht explizit.  

Die Nutzung von Nature Credits wird in der aktuellen Regulierung bislang weder explizit empfohlen noch vorgeschrieben. Mit steigendem Bewusstsein und reiferen Märkten ist jedoch zu erwarten, dass international anerkannte Leitfäden zu Nature-Strategien für Unternehmen und Finanzinstitute eine detailliertere Berücksichtigung von Nature Credits vorsehen und diese zunehmend in regulatorische Berichtsinstrumente integriert werden. Im Vereinigten Königreich sind beispielsweise die Nutzung von Nature Credits bei Projekten, die landschaftliche Veränderungen hervorrufen, wie Immobilienprojekte, bereits verpflichtend. 

Ausblick: Ein spannender Entwicklungsmarkt für Nature Credits zeichnet sich ab

Bei einer differenzierten Betrachtung von Nature Credits zeigen sich die Mehrwerte und großen Entwicklungsmöglichkeiten dieses Instruments für die kommenden Jahre. Der Markt für Carbon Credits sieht sich einer Zahl an Schwierigkeiten gegenüber, darunter Versäumnisse in der Ausgestaltung, die beispielweise zu Greenwashing-Vorwürfen führen. Es lohnt sich bei der Umsetzung von Nature Credits aus den Fehlern dieses Marktes zu lernen und diese zu vermeiden. 

Bei sorgfältiger Auswahl und strategischem Einsatz können Nature Credits einen wichtigen Beitrag zum Erhalt natürlicher Ressourcen leisten. Für Unternehmen und öffentliche Akteure bieten sie die Möglichkeit, positive Effekte außerhalb der eigenen Geschäftstätigkeit zu erzielen und so Teil einer umfassenden Strategie im Bereich Nature und Biodiversität zu sein. 

Genau hier setzt PwC an: Wir unterstützen Unternehmen dabei, die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Nature Credits zu erschließen – etwa durch die Analyse von Biodiversitäts-Hotspots in der eigenen Wertschöpfungskette, die Entwicklung maßgeschneiderter Nature-Strategien sowie die Auswahl geeigneter Nature Credits. 

Weiterführende Links: 

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