Berichtspflichten im Wandel: Wie die EU-Entscheidungen die Effektivität des Risikomanagements im Klimawandel beeinflussen
Der Omnibusvorschlag der Europäischen Kommission zur Nachhaltigkeitsberichterstattung hat zum Ziel, Unternehmen durch eine Reduktion der Berichtspflichten zu entlasten.
Nach der Finalisierung der Position des Europäischen Parlaments zum so genannten CSRD und CSDDD “Content Proposal“ starten nun die Trilogverhandlungen zwischen den drei gesetzgebenden Instanzen der EU: der Europäischen Kommission, dem Europäischen Rat – der sich aus den EU-Mitgliedstaaten zusammensetzt – und dem Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament hat sich gemeinsam mit den rechtsaußen-Parteien für eine weitere Reduzierung der Pflichten unter CSRD und CSDDD ausgesprochen. Welche Konsequenzen hätte eine weitere Einschränkung für die Rolle des Finanzsektors als Risikomanager und Unterstützer der Nachhaltigkeitstransformation der Realwirtschaft?
Ohne Transparenz kein verlässliches Risikomanagement
Bereits im September hat Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich gemacht: Für eine detaillierte Abschätzung klimabezogener Finanzrisiken benötigen Banken qualitativ hochwertige und umfassende Nachhaltigkeitsdaten von ihren Geschäftspartnern. Die Änderungen an dem Rahmenwerk für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, der CSRD, müssten daher die richtige Balance zwischen den Vorteilen von mehr Transparenz über den Transitionsfortschritt europäischer Unternehmen für die europäische Wirtschaft und das Finanzsystem auf der einen Seite und der Angemessenheit des Aufwands der Anforderungen für Unternehmen auf der anderen Seite finden.
Neben dem CSRD und CSDDD “Content Proposal” arbeitet die EFRAG gerade im Auftrag der EU-Kommission an einer Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichtsstandards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) der CSRD. Am 4. Dezember soll EFRAG vrstl. seinen Vorschlag der überarbeiteten ESRS an die EU-Kommission übergeben. Der von der EFRAG im Juli zur Konsultation veröffentlichter Vorschlag enthielt u.a. eine Halbierung der Klimadatenpunkte sowie Einschränkungen bei den verpflichtenden Angaben zum Biodiversitätsschutz. Laut Lagarde sind die Angaben zu Klima und Biodiversität jedoch wichtig, um physische und Transitionsrisiken zu bewerten und um Methoden für das Management von klima- und naturbezogenen Risiken zu entwickeln. Der Klimawandel habe durch seine Wirkung auf die strukturellen und zyklischen Dynamiken der Wirtschaft und des Finanzsystems weitreichende Implikationen für die Preisstabilität.
Aus diesem Grund hat die EZB auch kürzlich einen Klimafaktor in ihren Sicherheitsrahmen integriert, um klimabezogene Transitionsrisiken adäquat zu berücksichtigen. Der Klimafaktor soll das Eurosystem vor potenziellen Wertverlusten bei Sicherheiten im Falle adverser klimabezogener Transitionsschocks schützen und dadurch die Resilienz des Eurosystems verbessern.
Aktuelle Verhandlungspositionen gehen über Simplifizierung hinaus
Jedoch gehen die aktuellen Verhandlungspositionen zum Teil über das vorgegebene Ziel der Europäischen Kommission, den Reportingaufwand für Unternehmen zu reduzieren und die Berichtsstandards zu vereinfachen hinaus. Denn laut der Position des Europäischen Parlaments soll der Scope der CSRD um 92% und der Scope der CSDDD um 70% verringert werden. Dies würde bedeuten, dass innerhalb der EU statt der ursprünglich vorgesehenen 50 000 Unternehmen lediglich etwa 4 000 Unternehmen gemäß der CSRD zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet wären.
Die vorgeschlagenen Einschränkungen gehen damit zum Teil sogar hinter die Vorgängerregulierung der CSRD, die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) zurück, welche 2014 in Kraft trat und für alle börsennotierten Unternehmen, Banken und Versicherer mit mehr als 500 Angestellten galt.
Die EU-Kommission hatte im Februar vorgeschlagen, dass die Größenschwelle, ab der Unternehmen im Rahmen der CSRD Nachhaltigkeitsangaben machen müssen, auf 1 000 Beschäftigte und 50 Millionen Euro Umsatz angehoben wird. Die EU-Mitgliedsstaaten – der Europäische Rat – wollen die Umsatzschwelle auf 450 Millionen Euro anheben. Das Europäische Parlament hat nun mehrheitlich entschieden die Größenschwelle auf 1 750 Beschäftigte anzuheben. Darüber hinaus spricht sich das Europäische Parlament für eine Streichung der im Rahmen der CSDDD bestehenden Verpflichtung, Klimatransitionspläne umzusetzen, aus. Der Europäische Rat und die EU-Kommission hatten hier lediglich eine Abschwächung der Verpflichtung bezüglich des Wordings vorgeschlagen, das heißt die Löschung der Klausel zur “verpflichtenden Umsetzung” und stattdessen eine Verpflichtung zu “angemessenen Anstrengungen”.
Zuvor hatte das Europäische Parlament mehrheitlich einen Kompromissvorschlag des Rechtsausschusses JURI abgelehnt, der inhaltlich nah an den Positionen der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission war. In der Folgeabstimmung gab es mit den rechtsaußen-Parteien eine Mehrheit für die beschriebenen weiteren Einschränkungen.
Bei steigenden Klimarisiken sind Maßnahmen zu Anpassung und Emissionsreduktion essenziell
Wissenschaftlich bewiesener Fakt ist: physische Klima- und Naturrisiken steigen kontinuierlich und mit immer größerer Geschwindigkeit. Die Versorgungslücke bezüglich der Versicherbarkeit von Klimarisiken wird immer größer. Unternehmen wie Finanzinstitute und Versicherer müssen diese Risiken bewerten, managen und einpreisen und entsprechende Maßnahmen zur Klimaanpassung und zur Reduktion von Treibhausgasemissionen ergreifen, um ihr Unternehmen und ihr Geschäftsmodell resilient und zukunftsfähig zu machen.
Mit den EBA (European Banking Authority)-Guidelines zum Management von ESG-Risiken und den EZB-Erwartungen zu Klima- und Umweltrisiken hat die Bankenaufsicht diese Themen als systemische Risiken fest im Blick. Auf Versicherer kommt im Rahmen von Solvency II die Verpflichtung zur Erarbeitung prudentieller Transitionspläne zu. Finanzunternehmen brauchen also auch für die Erfüllung regulatorischer und aufsichtsrechtlicher Pflichten verlässliche Daten ihrer Geschäftspartner.
Rückkehr zur individuellen Datenabfrage erhöht Aufwand
Für einen erfolgreichen Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft müssen die Klimaziele und Transitionspläne von Finanz- und Realwirtschaft transparent sein und ineinandergreifen. Ohne verlässliche Daten ihrer Geschäftspartner, ist es für Finanzunternehmen schwierig, entsprechende Risiken einzupreisen und zu managen.
Die systemische Relevanz von standardisierten und verlässlichen Nachhaltigkeitsdaten für Finanzinstitute in ihrer Rolle als Frühwarnsystem der Wirtschaft und Risikomanager muss bei den Omnibus-Vorschlägen berücksichtigt werden. Es bleibt zu befürchten, dass durch eine Reduktion des Umfangs des Anwenderkreises in der Realwirtschaft sowie die Streichung der Pflicht zur Umsetzung von Transitionsplänen Finanzakteure relevante Informationen zur Steuerung der Risiken direkt von ihren Geschäftspartnern einholen müssen, um die Stabilität der Gesamtwirtschaft zu unterstützen. Dadurch würde sich der Aufwand sowohl für Finanzinstitute als auch für Unternehmen erhöhen.
Weiterführende Links:
- Blog: Die Europäische Kommission legt überarbeitete Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) vor
- Blog: First CSRD reports from European insurers show strong heterogeneity but provide relevant management impulses
- Blog: COP30: What’s at stake and the role of the financial sector
- Webcast 5. Dezember 2025: Overview of new ESRS and looking ahead
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