Welche Wertschöpfungspotenziale ergeben sich durch die sinnvolle Verknüpfung von Offshore-Windenergie und Wasserstoff?
Die vielversprechende Kopplung von Offshore-Windenergie und grünem Wasserstoff ermöglicht viele neue Potenziale - gleichzeitig müssen Politik und Wirtschaft sich den daraus entstehenden Herausforderungen widmen.
Der Nordseeraum soll die “Green Power Plant of Europe” werden - und in ihm bis 2050 300 GW Offshore-Windenergie entstehen. Das sind die Ergebnisse vom North Sea Summit in Ostende vor einigen Tagen. Außerdem beschlossen wurde die Stärkung der Kooperation von Offshore-Windenergie und dem Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur in der Nordsee-Region: damit ist Ostende der Anfang von grünem Wasserstoff aus Offshore-Windenergie in der Nordsee - und ein wichtiges Zeichen für die Energiewende und -sicherheit.
Warum ist gerade die Offshore-Windenergie so attraktiv für die Produktion von grünem Wasserstoff?
Offshore-Windenergieanlagen sind deutlich größer und leistungsfähiger als Onshore-Anlagen: auf dem Meer weht der Wind kontinuierlicher und stärker als an Land, wodurch mehr grüner Strom erzeugt wird. Doch nicht immer findet die produzierte Energie zeitgleich Abnehmer: es werden Speichermöglichkeiten benötigt. Hier kommt die Kopplung der Offshore-Windenergie mit Wasserstoff ins Spiel. Wird Windenergie aus dem starken Wind in der Nordsee in elektrische Energie umgewandelt, kann diese zur Elektrolyse verwendet werden: hier wird aufbereitetes Wasser durch den grünen Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten, um grünen Wasserstoff zu erzeugen. Wasserstoff hat den entscheidenden Vorteil, dass er gespeichert werden kann, sodass die Menge der Stromerzeugung aus Wind auch in Zeiten geringerer Nachfrage vollständig ausgeschöpft werden kann.
Welche konkreten Vorteile werden durch die Verknüpfung erzielt?
Bestimmte energieintensive Sektoren, wie zum Beispiel die Stahlerzeugung oder die chemische Industrie, sind schwer zu dekarbonisieren - hier ist eine strombasierte Dekarbonisierung aus verschiedensten Gründen nicht vollständig möglich. Die Kombination aus Offshore-Windenergie und grünem Wasserstoff würde zukünftig hier Abhilfe schaffen: das fand die aktuelle Studie von trend:research, an der sich u.a. auch PwC beteiligte, heraus. Die sinnvolle Kopplung und die optimale Nutzung der Ressourcen werden den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung beschleunigen. Es können Wertschöpfungspotenziale gehoben und wichtige Signale für den Arbeitsmarkt gesetzt werden:
- Beschäftigungszahlen werden steigen
Durch die aufstrebende Wasserstoffwirtschaft ergibt sich in der Offshore-Windindustrie bundesweit ein Beschäftigungs- und Exportpotenzial. Bei Verfolgung der Klimaziele könnten die Beschäftigtenzahlen in der norddeutschen Offshore-Windenergiebranche und Wasserstoffindustrie von deutlich unter 20.000 in 2021 auf über 60.000 Beschäftigte in 2045 ansteigen.
- Mehr grüner Wasserstoff zieht neue Marktteilnehmer an
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass in Deutschland bis 2045 pro Jahr mehr als 300 TWh Wasserstoff mit der Elektrolyse aus grünem Strom erzeugt werden können. Bis zu ein Drittel soll dabei auf die Produktion aus Offshore-Windenergie fallen. Dieses zunehmende Potenzial der Verknüpfung von Wasserstoff und Offshore-Windenergie zieht neue Marktteilnehmer aus allen Bereichen der Wertschöpfung an: unter anderem aus Projektentwicklung, Herstellung, Transport, Erzeugung, Speicherung und Aufbereitung. Dadurch wird ein beachtlicher Ausbau des Marktvolumens erwartet - die Anzahl der Marktteilnehmer in der norddeutschen Wasserstoffwirtschaft könnte sich im Vergleich zu 500 Marktteilnehmern in 2021 bis 2045 fast vervierfachen.
- Umsätze werden sich positiv entwickeln
Inwiefern wird sich der Umsatz aus der Produktion von Wasserstoff durch die steigenden Produktionskapazitäten entwickeln? Auch was den Umsatz betrifft, verfügt die Offshore-Windindustrie über ein großes Potential und erwirtschaftet schon heute signifikante Umsätze. Anders sieht es bei der Wasserstoffbranche aus - wird diese aber entsprechend ausgebaut, könnte die norddeutsche Offshore-Windenergiebranche und Wasserstoffindustrie in 2045 Umsätze von bis zu 31,6 Milliarden Euro verzeichnen. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lag der Umsatz bei 4,1 Milliarden Euro.
- Die Kosten für grünen Wasserstoff werden sinken
Grüner Wasserstoff ist nach wie vor teuer. Aber: Die Kosten können aufgrund von Skaleneffekten gesenkt werden, so dass Wasserstoff für den Markt interessanter wird. Diese Skaleneffekte sind allerdings nur mit einer positiven wirtschaftlichen (Umsatz-)Entwicklung in der Offshore-Windbranche und der Wasserwirtschaft erreichbar. Für mögliche Kostensenkungen ist ein effizienter Ausbau erforderlich. Durch die räumliche Nähe der Kopplung von Offshore-Windenergie und Wasserstoff können Übertragungsverluste minimiert und Kostensenkungen ermöglicht werden.
Welches Kostenpotential zu heben ist, wurde anhand dreier Szenarien - Aufschub, Energiewende und Klimaziel - in der Studie genauer betrachtet. Die Prognose ergibt, dass bei einem Aufschub, also einer Lockerung oder Verlagerung der Ausbauziele, die Preise von 16 Euro/kg in 2021 auf 7 Euro/kg in 2045 gesenkt werden könnten. Bei strikter Verfolgung der Klimaziele und einem stärkeren Ausbau von Wasserstoff könnten hingegen in 2025 Preise von 2 Euro/kg erwartet werden, was eine beachtliche Senkung der Kosten wäre.
Warum genau ergeben sich Potenziale besonders in Norddeutschland?
Ein großes Potenzial für die Verbindung beider Sektoren ergibt sich zunehmend in Deutschland - genauer gesagt im ersten Schritt in Norddeutschland. Durch die bereits vorhandene Expertise und die hohen Erzeugungskapazitäten von Offshore-Windstrom in norddeutschen Küstengewässern kann die Wertschöpfung vor allem zunächst im Norden gesichert werden. Die Ergebnisse von Ostende bestätigen und fördern diese Entwicklung: wenn die Bedingungen stimmen, kann die Wasserstoffwirtschaft in Norddeutschland eine Vorreiterrolle in der Entwicklung und Herstellung von Wasserstofftechnologien einnehmen.
Die Norddeutsche Wasserstoffstrategie verfolgt dabei regionale Ausbauziele mit grünem Wasserstoff: bis 2025 sollen mindestens 500 Megawatt Elektrolyseleistung zur Erzeugung von grünem Wasserstoff installiert und 2030 bereits 5 Gigawatt (GW) erreicht sein.
Zukünftige Herausforderungen
Damit die Chancen einer sinnvollen Verknüpfung ausgeschöpft werden können, müssen die Energiewirtschaft und Politik sich zunehmenden Herausforderungen stellen. Die oberste Priorität ist hierbei der Ausbau von Offshore-Windparks in Deutschland, nachdem in den letzten Jahren der Zubau immer mehr stagnierte. In den kommenden Jahren müssen die Windstrom-Erzeugungskapazitäten für die Produktion von Wasserstoff aus grünem Strom daher signifikant ausgebaut werden.
Die EU setzt klare Ziele für den Ausbau erneuerbarer Offshore-Energie: die Ausbau-Strategie sieht 300 GW Offshore-Windenergie bis 2050 vor - 60 GW sollen bis 2030 schon umgesetzt werden. Die Beschlüsse vom North Sea Summit sind hier wichtige und noch drastischere Signale: bis 2030 sollen 120 GW und bis 2050 300 GW Offshore-Windenergie in der Nordsee ausgebaut werden. In Deutschland sieht das Windenergie-auf-See-Gesetz der Bundesregierung vor, dass bis zum Jahr 2030 mindestens 30 GW Offshore-Windenergie installiert sind und diese Kapazitäten bis 2045 auf mindestens 70 GW steigen. Mit dem North Sea Summit wurden diese Ziele hochgesteckt: allein in der deutschen Gewässern in der Nordsee sollen bis 2030 26,4 GW und bis 2045 60 GW Offshore-Windkraft errichtet werden.
Eine weitere Herausforderung kann bei der Integration der Technologien in die bereits bestehenden Infrastrukturen festgestellt werden. Die Relevanz von Forschung und Entwicklung darf daher nicht vernachlässigt werden: neue Technologien sind auszubauen und treiben die Sektorkopplung an. Relevant sind hier insbesondere netzentlastende Lösungen und Speichertechnologien.
Auch die Politik muss sich bemühen, Hürden abzubauen und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Der Ausbau der Wasserstoffproduktion erfordert eine Abstimmung der Rahmenbedingungen in der Wasserstoff- und Windenergiebranche - denn trotz der Veröffentlichung der Nationalen Wasserstoffstrategie sind Marktstrukturen bislang nur ansatzweise vorhanden. Unter anderem stellt die Europäische Kommission für den Ausbau 5,4 Milliarden Euro für zahlreiche Projekte in der EU bereit, damit der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft vorangetrieben werden kann. Weitere Förderprogramme sind notwendig, um Anreize für neue Marktteilnehmer zu schaffen. Auch “Leuchtturmprojekte” können eine beschleunigende Wirkung haben und zum Ausbau der Wasserstoffwirtschaft beitragen. Ebenso muss in die Bereitstellung von qualifizierten Fachkräften, beispielsweise durch entsprechende Bildungsmöglichkeiten, investiert werden, denn die Verknüpfung gilt als vielversprechender Ansatz für die bundesweite Energieversorgung.
Damit auch in Zukunft die Versorgung mit grünem Wasserstoff gesichert werden kann, wird die norddeutsche Energieerzeugung nicht ausreichen. Um Zugang zu den benötigten Mengen an grünem Wasserstoff und anderen synthetischen Energieträgern zu sichern, sind Importe unabdingbar. Dafür sind vertragliche Absicherungen erforderlich, um die Erreichung der Klimaschutzziele erfolgreich verfolgen zu können.
Die vollständigen Ergebnisse der Studie “Wertschöpfungspotenziale Wasserstoffproduktion und Offshore Windenergie in Norddeutschland” von trend:research in Zusammenarbeit mit der WAB, PwC Deutschland, Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH) sowie den Wirtschaftsressorts der Länder Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen können Sie hier anfordern.
Kontakt
Peter Mussaeus
Partner, Leiter Energierecht
Düsseldorf