Konzessionen (Teil 15): Weitere oberlandesgerichtliche Rechtsprechung zur Vergabe von Konzessionsverträgen
In diesem Blogbeitrag informieren wir Sie über sechs Gerichtsentscheidungen, die sich mit verschiedenen Aspekten der Vergabe von Konzessionsverträgen für die Energie- und Wasserversorgung befassen.
Die Entscheidungen stammen jeweils von Oberlandesgerichten und behandeln unter anderem Fragen der Wertungsmethodik, der Voraussetzungen für Wegerechte, der Gewichtung von Preisgünstigkeit und der Zulässigkeit von Direktvergaben.
OLG Sachsen-Anhalt: Direktvergabe einer Trinkwasserkonzession ist unzulässig, wenn keine Inhouse-Vergabe vorliegt.
Das OLG Sachsen-Anhalt hat mit Urteil vom 3. Juni 2022 (7 U 6/22 Kart) entschieden, dass die Direktvergabe einer Trinkwasserkonzession an ein Unternehmen, das nicht im Wesentlichen für die Kommune tätig ist, sondern auch erhebliche Fremdgeschäfte auf einem Markt ausübt, gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot verstößt. Die Klägerin, ein Konkurrent des beauftragten Unternehmens, hatte die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages beantragt, weil die Kommune die Konzession ohne ein wettbewerbliches Verfahren direkt vergeben hatte. Das Gericht hat entschieden, dass die Direktvergabe gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot verstieß, weil die Kommune nicht die erforderliche Transparenz für den EU-Binnenmarkt hergestellt hatte. Die Kommune konnte sich auch nicht auf eine Inhouse-Vergabe berufen, weil das beauftragte Unternehmen nicht im Wesentlichen (90%) für die Kommune tätig war, sondern auch erhebliche Fremdgeschäfte auf einem Markt ausübte. Hierzu hat das OLG ausführliche Ausführungen zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdgeschäften vorgenommen. So sei u.a. bei einer erst zukünftigen Übernahme der Wasserversorgung diese nicht in die Betrachtung des Wesentlichkeitskriteriums einzubeziehen. Straßenbeleuchtung und Durchführung des Marktwesens seien als Eigengeschäfte zu betrachten, beim Bäderbetrieb sei zwischen Umsatzgruppen (Schulsport/allgemeiner Betrieb) zu unterscheiden. Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung der Nichtigkeit des Konzessionsvertrags sei auch nicht verfristet oder verjährt. Präklusionsvorschriften aus anderen Vergaberechtsregimen seien nicht übertragbar, eine Verfristung sei nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Das Gericht hat daher der Klägerin Recht gegeben und die Unwirksamkeit des Vertrages festgestellt.
OLG Karlsruhe: Gewichtung der Preisgünstigkeit muss Abnahmemengen angemessen berücksichtigen.
Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 13. Juli 2022 (6 U 53/21 Kart) entschieden, dass eine Stadt bei der Vergabe einer Stromnetzkonzession die Preisgünstigkeit der Netznutzungsentgelte nicht in einer Weise gewichten darf, die die Abnahmemengen der verschiedenen Kundengruppen unangemessen verzerrt. Die Stadt hatte in ihrem Auswahlverfahren das Kriterium der Preisgünstigkeit so ausgestaltet, dass die Niederspannungskunden (Haushalts- und Gewerbekunden) 87,5 % der zu erreichenden Punkte und die Mittelspannungskunden (Industriekunden) 12,5 % der zu erreichenden Punkte erhielten, obwohl die Abnahmemengen im Stadtgebiet zu 75,6 % auf die Mittelspannung und zu 24,4 % auf die Niederspannung entfielen. Das OLG Karlsruhe hat die Auffassung des Landgerichts Mannheim bestätigt, dass die Stadt mit dieser Gewichtung das Ziel der Preisgünstigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 EnWG verfehlt hat, da sie die Interessen der Mittelspannungskunden unverhältnismäßig vernachlässigt hat. Das Gericht hat daher der Klägerin, die sich am Wettbewerb um den Abschluss eines Stromkonzessionsvertrags mit der Stadt beteiligt hatte, Recht gegeben und der Stadt untersagt, das Auswahlverfahren nach dem von ihr aufgestellten Kriterienkatalog fortzusetzen.
OLG Celle: Vergabe einer Stromnetzkonzession muss transparent und nachvollziehbar sein.
Das OLG Celle hat in einem Hinweisbeschluss vom 5. August 2022 (13 U 81/21) mitgeteilt, dass es beabsichtigt, die Vergabe einer Stromnetzkonzession aufzuheben und die Stadt zur Neubewertung der Angebote zu verpflichten. Die Klägerin hatte sich ebenfalls um die Konzession beworben und gegen die Auswahlentscheidung der Stadt geklagt. Das Landgericht Hannover hatte die Klage abgewiesen, das OLG Celle will ihr jedoch stattgeben. Das OLG Celle hat mehrere Rechtsfehler und Intransparenzen in der Bewertung der Angebote durch die Stadt festgestellt. Zum einen hat die Stadt bei einigen Auswahlkriterien vertraglichen Zusage berücksichtigt, obwohl sie nur die Konzepte der Bewerber bewerten wollte. Zum anderen hat die Stadt bei einigen Kriterien die Angebote der Klägerin und der E. GmbH ungleich behandelt oder unvertretbar ausgelegt. Außerdem hat die Stadt das Akteneinsichtsrecht der Klägerin unzulässig eingeschränkt, indem sie große Teile des Angebots der E. GmbH geschwärzt hat. Dadurch wurde die Überprüfbarkeit der Wertungsentscheidung erheblich erschwert. Das OLG Celle hat betont, dass die Stadt bei der Bewertung der Angebote einen erheblichen Beurteilungsspielraum hat, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Allerdings muss die Stadt das zuvor bekanntgegebene Verfahren einhalten, von einem zutreffenden Sachverhalt ausgehen, sachgerechte Erwägungen anstellen und die Angebote nach allgemein gültigen Maßstäben werten.
OLG Düsseldorf: Wertungsmethodik bei Konzessionsverfahren muss transparent und nachvollziehbar sein.
Das OLG Düsseldorf hat sich in seinem Urteil vom 17. August 2022 (VI-2 U 13/21(Kart)) mit der Ausgestaltung der Wertungskriterien für ein Konzessionsverfahren nach § 46 Abs. 2 EnWG, insbesondere zur Bildung von Unter- und Unterunterkriterien sowie zu Formen der absoluten Bewertung von Kriterien, auseinandergesetzt. Das Gericht hat die Klage eines unterlegenen Bewerbers um eine Gasnetzkonzession abgewiesen, da es keine Rechtsfehler in der Wertungsmethodik der Kommune feststellen konnte. Die Kommune habe in ihren Verfahrensunterlagen keine über die genannten Zuschlagskriterien hinausgehende ungewichtete Unterkriterien aufgestellt und habe dies auch nicht tun müssen. Die Kommune habe den Bietern in den Erläuterungen vorab mitgeteilt, dass die nachfolgenden Ausführungen die Wertungskriterien beschrieben und rein deskriptiven Charakter hätten. Sei ein Zuschlagskriterium nach seiner Begrifflichkeit nicht selbsterklärend, bedürfe es einer weiteren inhaltlichen Konkretisierung. Dabei habe die Kommune die Wahl, ob sie Unterkriterien bilde oder rein deskriptiv erläutere, welche zentralen inhaltlichen Anforderungen sie stelle. Außerdem hat das Gericht entschieden, dass die absolute Bewertung von Kriterien, bei der ein Bewerber nur Punkte erhält, wenn er eine bestimmte Schwelle erreicht, grundsätzlich möglich ist, sofern sie sachlich gerechtfertigt ist und die Chancengleichheit der Bewerber nicht beeinträchtigt.
OLG Frankfurt: Voraussetzungen für Wegerechte für die Energieversorgung sind eng auszulegen.
Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 29. November 2022 (11 U 110/18 (Kart)) die Klage eines Versorgungsunternehmens auf Feststellung, dass eine Kommune nach § 46 Abs. 2 EnWG dazu verpflichtet sei, mit ihr einen Wegenutzungsvertrag zur Verlegung und zum Betrieb dreier Niederspannungskabel im öffentlichen Straßenraum zur Versorgung dreier Grundstücke mit einer Vielzahl von Wohneinheiten abzuschließen, zurückgewiesen. Das Gericht hat wie das LG Wiesbaden in erster Instanz entschieden, dass die streitgegenständlichen Leitungen nicht der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern als Voraussetzung des Anspruchs aus § 46 Abs. 1 EnWG dienten, da sie vom Umspannwerk zu den jeweiligen Grundstücken führten und die Energie dort weiterverzweigt verteilt würden, mithin keine Direktleitungen vorlägen. Diese Definition der "unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern" erstaunt, da hierdurch nach herrschender Meinung nur von reinen Transport- oder Einspeiseleitungen abgegrenzt werden soll. Das Gericht hat zudem einen Anspruch aus den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, insbesondere dem Verbot der Behinderung Dritter durch ein marktbeherrschendes Unternehmen gemäß § 19 GWB, verneint, da die Kommune einen sachlichen Grund für die Verweigerung der Wegerechte hatte. Dieser bestand darin, dass für das betreffende Gebiet ein Wegenutzungsvertrag für das Netz der allgemeinen Versorgung vergeben worden sei und die Voraussetzungen für ein einfaches Wegerecht nicht vorlägen. Angesichts des Ziels einer preisgünstigen Energieversorgung sei daher die Verweigerung der Wegerechte hinzunehmen. Das Urteil ist im Ergebnis unbefriedigend, da es durch die Hintertür die eigentlich 1998 abgeschaffte Ausschließlichkeit von Wegenutzungsrechten in der Strom- und Gasversorgung wieder einzuführen droht. Dass die Revision nicht zugelassen wurde, ist bedauerlich, da der BGH in seiner grundlegenden Entscheidung zur Vergabe von Wegerechten vom 17.12.2013 (KZR 66/12) ausdrücklich die Anwendung von § 46 Abs. 1 GWB nicht nur auf Einzelleitungen beschränkt, sondern auch für Netze gegeben sah.
OLG Sachsen-Anhalt: Einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Unterlassungsanspruchs im Zusammenhang mit der Vergabe einer Trinkwasserkonzession ist nicht möglich.
Das OLG Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2022 (7 U 72/22 Kart) entschieden, dass es nicht befugt ist, eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Unterlassungsanspruchs im Zusammenhang mit der Vergabe einer Trinkwasserkonzession zu erlassen. Die Klägerin, die sich ebenfalls um die Konzession beworben hatte, hatte die einstweilige Anordnung beantragt, um zu verhindern, dass die Kommune den Vertrag mit dem beauftragten Unternehmen vollzieht, bevor über die Hauptsache entschieden wird. Das Landgericht hatte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach mündlicher Verhandlung durch Urteil zurückgewiesen, woraufhin die Verfügungsklägerin Berufung eingelegt und zugleich eine einstweilige Anordnung beantragt hatte. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unzulässig verworfen. Es hat ausgeführt, dass für das Verfahren die Zivilprozessordnung gilt, die – anders als das Kartellvergaberecht, das bei Verfahren um Wasserkonzessionen keine Anwendung findet – keine dem prozessualen Zuschlagsverbot des § 169 Abs. 1 GWB vergleichbare Rechtsschutzmöglichkeit zur Sicherung des Primäranspruchs während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens vorsieht. Das Berufungsgericht sei daher nicht ermächtigt, ein Moratorium des Auswahlverfahrens anzuordnen. Eine entsprechende Anwendung des § 570 Abs. 3 ZPO, der dem Beschwerdegericht – also bei einer Entscheidung in 1. Instanz ohne mündliche Verhandlung - eine Befugnis zum Erlass einer einstweiligen Anordnung eröffnet, komme nicht in Betracht, da es sich nicht um eine planwidrige Gesetzeslücke handele. Diese im Vergleich zum Rechtsweg bei Strom- und Gaskonzessionen eingeschränkte Rechtsschutzmöglichkeit sollten unterlegene Bieter in einem Wasserkonzessionsverfahren beachten.
Fazit: Die sechs Gerichtsentscheidungen zeigen, dass die Vergabe von Konzessionsverträgen für die Energie- und Wasserversorgung ein komplexes und umstrittenes Rechtsgebiet bleibt, das hohe Anforderungen an die Kommunen und die Bewerber stellt. Die Kommunen müssen ein transparentes, nachvollziehbares und diskriminierungsfreies Verfahren durchführen, das die Ziele des EnWG und des GWB berücksichtigt. Die Bewerber müssen ihre Angebote sorgfältig ausarbeiten und ihre Rechte im Falle einer ungerechtfertigten Ablehnung oder Benachteiligung wahren. Die Gerichte haben dabei einen eingeschränkten Überprüfungsspielraum.
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Peter Mussaeus
Partner, Leiter Energierecht
Düsseldorf