EIOPA startet Konsultation zu Leitlinien über aufsichtliche Befugnisse zur Behebung von Schwächen im Liquiditätsmanagement von Versicherern

In diesem Blogartikel erläutern wir die wichtigsten Inhalte, Hintergründe und die potenziellen Auswirkungen dieser Initiative.

Die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) hat Anfang Oktober eine Konsultation zu neuen Leitlinien veröffentlicht, die mögliche Befugnisse der Aufsichtsbehörden zur Behebung von Liquiditätsrisiken bei Versicherungsunternehmen adressieren (Guidelines on powers to remedy liquidity vulnerabilities).

Hintergrund: Warum Liquiditätsrisiken im Blick behalten?

Insbesondere in Krisenzeiten und damit verbundenen Marktturbulenzen und hoher Volatilität ist die Sicherstellung von ausreichender Liquidität zur Erfüllung der Ansprüche der Versicherungsnehmer für Versicherungsunternehmen von zentraler Bedeutung. Während bei Banken die Liquiditätssteuerung bereits weitreichend geregelt ist, gewinnt auch in der Versicherungsbranche die Fähigkeit, jederzeit liquide Mittel zur Deckung von Verbindlichkeiten vorzuhalten und schnell auf Marktveränderungen zu reagieren, zunehmend an Bedeutung.

Die Corona-Pandemie und andere jüngere Ereignisse haben gezeigt, dass ungeplante Mittelabflüsse oder Marktstress zu ernsthaften Herausforderungen mit Auswirkungen auf die Liquidität führen können. Hier setzt EIOPA mit seinen neuen Leitlinien an, um sicherzustellen, dass die nationalen Aufsichtsbehörden über ausreichende Instrumente verfügen, um bei sich abzeichnenden Liquiditätsproblemen frühzeitig eingreifen und Liquiditätsengpässe abwenden zu können.

Die Leitlinien gründen auf dem durch den Solvabilität II-Review eingeführten Artikel 144b Absatz 8 der Solvabilität-II-Richtlinie und den damit verbundenen Bestrebungen Liquiditätsrisiken bei Versicherern stärker in den aufsichtlichen Blick zu nehmen.

Was ist der Inhalt der konsultierten Leitlinien?

Die Leitlinien fokussieren sich auf die Ausgestaltung und Anwendung der sogenannten „Powers to Remedy“ – also der Befugnisse der nationalen Aufsichtsbehörden, Maßnahmen zu ergreifen, wenn bei Versicherern wesentliche Liquiditätsrisiken identifiziert werden. Dabei werden folgende Kernaspekte adressiert:

  • Früherkennung von Liquiditätsrisiken: Die Leitlinien betonen die Notwendigkeit eines systematischen Risikomanagements und von Monitoring-Instrumenten in Bezug auf Liquiditätsrisiken. Dies beinhaltet auch die Definition von Liquiditätsrisikoindikatoren und Risikotoleranzgrenzen sowie Anzeigepflichten bei sich abzeichnenden substanziellen Liquiditätsproblemen gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde, inklusive eines Planes zur Wiederherstellung einer angemessen Liquidtätsposition.
  • Interventionen der Aufsichtsbehörden: Die Leitlinien nennen eine nicht abschließende Liste von Indikatoren, die auf bestehende oder drohende Liquiditätsengpässe hinweisen und eine Intervention der Aufsichtsbehörde begründen können. Beispielweise:
    • Unterschreiten definierter Liquiditätskennzahlen oder Limitverletzungen bei Frühwarnindikatoren
    • Negative oder stark verschlechterte Cashflow‑Projektionen
    • Deutliche Verschlechterung von Marktliquidität (z.B. Bid‑Ask‑Spreads)
  • Temporäre Aussetzung von Rücknahmerechten: Bei der temporären Aussetzung von Rücknahmerechten, wird das Recht der Versicherungsnehmer, ihre Lebensversicherung gegen Auszahlung des Rückkaufwertes zu beenden, temporär beschränkt. Diese Maßnahme kann von der Aufsichtsbehörde in außergewöhnlichen und schweren Liquiditätskrisen als ultima ratio angeordnet werden, wenn ein Versicherungsunternehmen aufgrund erheblicher Liquiditätsengpässe nicht in der Lage wäre, alle Rücknahmeverpflichtungen vertragsgemäß zu bedienen, ohne dadurch in eine finanzielle Notlage zu geraten. Die Aussetzung darf nur angeordnet werden, wenn keine anderen angemessenen Maßnahmen ausreichend sind und die Maßnahme dem kollektiven Interesse aller Versicherungsnehmer dient.
  • Intensivierte Kooperation und Informationsaustausch bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten

Bedeutung der Leitlinien

EIOPA unterstreicht, dass diese Leitlinien die Konsistenz in der Anwendung der Aufsichtsbefugnisse stärken und damit die Planungssicherheit für Versicherer im Bereich des Liquditätsrisikomanagements erhöhen sollen. 

Zudem sollen sie ein proaktives und risikobasiertes Liquiditätsmanagement weiter fördern.

Beteiligungsmöglichkeiten und Zeitrahmen

Stakeholder sind eingeladen, bis Januar 2026 Rückmeldungen zur Konsultation einzureichen. Nach Auswertung der Antworten wird EIOPA die Leitlinien finalisieren, mit dem Ziel der Anwendung ab Anfang 2027.

Fazit: Was bedeutet das – und wie unterstützt PwC?

Die Veröffentlichung der EIOPA-Leitlinien zu den Befugnissen bei Liquiditätsrisiken markiert einen wesentlichen Schritt hin zu einem robusteren und einheitlicheren Aufsichtsrahmen für die europäische Versicherungsbranche. Die vorgesehenen Maßnahmen stärken den Verbraucherschutz und unterstützen die Stabilität des Finanzsystems. 

Für Versicherer empfiehlt sich eine frühzeitige Überprüfung des Liquiditätsrisikomanagements und ggf. Ergreifung notwendiger Anpassungsmaßnahmen, wie bspw.

  • Berücksichtigung im Hinblick auf die mögliche Betroffenheit von der präventiven Sanierungs- und Abwicklungsplanung
  • Entwicklung und Aktualisierung von Liquiditätsrisikomanagementplänen, die klar definierte Risikotoleranzgrenzen, Eskalationsverfahren und Stressszenarien enthalten.
  • Implementierung robuster Stresstests und Szenarioanalysen mit realistischen und extremen Marktentwicklungen.
  • Sicherstellung der Konsistenz zwischen ORSA und den Liquiditätsplänen.
  • Verbesserung der internen Kontrollsysteme und Governance-Strukturen im Bereich Liquiditätsmanagement, inklusive Definition klarer Verantwortlichkeiten.
  • Schulung und Weiterqualifizierung von Schlüsselpersonal im Bereich Liquiditätsrisikomanagement.

Durch eine umfassende Begleitung kann PwC Ihnen helfen, die neuen regulatorischen Anforderungen effizient und zielführend umzusetzen, Risiken frühzeitig zu managen und so die Stabilität des Unternehmens nachhaltig zu stärken:

  • Unterstützung im Rahmen einer möglichen Betroffenheit von der präventiven Sanierungs- und Abwicklungsplanung
  • Gap-Analyse und Risikoassessment: PwC prüft den aktuellen Stand des Liquiditätsrisikomanagements und identifiziert konkrete Handlungsfelder zur Einhaltung der neuen Leitlinien.
  • Entwicklung und Optimierung von Liquiditätsmanagement-Systemen: Unterstützung bei der Konzeption und Implementierung zielführender Liquiditätspläne, Eskalationsprozesse und Stresstests.
  • Governance- und Prozessberatung: Beratung bei der Ausgestaltung von Kontrollmechanismen, Rollenverteilungen und Qualifizierungsmaßnahmen für Mitarbeiter.
  • Regulatorisches Reporting und Kommunikation: Hilfestellung bei der Einrichtung effizienter Meldeprozesse und Gestaltung der Kommunikation mit Aufsichtsbehörden
  • Simulation von Krisenszenarien: Durchführung von Dry-Runs und Stress-Tests, um Reaktionsfähigkeit im Krisenfall zu verbessern.
  • Unterstützung bei grenzüberschreitender Koordination: Beratung zur Einhaltung der Informationsaustauschpflichten zwischen Heimat- und Gastaufsehern.
  • Workshops und Trainings: Vermittlung von Wissen zu den neuen Anforderungen und Vorbereitung der Teams auf deren Umsetzung

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

Zu weiteren PwC Blogs

Kontakt

Zum Anfang