Konzessionen (Teil 18): OLG Celle zum Streitgegenstand beim vorläufigen Rechtsschutz
Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat sich in zwei aktuellen Entscheidungen mit den Anforderungen an die Antragsstellung und insbesondere mit dem (richtigen) Streitgegenstand beim vorläufigen Rechtsschutz nach der Auswahlentscheidung befasst.
Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer geplanten Konzessionsvergabe
In der ersten Entscheidung vom 15.02.2024 (Az. 13 U 43/22 (Kart)) ging es um die Überprüfung einer beabsichtigten Konzessionsvergabe nach § 46 EnWG im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens.
Die Verfügungsklägerin, die sich ebenfalls um eine Stromkonzession beworben hatte, hatte den Vertragsschluss zwischen der Verfügungsbeklagten und einem weiteren Bieter wegen einer fehlerhaften Auswahlentscheidung der Gemeinde gerichtlich untersagen lassen wollen.
Das OLG Celle hat in einem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung der Verfügungsbeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Hannover (Az. 25 O 9/22) angekündigt. Das OLG Celle hat dabei festgestellt, dass die Verfügungsklägerin nicht einzelne behauptete oder festgestellte Bewertungsfehler, sondern das gewünschte Unterlassen in der konkreten Verletzungsform - die beabsichtigte Konzessionsvergabe auf der Grundlage des fraglichen Ratsbeschlusses - zum Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gemacht hat.
Das OLG Celle hat weiterhin ausgeführt, dass es nicht erforderlich sei, einzelne behauptete oder festgestellte Bewertungsfehler in den Antrag oder die Verbotsklausel aufzunehmen. Eine unbillige Behinderung im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB liege nur vor, wenn die behaupteten Fehler von einer solchen Größenordnung sind, dass sie die Rangfolge der Bieter beeinflusst haben könnten. Nur soweit es zur Beantwortung dieser Frage erforderlich ist, solle das Vorliegen einzelner Bewertungsfehler festgestellt werden.
Das Gericht sei nicht befugt, über die Entscheidung über diesen Unterlassungsanspruch hinaus die Gemeinde bei der Konzessionsvergabe zur Beachtung bestimmter Rechtsauffassungen zu verpflichten. Der Gesetzgeber habe die Vergabe von Wegekonzessionen gemäß §§ 46 f. EnWG – einschließlich des Rechtsschutzes unterlegener Bewerber – bewusst nicht als GWB-Vergabeverfahren ausgestaltet. Die Reichweite eines etwaigen tenorierten Verbotes sei jedoch nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe zu bestimmen. Eine gerichtliche Befugnis, die Beklagte darüber hinaus zur Beachtung gerichtlicher Rechtsauffassungen zu verpflichten, wie sie bei vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren (§ 168 Abs. 1 Satz 2 GWB) oder im Verwaltungsgerichtsprozess bei einem Verbescheidungsurteil gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO vorgesehen sei, kenne das Zivilprozessrecht hingegen nicht.
Kein Verbot des Vertragsschlusses allein wegen unzureichender Akteneinsicht
In der zweiten Entscheidung vom 30.04.2024 (Az. 13 U 34/23) ging es um die Frage, ob eine Verfügungsklägerin, die sich um eine Stromkonzession beworben hatte, den Vertragsschluss zwischen der Verfügungsbeklagten (einer Gemeinde) und der SNGS GmbH & Co KG (einem anderen Bieter) allein wegen einer unzureichenden oder fehlenden Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG gerichtlich untersagen lassen kann.
Das Landgericht Hannover gab dem Antrag mit Urteil vom 13.07.2023 (Az. 74 O 93/22) ursprünglich statt. Das OLG Celle hat diese Frage jedoch verneint und die Berufung der Verfügungsbegklagten stattgegeben. Das OLG Celle hat dabei zwischen einem Verbot des Vertragsschlusses wegen unzureichender Akteneinsicht und einem Verbot wegen einer fehlerhaften Auswahlentscheidung der Gemeinde unterschieden.
Das OLG Celle entschied, dass ein unterlegener Bieter keinen Anspruch auf Unterlassung des Konzessionsabschlusses allein wegen mangelnder oder unzureichend gewährter Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG habe. Die fehlende oder unzureichende Akteneinsicht können nur als Mangel an Transparenz in der Auswahlentscheidung im Rahmen des Verfahrens nach § 47 Abs. 5 EnWG geltend gemacht werden, nicht als eigenständiger Beschwerdegrund. Das Gericht unterschied zwischen dem Verbot des Abschlusses eines Stromkonzessionsvertrags bis zur Gewährung einer ausreichenden Akteneinsicht und einer einstweiligen Verfügung aufgrund einer fehlerhaften Auswahlentscheidung der Kommune.
Da das Gericht erster Instanz darüber hinaus keine der materiellen Einwendungen der Verfügungsklägerin gegen die Auswahlentscheidung geprüft, sondern eine Unterlassung der Konzessionsvergabe allein wegen unzureichender Akteneinsicht begründet hatte, konnte die Auswahlentscheidung zudem nicht erstmals im Berufungsverfahren, das von der Kommune eingeleitet wurde, geprüft werden, da der unterlegene Bieter keine (zusätzliche) (Anschluss-)Berufung eingelegt hatte. Dies war hier nicht der Fall, da die Verfügungsklägerin nur die Abweisung der Berufung der Verfügungsbeklagten beantragt hatte, dies aber nicht die Wirkung einer Anschlussberufung hatte.
Das OLG Celle hat weiterhin klargestellt, dass eine (freiwillige weitere) Akteneinsicht durch die Gemeinde nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG das Beschwerdeverfahren von Neuem beginnen lässt und zu einem neuen Antrag auf einstweilige Verfügung auf der Grundlage der durch die Akteneinsicht erlangten Erkenntnisse führen kann. Ein Konzessionsvertrag darf daher nicht vor Ablauf der Fristen nach § 47 Abs. 2 Sätze 3, 4 EnWG und § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG geschlossen werden, wenn das Beschwerdeverfahren wegen gewährter (weiterer) Akteneinsicht neu beginnt. Innerhalb dieser neuen Fristen könnten auch solche Rügen noch zulässigerweise erhoben werden, die u.U. bereits auf der Grundlage der ersten Akteneinsicht hätten erhoben werden können. Insbesondere stünde der erneuten Berücksichtigung früher erhobener Rügen auch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht entgegen, da das Landgericht ausdrücklich über diese nicht entschieden habe und sie auch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden seien.
Fazit
Die beiden Entscheidungen des OLG Celle zeigen, dass nicht nur die Konzessionsvergabe nach dem EnWG selbst ein sensibles und streitanfälliges Verfahren ist, das hohe Anforderungen an die Transparenz, die Fairness und die Nachvollziehbarkeit der Auswahlentscheidung der Gemeinden stellt. Vielmehr ist für eine effektive Wahrnehmung des Rechtsschutzes auch eine umfassende und korrekte Antragsstellung sowohl in erster Instanz als auch bei einem möglichen Berufungsverfahren sowie der sorgsame Umgang mit fristauslösenden Handlungen seitens der betroffenen Kommune entscheidend.
Ansprechpartner
Björn Jacob