Mit GovTechs dynamische Vergabeverfahren entwickeln

Ein modernes, funktionierendes Verwaltungsökosystem braucht eine innovative Beschaffung.

Endlich Sommer: Die Sonne scheint, Blumen blühen und Vögel zwitschern. Damit dieses natürliche Ökosystem funktioniert, müssen viele kleine Organismen optimal zusammenspielen. Ganz ähnlich ist es in der öffentlichen Verwaltung. Auch hier müssen viele Beteiligte zusammenwirken. Und auch dieses Ökosystem muss fortlaufend gepflegt werden, damit es weiter existieren und sich selbständig und dynamisch weiterentwickeln kann. Nützlich dafür sind frische Impulse von außen – unter anderem aus der Privatwirtschaft.

Zum notwendigen Wandel der öffentlichen Verwaltung braucht es innovative Ansätze und Technologien sowie neue Muster und Ideen, die auf den bisherigen Ansätzen aufbauen und diese weiterentwickeln. Diese Evolution modernisiert die Verwaltung und damit den Staat – und bereitet sie auf ihre zukünftigen Aufgaben und die damit einhergehenden Herausforderungen in einer zunehmend digitalen Welt vor.

Innovative Beschaffung ist zentral für die moderne Verwaltung

Ein wichtiger Baustein im Verwaltungsökosystem sind GovTechs („Government Technologies“) und die von ihnen entwickelten technologischen Lösungen für die öffentlichen Verwaltung. Dieser Bereich zählte im Jahr 2021 mit einem weltweiten Marktvolumen von rund 400 Milliarden Euro zu den wachstumsstärksten Technologiesektoren überhaupt. In Deutschland stellt der Bund für das Jahr 2023 aus seinem Haushalt 107 Millionen Euro an Fördermitteln für innovative Lösungen zur Verfügung.

Dennoch kommen GovTechs in der Praxis bislang nur selten zum Einsatz. Besonders auffällig: Nur 36 Prozent aller deutschen Start-ups bewerben sich überhaupt um öffentliche Aufträge. Das hat mehrere Gründe: Junge Unternehmen schrecken insbesondere vor langwierigen Ausschreibungsprozessen, der Komplexität der geforderten Unterlagen und auch den Vergabearten selbst zurück. So scheitert die Umsetzung von Innovationen im Verwaltungsökosystem oft bereits, bevor die öffentliche Hand und Technologie-Start-ups überhaupt zueinander finden. Das müsste allerdings nicht sein: Denn das Vergaberecht bietet viele Möglichkeiten, um den bürokratischen Aufwand deutlich zu reduzieren und Kooperationen zu vereinfachen. Kurzfristig ließen sich etwa die Standardeignungskriterien so anpassen, dass sie etablierte Unternehmen nicht – wie bisher – bevorteilen. Und Auftraggeber könnten vorhandene Vergabespielräume besser nutzen, indem sie statt auf Referenzen mehr Wert auf die Lebensläufe der jeweiligen Firmengründer:innen und Expert:innen legen.

Moderne Vergabeinstrumente für vielfältige Beschaffungsverfahren

Auch die Vergabeverfahren selbst sind vielfältig und umfassen durchaus moderne Instrumente. Jedes einzelne hat spezifische Vorteile. Beim „wettbewerblichen Dialog“ beispielsweise erarbeiten Auftraggeber und teilnehmende Unternehmen die bestmögliche individuelle Lösung im Dialog. Dieses Verfahren eignet sich besonders, wenn es noch keine festgelegte Leistungsbeschreibung gibt. Das nimmt viel Druck von der auftraggebenden Verwaltung, weil sie Ziel und Lösung nicht zwangsläufig exakt vorgeben muss.

Die „Innovationspartnerschaft“ bietet sich bei einem spezifischen Bedarf an, für den der Markt (noch) keine Lösung bereithält. Verwaltung und Unternehmen streben dabei eine langfristige Partnerschaft an: vom Kennenlernen bis zum gemeinsamen Ausprobieren und Entwickeln. Beim „Dynamischen Beschaffungssystem“ (DBS) kooperiert die Verwaltung über einen langen Zeitraum mit unterschiedlichen Unternehmen zu einer speziellen Fragestellung. Über die Vertragslaufzeit hinweg können sich unbegrenzt viele Unternehmen qualifizieren und über Mini-Wettbewerbe fortlaufend bewerben. Dies erhöht die Flexibilität und trägt dazu bei, die optimale Lösung zu finden.

Mut und Rückendeckung für innovative Veränderungen

Solche innovativen Vergabearten setzen die öffentlichen Verwaltungen unter anderem in Großbritannien und den Niederlanden bereits erfolgreich ein. Sie könnten auch der öffentlichen Hand in Deutschland aufzeigen, wie wertvoll und zielführend diese Instrumente sind – für potenzielle GovTechs und für die Behörden selbst. Um die Vorteile der genannten und anderer Verfahren zu nutzen, müssen die öffentlichen Auftraggeber vor allem zweierlei aufbringen: Mut zum Experimentieren und die Bereitschaft, sich stetig weiterzuentwickeln.

Doch das allein genügt nicht: Vergabe-Innovator:innen in öffentlichen Institutionen brauchen auch eine klare Rückendeckung. Die Politik sollte den Mut zu Veränderungen und Innovationskraft gezielt fordern und fördern. Denn letztlich entsteht Innovation in Ökosystemen nur durch das Beschreiten ungewohnter, neuer Pfade und ein optimales Zusammenspiel – das gilt in der öffentlichen Verwaltung genauso wie in der Natur.

Ansprechpartner:
Nicolai Bieber

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Prof. Dr. Rainer Bernnat

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