Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz – Ein Schritt in die Zukunft der Altersvorsorge?
Der Referentenentwurf zum 2. Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde veröffentlicht.
Am 24. Juni 2024 wurde der Referentenentwurf für das 2. Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG II) veröffentlicht, der gemeinsam vom Arbeits- und Finanzministerium erarbeitet wurde. Dieses Gesetz zielt darauf ab, die betriebliche Altersvorsorge (bAV) attraktiver zu gestalten und den rückläufigen Verbreitungsgrad wieder zu erhöhen. Hier sind die wichtigsten Änderungen und deren Auswirkungen im Überblick:
Flexibilisierung der Bedeckungsvorschriften und Anlagevorschriften
Ein zentrales Element des neuen Gesetzes ist die Flexibilisierung der Bedeckungsvorschriften. Diese sollen es Pensionskassen ermöglichen, ihre Anlagestrategien stärker auf die Endfälligkeit der Leistungen auszurichten, um damit höhere Renditen zu erzielen. Konkret bedeutet dies:
- Unterjährige Unterdeckung: Es wird Anpassungen geben, um temporäre Unterdeckungen des Sicherungsvermögens zu erlauben. Voraussetzung ist u.a. ein mit der BaFin vereinbarter Sicherungsvermögensplan mit Zusagen u.a der Arbeitgeber bezüglich der Verfügungstellung von Finanzmittel. Aktuell müssen die Gesellschaften auch bei einer temporären Unterdeckung eine Meldeplicht an die BaFin erfüllen.
- Erweiterte Anlagemöglichkeiten: Die Anlagevorschriften werden erweitert für Anlagen zur Förderung von Infrastrukturprojekten. Es soll insbesondere die Risikokapitalquote angehoben werden. Dadurch sollen Pensionskassen mehr Spielraum in der Kapitalanlage erhalten.
Dies reflektiert das besondere Geschäftsmodell von Pensionskassen, die eine lebenslange Rente als Leistung garantieren. Mit einer volatileren Kapitalanlage verbundene Schwankungen, die gegebenenfalls auch zu Unterdeckungen führen können, gleichen sich erfahrungsgemäß über lange Zeiträume aus.
Weiterentwicklung der Sozialpartnermodelle
Das Sozialpartnermodell (SPM) ermöglicht Arbeitgeber:innen erstmals die Vergabe von reinen Beitragszusagen ohne Subsidiärhaftung. Dabei sind Garantien, einschließlich einer Mindestleistungsgarantie, verboten. Stattdessen wird eine Zielrente angeboten, die von der Vermögens- und Ertragsentwicklung der Versorgungseinrichtung abhängt. Der Arbeitnehmer:innen trägt das Kapitalanlagerisiko, während die Arbeitgeber:innen einen zusätzlichen Sicherungsbeitrag leisten können. Das SPM, das weiterhin nur unter Einbeziehung der Gewerkschaften tarifvertraglich gestaltet werden kann, wird weiterentwickelt:
- Erweiterte Anwendungsfälle: Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in können nun die Nutzung einer nicht direkt anwendbaren tariflichen Regelung für ein SPM vereinbaren, wenn ein relevanter Tarifvertrag dies zulässt oder die zuständige Gewerkschaft das Modell unterstützt.
- Anbindung an bestehende Modelle: Bestehende Sozialpartnermodelle können einfacher übernommen werden (z.B. 1:1-Übernahme eines Modells durch einen anderen Tarifvertrag, bei dem die Organisations- und Durchführungsstrukturen eines bestehenden SPMs genutzt werden), was die Durchführung und Steuerung erleichtert.
Diese Anpassungen sollen die Nutzung und Verbreitung der Sozialpartnermodelle fördern und gleichzeitig für mehr Flexibilität und Sicherheit sorgen.
Einführung von Opting-Out-Systemen
Ein weiterer wichtiger Punkt des Gesetzes ist die Einführung von Opting-Out-Systemen zur automatischen Entgeltumwandlung auf Betriebsebene. Dies war bisher nur durch Tarifverträge möglich. Neu ist:
- Betriebsvereinbarungen: Opting-Out-Systeme können nun auch durch Betriebsvereinbarungen eingeführt werden, wenn die Arbeitgeber:innen sich mit mindestens 20% an den Kosten beteiligt.
Diese Änderung soll vor allem kleineren und mittelständischen Betrieben die Möglichkeit bieten, ihren Mitarbeiter:innen eine attraktive betriebliche Altersvorsorge anzubieten.
Ausbau der Förderung für Geringverdiener
Die Einkommensgrenze nach § 100 EStG soll zukünftig dynamisiert werden und 3% der BBG betragen (2024: 2.718 Euro statt 2.575 Euro). Laufende Lohnanpassungen, z. B. aus Tarifverträgen, führen damit nicht mehr zu einem möglichen Herausfallen aus der Förderung. Gleichzeitig bleibt es zwar bei der prozentualen Förderung von 30%, die maximal steuerlich förderfähigen Beträge sollen jedoch von 288 Euro auf 360 Euro angehoben werden. Förderfähig ist damit ein Jahresbeitrag von bis zu 1.200 Euro für jeden Mitarbeiter, der unter die Regelung für die Niedrigverdiener fällt.
Damit soll insbesondere für Arbeitnehmer:innen, denen ein eigener Beitrag zur bAV über Entgeltumwandlung aufgrund eines geringen Einkommens schwerfällt, der Aufbau über einen durch die Arbeitgeber:innen finanzierten Beitrag ermöglicht werden. Zudem erhalten Arbeitgeber:innen durch die Dynamisierung Planungssicherheit für entsprechende Betriebsrentenzusagen, da ein Herauswachsen nicht mehr möglich ist.
Digitalisierung und Modernisierung
Auch die Digitalisierung wird vorangetrieben: Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) darf künftig offiziell digital kommunizieren und Treuhänder dürfen elektronische Unterlagen bezüglich des Sicherungsvermögens einsehen.
Fazit
Das zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz bringt zahlreiche Neuerungen und Anpassungen, die die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland zukunftssicher und attraktiver machen sollen. Durch die Flexibilisierung der Anlagevorschriften, die Weiterentwicklung der Sozialpartnermodelle und die Einführung von Opting-Out-Systemen wird es Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen erleichtert, von den Vorteilen der bAV zu profitieren.
Insgesamt wird der Referentenentwurf von den Vertretern der Branche als positiver Impuls für die betriebliche Altersvorsorge und deren Verbreitung aufgenommen, jedoch gibt es auch verschiedene Kritikpunkte. Während das aktuariell geprägte Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung sich positiv zur Flexibilisierung bei einer vorübergehenden Unterdeckung des Sicherungsvermögens von Pensionskassen äußerte, sind viele Vertreter der Meinung, dass einige weitere zentrale Forderungen, wie die Lockerung von Garantien außerhalb des Sozialpartnermodells oder die Angleichung der SV-Förderhöhe an die steuerliche Förderung von Entgeltumwandlungen, nicht berücksichtigt wurden. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (siehe hier für die GDV-Stellungnahme) und die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (siehe hier für die aba-Stellungnahme) stehen beispielsweise beide der Erweiterung des Optionssystems positiv gegenüber, kritisieren aber dass unterschiedlich hohe Vorgaben zu den Zuschüssen die Komplexität erhöhen bzw. ein zwingender Arbeitgeberzuschuss von 20% sich als Verbreitungshemmnis darstellen könnte. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) ist der Meinung, dass der Entwurf positive Schritte zur Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge enthält, jedoch fehlen wichtige steuer- und handelsbilanzielle Reformansätze. Es argumentiert, dass die derzeitigen Bewertungsregeln zu steuerlichen Scheingewinnen führen, die letztendlich das Unternehmen schwächen können. Somit könne der Referentenentwurf nicht die erhoffte Durchschlagskraft entfalten.
Die Verbände und weitere Interessenträger hatten bis zum 25. Juli Zeit, zu dem 45-seitigen Referentenentwurf Stellung zu nehmen. Zur Umsetzung des Gesetzesvorhabens hieß es vor der aktuellen Sommerpause des Bundestags aus den verantwortlichen Ministerien, dass man zügig vorankommen will – inwiefern die Kritikpunkte noch Berücksichtigung finden, bleibt also abzuwarten.
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Melanie Schlünder
Director
Frankfurt am Main