Erneute Überprüfung des steuerlichen Querverbundes
Der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt sich derzeit erneut mit dem steuerlichen Querverbund und der sogenannten Kettenverflechtung bzw. der Mittschlepptheorie und hat das Bundesfinanzministerium (BMF) zum Verfahrensbeitritt aufgefordert (Az. V R 43/21).
1. Aktuelles Verfahren
Der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt sich derzeit erneut mit dem steuerlichen Querverbund und der sogenannten Kettenverflechtung bzw. der Mittschlepptheorie und hat das Bundesfinanzministerium (BMF) zum Verfahrensbeitritt aufgefordert (Az. V R 43/21). Das Finanzgericht Schleswig-Holstein als Vorinstanz (Az. 1 K 115/17), hatte die Revision zugelassen.
2. Hintergrund
Ein BgA kann gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG mit einem oder mehreren anderen BgA zusammengefasst werden, wenn sie gleichartig sind (Nr. 1), zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht (Nr. 2) oder BgA im Sinne des § 4 Abs. 4 KStG (Versorgungs-, Verkehrs- oder Hafenbetrieb) vorliegen (Nr. 3).
3. Gegenstand des Verfahrens
Gegenstand des Verfahrens ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, welche einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) Versorgung deklarierte, der den Betrieb zweier BHKWs, der Wasserversorgung und eines Freibades umfasste.
Das Finanzgericht vertrat sodann die Ansicht, dass nicht einer, aber drei eigenständige BgA vorlägen. Allerdings sei der BgA BHKW mit dem BgA Wasserversorgung zusammenfassbar (Schritt 1, § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 KStG). Des Weiteren könne dieser zusammengefasste BgA BHKW / Wasserversorgung sodann mit dem BgA Freibad auf Grund einer technisch-wirtschaftlichen Verflechtung zusammengefasst werden (Schritt 2, § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG). Im Ergebnis seien also sämtliche Verluste und Gewinne aus diesen Tätigkeiten verrechenbar.
Gegen diese Entscheidung hat die Finanzverwaltung Revision eingelegt.
4. Aufgeworfene Fragen
Der BFH möchte nun mit dem BMF abstimmen, ob eine zweistufige Zusammenfassung wie oben beschrieben mit § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG vereinbar ist. Fraglich ist hierbei, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG bei der Zusammenfassung im Schritt 2 zu beiden BgA der zuvor erfolgten Zusammenfassung im Schritt 1 erfüllt sein müssen, oder nur zu einem der beiden bereits zusammengefassten BgA. Vorliegend stellt sich also die Frage, ob der BgA Freibad sowohl technisch-wirtschaftlich mit dem BgA BHKW und dem BgA Wasserversorgung unabhängig voneinander verflochten sein muss und eine Zusammenfassung auch jeweils nur mit diesem BgA möglich wäre.
Sollte die Verflechtung nur mit einem der BgA erforderlich sein, könnte die Reihenfolge der Schritte darüber entscheiden, ob eine Zusammenfassung möglich ist, oder nicht. Des Weiteren könnten Konstellationen vorliegen, in denen drei BgA leichter zusammenzufassen wären als nur zwei BgA.
Des Weiteren stellt der BFH die Frage, ob eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden BgA nach § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG möglich ist. Gemäß BMF-Schreiben vom 12.11.2019 ist eine organisatorische Verflechtung nicht erforderlich. Allerdings hatte sich die Rechtsprechung für Sachverhalte vor der Einführung des § 4 Abs. 6 KStG hier abweichend positioniert. Der BFH wirft daher nun die Frage auf, ob § 4 Abs. 6 KStG dieses Erfordernis weiterhin impliziert oder die Rechtsprechung für Altsachverhalte nicht mehr anwendbar ist.
5. Ausblick
Die Beantwortung beider Fragen kann zu grundsätzlichen und schwerwiegenden Auswirkungen auf den derzeitig bei vielen Steuerpflichtigen praktizierten steuerlichen Querverbund und die Steuerquote führen. Und dies natürlich nicht nur für BgA, sondern auch in Stadtwerke-Konzernen. Das Verfahren sollte daher aufmerksam verfolgt werden.
Kettenverflechtungen sind derzeit in vielen Gestaltungsformen in der Praxis zu finden und könnten nun kritisch zu betrachten sein, so beispielsweise auch das „Mitschleppen“ von weiteren Bädern, wenn die technische-wirtschaftliche Verflechtung nur zu einem der Bäder besteht. Darüber hinaus könnte überlegt werden, ob verschiedene Versorgungstätigkeiten tatsächlich als Einheit betrachtet werden können und die Verflechtung mit einer Versorgungssparte ausreichend ist, um eine Verrechnung sämtlicher Versorgungsgewinne mit Bäderverlusten zu ermöglichen.
Die mündliche Verhandlung soll im Juli erfolgen.
Ansprechpartnerin:
Vera Ribbentrup
Kontakt
Prof. Dr. Rainer Bernnat
Partner
Frankfurt am Main