Enormer Investitionsbedarf für Versorgungsunternehmen
Das Klima zu schützen, lohnt sich auch ökonomisch – etwa aufgrund langfristig geringerer Energiekosten.
Würde Deutschland im Jahr 2045 wie geplant klimaneutral, ließen sich gegenüber einem weniger ambitionierten Klimaschutzpfad bereits zehn Milliarden Euro an Energiekosten einsparen. Das zeigen Berechnungen von PwC (siehe dazu die Titelgeschichte der letzten Ausgabe). Kurz- und mittelfristig erfordert der Weg zur Klimaneutralität jedoch gewaltige Investitionen. Einen Großteil werden die kommunalen Versorgungsunternehmen tragen müssen, denn sie sind in vielen Regionen die wichtigsten Energie- und Wärmedienstleister.
Welchen Investitionsbedarf sehen die Versorger – und wie wollen sie die Ausgaben finanzieren? Das und mehr haben der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und PwC in einer Umfrage unter 162 VKU-Mitgliedsunternehmen untersucht.
Zwei Kernergebnisse: Im Durchschnitt planen die Unternehmen, ihr bilanziertes Anlagevermögen in den kommenden zehn Jahren mehr als zu verdoppeln (Referenzstichtag für das bilanzierte Anlagevermögen: 31. Dezember 2022). Allerdings können die Befragten durchschnittlich nicht einmal die Hälfte ihres Investitionsbedarfs durch Innenfinanzierung, insbesondere Abschreibungen, decken.
In Summe vervielfacht sich dadurch der Kapitalbedarf. Und: Besonders hoch ist für diesen Zeitraum der Investitionsbedarf in der Wasserversorgung und in der Abwasserentsorgung – zusätzlich zu den erwartbar nennenswerten Investitionen in den Bereichen Strom und Wärme, sowohl für die Erzeugung als auch für die Netze.
Innenfinanzierung und Kredite reichen häufig nicht mehr aus
Wie groß die finanzielle Herausforderung ist, zeigen folgende Zahlen: 70 Prozent der befragten Unternehmen wollen über die kommenden zehn Jahre mindestens in Höhe ihres bilanzierten Anlagevermögens investieren; knapp 40 Prozent der Befragten planen, mindestens das Doppelte des Anlagevermögens zu investieren; und knapp ein Fünftel rechnet mit mehr als dem Vierfachen des Anlagevermögens. Im Durchschnitt wollen die Befragten also gut das Doppelte ihres Anlagevermögens aufwenden.
Reine Energieversorger haben einen noch größeren Finanzierungsdruck: Sie erwarten durchschnittlich einen Investitionsbedarf von knapp dem Dreifachen ihres bilanzierten Anlagevermögens. Weniger als ein Drittel dieser Gruppe kann die Hälfte des Investitionsbedarfs oder mehr durch Innenfinanzierung stemmen. Nur für etwa die Hälfte der Befragten – 53 Prozent – ist die Finanzierung der erforderlichen Investitionen durch Bankdarlehen langfristig sichergestellt. Als zentrale Gründe gegen eine Finanzierung mit Krediten nannten sie sinkende Eigenkapitalquoten und allgemeine Risikobewertungen durch Banken (jeweils 72 Prozent). 70 Prozent halten die Finanzierung mit Bankdarlehen wegen steigender Zinsen für unwirtschaftlich.
Mehrheit plant ohne neue Gesellschafter
Kurzum: Sowohl die Innenfinanzierung als auch Bankdarlehen werden den Investitionsbedarf rechnerisch nicht decken können. Deshalb wird in vielen Fällen zusätzliches Eigenkapital zwingend notwendig sein. Woher soll es stammen?
Gut zwei Drittel der Unternehmen (69 Prozent) können Gewinne zumindest anteilig thesaurieren, um zu investieren. Es ist allerdings offen, inwieweit die thesaurierten Überschüsse substanziell dazu beitragen können, den Investitionsbedarf zu decken – denn viele kommunale Gesellschafter planen bereits langfristig mit den Gewinnausschüttungen ihrer Versorger. Die direkte Kapitalerhöhung durch die bestehenden Gesellschafter ist eine weitere Möglichkeit. Tatsächlich infrage kommt sie für lediglich 30 Prozent der Befragten – für 70 Prozent nicht.
Die Mehrheit der kommunalen Versorgungsunternehmen wird ihr bilanziertes Anlagevermögen mindestens verdoppeln und braucht hierfür zusätzliches Fremd- und Eigenkapital – in ganz erheblichem Umfang.
Fest steht also: Die Mehrheit der befragten Unternehmen weiß sehr genau, dass sie dringend Eigenkapital aus anderen Quellen benötigt. Angesichts dieser Tatsache und trotz des enormen Finanzierungsbedarfs überrascht allerdings sehr, dass lediglich 27 Prozent der Befragten ihr Eigenkapital mithilfe neuer Gesellschafter erhöhen wollen.
Neue Partner bzw. Finanzierungsmodelle eher auf Projektbasis
Geht es darum, einzelne Projekte zu finanzieren, sind die befragten Unternehmen deutlich offener für neue Gesellschafter bzw. Investoren: 77 Prozent können sich vorstellen, mit solchen Partnern in einer Projektgesellschaft zusammenzuarbeiten. Und gut jedes fünfte befragte Unternehmen (22 Prozent) hat bereits Erfahrungen mit solch einem Modell gesammelt.
Insgesamt knapp acht von zehn Befragten interessieren sich zudem für alternative Finanzierungsmodelle der Energiewendeinvestitionen: Für rund die Hälfte ist es beispielsweise eine Option, Anlagen zu leasen. Die Bürger:innen vor Ort am Versorger zu beteiligen, kommt für 77 Prozent infrage. Und eine Bürger:innenbeteiligung an einzelnen Projekten können sich sogar 85 Prozent vorstellen.
Ansprechpartner:
Henry Otto
Kontakt
Prof. Dr. Rainer Bernnat
Partner
Frankfurt am Main