Referentenentwurf zum Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen veröffentlicht
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat heute den Referentenentwurf zum Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung von Steuergestaltungen den Verbänden zur Stellungnahme bis zum 30. September zugeleitet.
Anlass für dieses Gesetz ist die am 25. Juni 2018 in Kraft getretene Richtlinie zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU (6. Änderungsrichtlinie 2018/822/EU zur Amtshilferichtlinie (nachfolgend DAC 6)) zum verpflichtenden automatischen Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen. Nach DAC 6 haben die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis zum 31. Dezember 2019 in nationales Recht umzusetzen. Die Regelungen sind dann ab dem 1. Juli 2020 anzuwenden.
Wann ist eine grenzüberschreitende Gestaltung meldepflichtig?
Eine Gestaltung ist meldepflichtig, wenn sie grenzüberschreitend ist, mindestens eines der sog. Kennzeichen erfüllt und die Gestaltung eine Steuer betrifft, auf die das EU-Amtshilfegesetz Anwendung findet. Dies sind alle von Mitgliedstaaten der EU erhobenen Steuern mit Ausnahme von Umsatzsteuer und Zöllen sowie bestimmten Verbrauchsteuern.
Hinsichtlich der Auswahl der Kennzeichen und weitgehend auch ihrer Ausgestaltung hält sich der Referentenentwurf an den diesbezüglichen Katalog der Richtlinie. Die Einführung zusätzlicher Kennzeichen ist nicht vorgesehen.
Entsprechend der Richtlinie begründen bestimmte Kennzeichen nur dann eine Meldepflicht, wenn die Gestaltung den sog. „Main benefit“-Test erfüllt. Dies ist der Fall, wenn erwartet werden kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile der Gestaltung die Erlangung eines Steuervorteils ist. Dies betrifft
- die sog. allgemeinen Kennzeichen, die das Verhältnis zwischen Intermediär (z.B. Rechtsanwalt, Steuerberater, Vermögensberater) und Steuerpflichtigem (Vertraulichkeitsklausel, Erfolgsvergütung) oder Merkmale der Dienstleistung des Intermediärs (standardisierte Dokumentation oder Struktur) betreffen;
- die sog. spezifischen Kennzeichen, wie der Erwerb von Verlustunternehmen zur anderweitigen Nutzung ihrer Verluste, die Umwandlung von Einkünften in Vermögen, Schenkungen oder niedriger bzw. nicht besteuerte Einkünfte sowie zirkuläre Vermögensverschiebungen;
- Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen, die beim Empfänger steuerbefreit oder durch ein sog. Präferenzregime begünstigt sind oder für die eine Besteuerung beim Empfänger (nahezu) unterbleibt, weil dessen Ansässigkeitsstaat Körperschaftsteuer nicht oder nur mit einem Steuersatz (nahe) Null erhebt.
Nach dem Referentenentwurf ist der Begriff des steuerlichen Vorteils weit gefasst. So sollen bspw. Steuererstattungen, die Verringerung oder Verhinderung von Steueransprüchen oder deren Verschiebung in andere Besteuerungszeiträume oder auf andere Besteuerungszeitpunkte zu einem steuerlichen Vorteil führen. Zudem sind bei der Beurteilung des Vorliegens eines steuerlichen Vorteils auch im Ausland erzielte Vorteile einzubeziehen. Wirkt sich der steuerliche Vorteil einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung allerdings ausschließlich in Deutschland aus und ist dieser gesetzlich vorgesehen, gilt dieser nicht als steuerlicher Vorteil.
Diejenigen Kennzeichen, deren Anwendung nicht unter dem Vorbehalt des „Main benefit“-Tests stehen, sind:
- Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen, bei denen der Empfänger in keinem oder in einem von der EU oder der OECD als unkooperativ eingestuften Steuerhoheitsgebiet ansässig ist;
- Gestaltungen, bei denen es in mehr als einem Steuerhoheitsgebiet zu Abschreibungen desselben Vermögenswerts oder zu einer Befreiung von der Doppelbesteuerung für dieselben Einkünfte/dasselbe Vermögen kommt;
- die Übertragung von Vermögensgegenständen, bei denen es einen wesentlichen Unterschied hinsichtlich des für diesen in den beteiligten Staaten anzusetzenden Werts gibt;
- die sog. spezifischen Kennzeichen hinsichtlich des Informationsaustauschs über Finanzkonten bzw. hinsichtlich des wirtschaftlichen Eigentums;
- die Kennzeichen hinsichtlich der Verrechnungspreisgestaltung, wie die Nutzung unilateraler safe harbour-Regelungen, die Übertragung schwer zu bewertender immaterieller Wirtschaftsgüter zwischen verbundenen Unternehmen oder die Übertragung von Funktionen, Risiken oder Vermögenswerten innerhalb von verbundenen Unternehmen, sofern durch Letztere die Gewinnerwartung des Übertragenden über einen Betrachtungszeitraum von drei Jahren um mehr als 50 % sinkt.
In der genauen Ausgestaltung der Kennzeichen weist der im Referentenentwurf vorgesehene Gesetzeswortlaut an einigen Stellen allerdings auch Abweichungen von der Richtlinie auf:
So erfassen z.B. die auf Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen abstellenden Kennzeichen nach der Richtlinie nur solche Zahlungen, die beim Zahlenden abzugsfähig sind. Der Referentenentwurf sieht eine solche Einschränkung nicht vor.
Des Weiteren stellt der Referentenentwurf regelmäßig nicht nur auf die Übertragung (zwischen verschiedenen Rechtsträgern), z.B. von immateriellen Wirtschaftsgütern und Funktionen, Risiken oder Wirtschaftsgütern, sondern alternativ auch auf deren Überführung (zwischen dem Unternehmen und seinen Betriebsstätten) ab.
Eine Einschränkung der Richtlinienregelung nimmt der Referentenentwurf hingegen bei dem Kennzeichen vor, welches die Befreiung von der Doppelbesteuerung für dieselben Einkünfte/dasselbe Vermögen in mehreren Staaten anspricht. Entsprechende Gestaltungen sollen nur dann meldepflichtig sein, wenn die Einkünfte oder das Vermögen in Folge der Gestaltung ganz oder teilweise unversteuert bleiben.
Wer ist meldepflichtig?
Nach dem Referentenentwurf ist grundsätzlich der Intermediär meldepflichtig. Intermediär ist jede Person, die eine grenzüberschreitende Steuergestaltung vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung verwaltet.
Zudem bedarf es eines „Deutschland-Bezugs“ des Intermediärs: Dieser ist gegeben, wenn der Intermediär in Deutschland ansässig ist (Sitz, Geschäftsleitung, Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt) oder – bei nicht in der EU Ansässigen – bspw. die Dienstleistung über eine Betriebsstätte in Deutschland erbracht wird. In anderen EU-Staaten ansässige Intermediäre unterliegen in Deutschland hingegen nicht der Meldepflicht.
Ist ein Intermediär an der Gestaltung beteiligt, hat die Meldung zu den „abstrakten Angaben“ immer durch den Intermediär zu erfolgen. Hingegen bestehen bezüglich der zweiten Meldung (Angaben zum Nutzer sowie zu den an der Gestaltung beteiligten oder von ihr betroffenen Personen) zwei Alternativen, wenn der Intermediär einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht (wie bspw. Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer) unterliegt:
1. Der Nutzer der Gestaltung entbindet den Intermediär von der Verschwiegenheitspflicht In diesen Fällen hat der Intermediär auch die zweite Meldung vorzunehmen.
2. Wird der Intermediär von seiner Verschwiegenheitspflicht hingegen nicht entbunden, hat der Nutzer die Meldung selbst vorzunehmen.
Nutzer unterliegen in jedem Fall dann selbst für beide Meldungen der Meldepflicht, wenn sie die meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung eigenständig entwickelt haben.
Welche Informationen sind zu melden?
Die Meldung an die Finanzbehörden umfasst zwei Teile: Im ersten Teil sind „abstrakte Angaben“ zu melden. Dazu gehören
- Angaben zu dem/den Intermediären
- die eine Meldepflicht begründenden Kennzeichen,
- eine Zusammenfassung des Inhalts der mitteilungspflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltung,
- der wirtschaftliche Wert der Gestaltung,
- das (geplante) Datum des ersten Schritts der Umsetzung und
- Einzelheiten zu den einschlägigen Rechtsvorschriften aller betroffenen Mitgliedstaaten.
Die zweite Meldung umfasst individuelle, den Nutzer und die Gestaltung betreffende Angaben. Dies sind u.a.
- Angaben zum Nutzer der Gestaltung
- Angaben zu an der Gestaltung beteiligten verbundenen Unternehmen,
- (soweit bekannt) wahrscheinlich betroffene Personen und Mitgliedstaaten.
Der Intermediär erhält nach der ersten Meldung für die gemeldete Gestaltung eine sog. Registriernummer und für die Meldung eine sog. Offenlegungsnummer. Beide Nummern hat er dem Nutzer unverzüglich mitzuteilen und sind dann bei der zweiten Meldung mit anzugeben. Darüber hinaus muss der Intermediär, soweit ihm weitere Intermediäre bekannt sind, auch diesen die erhaltene Registriernummer mitteilen.
Schließlich sind beide Nummern zudem in der Steuererklärung anzugeben, in der sich der steuerliche Vorteil erstmals auswirken soll.
Wie und bis wann hat die Meldung zu erfolgen?
Die Meldung hat elektronisch gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz zu erfolgen.
Sie ist innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Ablauf des Tages vorzunehmen,
- an dem die grenzüberschreitende Gestaltung zur Umsetzung bereitgestellt wird oder
- der Nutzer zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Gestaltung bereit ist oder
- mindestens ein Nutzer den ersten Schritt der Umsetzung der grenzüberschreitenden Gestaltung gemacht hat.
Entscheidend ist, welches Ereignis zuerst eintritt.
Wie hoch sind die Sanktionen wegen Verstößen gegen die Meldepflicht?
Nach dem Referentenentwurf werden Verstöße gegen die Meldepflicht als Ordnungswidrigkeit behandelt und mit Geldbußen von bis zu EUR 25.000 geahndet. Verstöße sind das Unterlassen der Meldung sowie die nicht rechtzeitige oder unvollständige Meldung. Die Sanktionen sollen für Gestaltungen verhängt werden können, deren erster Umsetzungsschritt nach dem 30. Juni 2020 erfolgt.
Unterbleibt die Angabe der Registrier- und der Offenlegungsnummer in der Steuererklärung, in der sich der steuerliche Vorteil erstmals auswirken soll, liegt ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit einer Geldbuße von bis zu EUR 25.000 geahndet werden kann.
Was passiert mit den Meldungen?
Das BZSt wertet die zugegangenen Mitteilungen zu grenzüberschreitenden Gestaltungen aus. Die Ergebnisse der Auswertung werden dem BMF mitgeteilt. Soweit Steuern betroffen sind, die ganz oder teilweise den Ländern oder Gemeinden zustehen, unterrichtet das BMF die obersten Finanzbehörden der Länder über die Ergebnisse der Auswertung.
Die gemeldeten Informationen werden zudem in ein Zentralverzeichnis eingestellt, auf das die Behörden sämtlicher Mitgliedstaaten der EU Zugriff haben.
Ab wann ist das neue Gesetz anzuwenden?
Die Vorschriften zur Meldepflicht grenzüberschreitender Gestaltungen sind ab dem 1. Juli 2020 anzuwenden.
Es gilt jedoch zu beachten, dass auch meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen, deren erster Schritt nach dem 24. Juni 2018 und bis zum 30. Juni 2020 umgesetzt wurde bzw. wird, zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. August 2020 zu melden sind.