EBA: Bericht und Action Plan zu Dividenden-Arbitrage Geschäften wie Cum/Ex und Cum/Cum innerhalb der EU
Am 12. Mai 2020 hat die European Banking Authority - kurz EBA - ihren Bericht über Maßnahmen und Reaktionen der befragten Behörden in den EU-Mitgliedstaaten zu Dividenden-Arbitrage Geschäften wie Cum/Ex und Cum/Cum veröffentlicht. Es stellte sich heraus, dass die Relevanz von Dividenden-Arbitrage Geschäften für das Risk Management der Kreditinstitute unterschiedlich gesehen wird. Hintergrund sind insbesondere die unterschiedlichen Steuersysteme der Mitgliedstaaten. Gleichwohl kommt die EBA zu dem Ergebnis, dass die Ermöglichung von Steuerdelikten der Integrität des Finanzsystems der gesamten EU schadet. Daher stellt die EBA einen Aktionsplan (Action Plan) vor, der auf aktuellen legislativen Änderungen in den Bereichen der Eigenmittelrichtline (CRD IV/V) und der Richtlinie zur Geldwäschevermeidung aufsetzt. Der Action Plan mit eigenen Schritten der EBA und weitere, von ihr angeregte, Maßnahmen ergänzen bereits vorhandene Instrumente von Behörden und bei Kreditinstituten.
Zum Hintergrund
Als Teil des europäischen Systems der Finanzaufsicht hat die EBA die Aufgabe, durch eine harmonisierte Aufsicht und Regulierung der Banken in Europa, die Finanzstabilität zu wahren und die Integrität des Bankensektors sicherzustellen. Sie hat insbesondere Entwürfe für technische Regulierungs- und Durchführungsstandards zu formulieren sowie Leitlinien (EBA Leitlinien) und Empfehlungen für die zuständigen Behörden und Kreditinstitute herauszugeben. Darüber hinaus soll sie unzureichende Anwendung des EU-Rechts durch nationale Aufsichtsbehörden erforschen und gegenüber dem Europäischen Parlament als unabhängiger Berater agieren. Ein Aufsichtsschwerpunkt der EBA im Jahr 2020 ist eine Stärkung und höhere Konsistenz in der Aufsicht bezüglich der Geldwäschebekämpfung.
Am 28. November 2018 hat das EU Parlament die EBA und die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA in Form einer Resolution beauftragt, Akteure, Bedeutung und mögliche Brüche nationalen und europäischen Rechts in Bezug auf Dividenden-Arbitrage Geschäfte wie Cum/Ex und Cum/Cum aufzuarbeiten. Aus Sicht der EBA war es Ziel,
- potenzielle Gefahren für die Integrität der Finanzmärkte und der nationalen Haushalte zu beurteilen,
- die Art und die Größenordnung der Akteure bei diesen Arbitrage Geschäften festzustellen,
- zu beurteilen, ob es Verstöße gegen nationales oder Unionsrecht gab,
- die von den Finanzaufsichtsbehörden in den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen zu bewerten, und
- den betroffenen zuständigen Behörden geeignete Empfehlungen für Reform und Maßnahmen zu unterbreiten.
Die EBA startete daraufhin im Dezember 2018 eine erste Diskussionsrunde. Es zeigte sich, dass nur wenige nationale Aufsichtsbehörden ein Bewusstsein in Bezug auf diese Geschäfte entwickelt hatten und insoweit eher von einer Angelegenheit der Steuerbehörden ausgingen. Auf zwei Ebenen wurde gleich-wohl eine Relevanz für die Aufsichtsbehörden gesehen: zum einen in Bezug auf die Vermeidung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, soweit entsprechende Delikte vorliegen, und zum anderen in Bezug auf die allgemeine Governance als Aspekt der prudenziellen Aufsicht.
Der Bericht
Die EBA entschied sich daraufhin, im Jahr 2019 zwei Umfragen durchzuführen. Eine Umfrage im Mai 2019 richtete sich an die zuständigen Stellen für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Dabei wurde gefragt, ob Dividenden-Arbitrage Geschäfte in dem jeweiligen Mitgliedstaat als Steuerdelikt behandelt wurden und ob der Umgang mit den Erlösen aus den Geschäften als Geldwäsche behandelt wurde. Eine zweite Umfrage im Juli 2019 richtete sich an die zuständigen Aufsichtsbehörden. Die wesentliche Frage, die sich hier stellte, war, inwieweit die Beteiligung von Kreditinstituten an solchen Geschäften mit den Anforderungen an deren interne Governance vereinbar ist.
Nicht alle Behörden antworteten und die, die es taten, hatten sich nicht immer mit den Risiken solcher Geschäften befasst. Einen Grund hierfür sieht die EBA in den unterschiedlichen Steuersystemen der Mitgliedstaaten.
Lediglich in vier Mitgliedstaaten überprüften die zuständigen Behörden den Umgang der Kreditinstitute mit den entsprechenden Geschäften als Teil ihrer laufenden Inspektionen.
Nur eine zuständige Behörde hat Leitlinien zur Aufdeckung von Steuervergehen erlassen.
Die meisten für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zuständigen Behörden hatten keine Maßnahmen im Zusammenhang mit den Erlösen von Dividenden-Arbitrage Geschäften getroffen. Einige warten die Untersuchung der Steuerbehörden beziehungsweise der Staatsanwaltschaften zunächst ab.
Aus den Antworten der Aufsichtsbehörden schlussfolgert die EBA, dass von diesen nur wenige einen Zusammenhang zwischen Schwachstellen des Internen Kontrollsystems (IKS) sowie den allgemeineren Governance Regelwerken und Steuerdelikten hergestellt haben. Nur wenige Behörden in den Mitgliedstaaten haben auch Steuerdelikte als Risiken hinsichtlich Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Betracht gezogen, unabhängig davon, ob diese Steuerdelikte im Heimatstaat oder im Ausland begangen worden sind. Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Umgang mit Erlösen aus Steuerdelikten Geldwäsche darstellen kann, ohne dass es eine Rolle spielt, wo das Delikt begangen wurde. Die EBA stellt zudem fest, dass eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden bzw. zwischen den Steuerbehörden und den Aufsichtsbehörden nur in wenigen Fällen stattgefunden hat.
Action Plan
Als Reaktion auf die Antworten der nationalen Stellen und Aufsichtsbehörden erwartet die EBA zukünftig eine ganzheitliche Betrachtung. Nationale für die Geldwäschebekämpfung zuständige Stellen sollten sich an Steuerbehörden wenden und anfragen dürfen, ob Dividenden-Arbitrage Geschäfte Steuerdelikte darstellen. Wenn dies bejaht wird, sollten sie an die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden herantreten und diese Steuerdelikte melden. Dies erfordere allerdings von den Behörden eine Zusammenarbeit, die in dieser Form bisher in der CRD nicht berücksichtigt sei. Gegebenenfalls seien Kooperationsvereinbarungen erforderlich.
Darüber hinaus kündigt die EBA eigene Schritte an. Im Rahmen eines Zehn-Punkte-Plans werden Anpassungen in Bezug auf EBA Leitlinien zur internen Governance und zum Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) erfolgen.
Kreditinstitute werden auf Grundlage von angepassten EBA Leitlinien etwa verpflichtet werden, in ihrer internen Governance Grundsätze und Verhaltensweisen insbesondere im Zusammenhang mit Steuerstraftaten durch Arbitragegeschäfte festzulegen.
Im Fokus stehen ferner neben der Wirksamkeit bereits jetzt verpflichtender interner Kontrollen die EBA Leitlinien für die Beurteilung der Geschäftsleitereignung sowie beispielsweise die EBA Leitlinien für eine risikobasierte Geldwäscheüberwachung. Allen vorgeschlagenen Anpassungen ist gemeinsam, dass vermehrt der Blick auf Risiken aufgrund von Steuerdelikten einbezogen werden soll. Im Wesentlichen sollen diese Maßnahmen bis 2021 abgeschlossen werden. Zudem kündigt die EBA die Durchführung einer Untersuchung nach Art. 22 der EBA Verordnung hinsichtlich der Erfüllung der vorgenannten Anforderungen an. Hierfür ist allerdings noch kein Zieldatum vorgesehen.
Erste Einschätzung
Der Bericht und der Action Plan stellen Cum/Ex und Cum/Cum Geschäfte im Ansatz auf eine Stufe und stellen die Praxis auf diese Weise vor Herausforderungen. Zumindest aus deutscher Sicht ist es wichtig, steuerrechtlich zwischen den einzelnen Dividenden-Arbitrage Geschäften zu differenzieren. Es ist ein Unterschied, ob die Geschäfte Quellensteueroptimierung (Cum/Cum) oder Mehrfachanrechnung einer nur einmal einbehaltenen Steuer (Cum/Ex) zum Ziel haben. Cum/Cum Geschäfte, die vormals im Wesentlichen unter dem Begriff des „Dividendenstripping“ bekannt waren, werden zwar von der Finanzverwaltung in bestimmten Konstellationen als missbräuchliche Gestaltung nach § 42 AO angesehen (vgl. BMF-Schreiben vom 17.7.2017). Sie erfüllen für sich genommen jedoch nicht den Tatbestand der Steuerhinterziehung. Somit kann der Umgang mit Erlösen aus Cum/Cum Geschäften nach deutschem Recht auch keine Geldwäsche darstellen.
Zudem ist angesichts der unterschiedlichen Besteuerungssysteme die Beurteilung in vielen Mitgliedsstaaten abhängig vom konkreten Einzelfall und Sache der Gerichte. Auf europäischer Ebene kann hier ein Rahmen für eine individuelle Behandlung gestaltet werden. Hierzu zählen die bereits bestehenden Instrumente der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der direkten Besteuerung. In diesem Zusammenhang wurde über die DAC 5 Richtlinie ein Zugang der Steuerbehörden auf Informationen, Verfahren, Unterlagen und Mechanismen der Geldwäschebekämpfung geschaffen. Es ist nachvollziehbar, wenn die EBA nun auch die Schaffung von Voraussetzungen für eine intensive Unterstützung der für die Geldwäschebekämpfung zuständigen Stellen durch die Steuerbehörden anregt. Der Bericht und der Action Plan legen nicht offen, in welchen einzelnen Ländern ein Informationsaustausch zwischen den Stellen und Behörden jetzt schon stattfindet.
Zu begrüßen ist, dass aus aufsichtsrechtlicher Sicht beim Governance Aspekt von steuerinduzierten Geschäften eine größere Klarheit geschaffen wird.
Seit einigen Jahren messen die Kreditinstitute innerhalb der EU dem Thema Tax Compliance Management zunehmende Bedeutung bei. Eine Vorreiterrolle hat hier sicherlich der deutsche Markt übernommen, in dem seit einigen Jahren intensiv Tax Compliance Management Systeme aufgebaut und optimiert werden. Und nicht zuletzt aus Sicht einer nachhaltigen Steuerfunktion sollte eine gute Tax Governance weiter an Bedeutung gewinnen. Eine gute Tax Governance kann beispielsweise in einer regelmäßigen Abstimmung der Leitung Tax mit den Funktionen Risk Management und Compliance zum Ausdruck kommen. Auf diese Weise synchronisiert sich das Tax Compliance Management mit den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozessen. Dadurch wird das Risiko erheblich reduziert, dass ein Kreditinstitut für Steuerdelikte instrumentalisiert wird und unabsichtlich Geldwäsche verwirklicht.
Auch in aufsichtsrechtlicher Hinsicht haben Kreditinstitute in Deutschland bereits in den vergangenen Jahren Maßnahmen umgesetzt, die der Aufklärung und Vermeidung von unerwünschten Arbitrage-Geschäften dienen. Hierzu zählen beispielsweise verlängerte Aufbewahrungsfristen für Unterlagen und Chatprotokolle im Rahmen des Risk Managements. Auf diese Weise werden für interne und externe Prüfer vor allem im Handelsbereich eines Kreditinstituts die Aufklärungsmöglichkeiten verbessert und eine präventive Wirkung erzielt. Diese Maßnahmen stehen neben etwaigen internen Vorgaben der Kreditinstitute zur Eingrenzung von Arbitragegeschäften kurz vor und nach dem Dividendenstichtag und beinhalten den Einsatz IT-gestützter Monitoring Systeme für Konten und Marktgerechtigkeitsprüfungen für Transaktionen. Zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung führen Kreditinstitute zudem ein Kontenabrufsystem (§ 24c KWG). Auf die Daten dieses Kontenabrufsystems haben die BaFin bei Erfüllung ihrer aufsichtlichen Aufgaben sowie ihrer Aufgaben im Rahmen des Geldwäschegesetzes und außerdem die Finanzbehörden Zugriff.
Ferner ist die nach CRD IV bereits eingeführte verpflichtende Offenlegung des Steueraufwands eines Kreditinstituts, aufgeschlüsselt nach einzelnen Ländern, zu nennen. Die verpflichtende Offenlegung soll es Kreditinstituten erschweren, unbemerkt von der Öffentlichkeit die Steuerlast durch grenzüberschreitende Transaktionen zu senken.
Es ist daher aus Sicht der EBA plausibel, von Kreditinstituten neben einzelnen Maßnahmen auch einen ganzheitlichen Ansatz im Zusammenhang mit Arbitrage Geschäften zu fordern. Die Umsetzung des Action Plan wird aufgrund der unterschiedlichen Steuersysteme in den EU-Mitgliedstaaten allerdings eine Herausforderung sein. Zudem beziehen sich die von der EBA speziell zitierten legislativen Grundlagen ausdrücklich auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Somit lassen sich hierunter lediglich Arbitrage Praktiken subsumieren, die steuerstrafrechtlich relevant sind. Dies richtet sich nach der jeweiligen einzelnen Konstellation und ist häufig umstritten. Das letzte Wort haben hier regelmäßig die Gerichte. Vor allem für grenzüberschreitend tätige Kreditinstitute bedeutet dies, dass sie Ihre Tax Governance und Risk Management Systeme laufend zu überprüfen und zu aktualisieren haben.
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