Update: EuGH-Vorlage zur Vereinbarkeit der Freibetragsregelung bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht mit Unionsrecht
Das Finanzgericht Düsseldorf hat erneut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Rechtsfragen zu erbschaftsteuerlichen Sonderregeln für Fälle der beschränkten Steuerpflicht vorgelegt. Das Finanzgericht bezweifelt, ob die gesetzlichen Schlechterstellungen der beschränkten Steuerpflicht gegenüber der unbeschränkten Steuerpflicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit in Einklang stehen.
Hintergrund
Im Streitfall liegt ein Fall der beschränkten Steuerpflicht vor, weil weder der Erblasser noch die Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Die in Österreich ansässige Klägerin hatte im Jahr 2018 von ihrem ebenfalls in Österreich wohnhaften Vater in Deutschland belegenes Grundvermögen geerbt. Sie war als Alleinerbin nach österreichischem Erbrecht verpflichtet, zwei Pflichtteilsberechtigten aus dem Nachlass den Pflichtteil auszuzahlen. Das deutsche Finanzamt versagte ihr den Abzug der Zahlungen als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 6 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG), weil der in Fällen der beschränkten Steuerpflicht erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang mit dem Inlandsvermögen (§ 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG) nicht gegeben sei. Außerdem stand der Klägerin nur der nach § 16 Abs. 2 ErbStG in der Fassung des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG) geminderte erbschaftsteuerliche Freibetrag für Fälle der beschränkten Steuerpflicht zu.
Vorlagebeschluss
Das Finanzgericht Düsseldorf bezweifelt, ob die beiden Schlechterstellungen der beschränkten Steuerpflicht gegenüber der unbeschränkten Steuerpflicht durch § 10 Abs. 6 Satz 2 und § 16 Abs. 2 ErbStG im Einklang mit der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) stehen und hat entsprechende Vorlagefragen an den EuGH gerichtet.
Der deutsche Gesetzgeber hatte als Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 8. Juni 2016 in der Rechtssache C-479/14, Hünnebeck in § 16 Absatz 2 ErbStG eine Neuregelung eingeführt. Danach ist für Erwerbe, für welche die Steuer nach dem 24. Juni 2017 entsteht (§ 37 Abs. 14 ErbStG), der Freibetrag des § 16 Absatz 1 ErbStG um einen nach Maßgabe des § 16 Absatz 2 Satz 2 und 3 ErbStG zu berechnenden Teilbetrag zu mindern.
Das Finanzgericht hat Zweifel, dass diese Neuregelung mit Art. 63, 65 AEUV in ihrer Auslegung durch den EuGH zu vereinbaren ist. Der EuGH hat bereits entschieden, dass die Benachteiligung des Erwerbers durch den geringeren Freibetrag in Höhe von seinerzeit lediglich 2.000 Euro nach § 16 Absatz 2 ErbStG in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24. Dezember 2008 in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden kann, die Kohärenz des deutschen Steuersystems zu wahren.
Update (13. April 2021)
Das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22. Juli 2020 (3 K 163/19) ist laut LEXinform mittlerweile rechtskräftig.
Update (20. November 2020)
Im Gegensatz zum Finanzgericht Düsseldorf hält das Niedersächsische Finanzgericht die seit 25. Juni 2017 geltende Vorschrift des § 16 Abs. 2 ErbStG i.d.F. des StUmgBG für unionsrechtskonform und hat deswegen durch Urteil vom 22. Juli 2020 (3 K 163/19) eine Klage abgewiesen, die in einem Fall der beschränkten ErbSt-Pflicht auf Gewährung des vollen Freibetrags nach § 16 Abs. 1 ErbStG anstelle des gekürzten Freibetrags nach § 16 Abs. 2 ErbStG gerichtet war.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), über die Einlegung ist noch nichts bekannt.
Update (17. November 2020)
Das Az. der Vorlage des FG Düsseldorf vom 20. Juli 2020 beim EuGH lautet C-394/20 (Finanzamt V).
Fundstelle
Finanzgericht Düsseldorf, Beschluss vom 20. Juli 2020 (4 K 1095/20 Erb); das Verfahren ist beim EuGH unter dem Az. C-394/20 (Finanzamt V) anhängig.