Update: Erbschaftsteuerrechtliche Behandlung der Anwachsung eines KG-Anteils bei übersteigendem Abfindungsanspruch
Ist der Abfindungsanspruch, der aufgrund des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer KG bei dessen Tod gegen die Gesellschaft entsteht, höher als der Wert des auf den fortsetzenden Gesellschafter übergegangenen Anteils der KG, wird kein negativer Wert des Erwerbs als Schenkung auf den Todesfall bei dem fortsetzenden Gesellschafter berücksichtigt.
Dies gilt auch für den Fall, dass der fortsetzende Gesellschafter zugleich Erbe des ausgeschiedenen Gesellschafters ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Der Kläger ist neben seinen Geschwistern zu einem Viertel Miterbe nach seiner verstorbenen Mutter. Die Mutter und die vier Kinder waren als Kommanditisten zu jeweils 20 % an einer KG beteiligt. Entsprechend den Regelungen im Gesellschaftsvertrag wurde die KG von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt und ein Abfindungsanspruch der Erben als feste Kapitalrücklage bilanziert.
Der Steuerwert des auf den Kläger als Mitgesellschafter übergegangenen Kommanditanteils war niedriger als der auf ihn entfallende Abfindungsanspruch. Das Finanzamt berücksichtigte den Kommanditanteil im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung daher nicht. Der Kläger begehrte demgegenüber den Ansatz eines negativen Erwerbs. Der Abfindungsanspruch, der ihm als Erben als Erwerb von Todes wegen zugerechnet werde, sei korrespondierend auch in voller Höhe abzuziehen.
Die Klage vor dem Finanzgericht Münster hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Der Wortlaut von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) ist eindeutig. Er spricht nicht von einer Differenz zwischen dem Anteilswert am Todestag und den Abfindungsansprüchen Dritter, sondern bringt mit der Formulierung "übersteigen" zum Ausdruck, dass nur ein positiver Wert des Erwerbs steuerbar sein soll.
Eine erweiternde Auslegung (teleologische Extension) auf von ihrem Wortlaut nicht erfasste Sachverhalte bietet sich nicht an. Diese setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein.
Nach diesen Maßstäben ist die Berücksichtigung eines negativen Erwerbs im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG nicht möglich. Es fehlt an einer Regelungslücke. Dem Zweck der Vorschrift entspricht es, ihre Anwendung auf die Fälle zu beschränken, in denen eine objektive Bereicherung vorliegt. Eine teleologische Extension auf einen von ihrem Wortlaut nicht erfassten Sachverhalt, namentlich eine objektive Entreicherung, ist nicht vorzunehmen.
Eine erweiternde Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG ist auch nicht in den Fällen oder mit Rücksicht auf diejenigen Fälle geboten, in denen die fortsetzenden Gesellschafter zugleich Erben des durch Tod ausgeschiedenen Gesellschafters sind. Auch in diesen Fällen entspräche es nicht der Zielsetzung der Vorschrift, einen negativen Erwerb zu berücksichtigen, der mit anderen positiven Erwerben von Todes wegen zu verrechnen wäre und zu einer Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer der Erben führte. Für eine unterschiedliche Behandlung des Erwerbs je nachdem, ob jemand "nur" als Gesellschafter nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG erwirbt oder zugleich Erbe des ausscheidenden Gesellschafters ist, gibt es keine Grundlage.
Update (01. August 2022)
Das Urteil II R 2/19 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2022, Seite 384.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 08. Juni 2021 (II R 2/19), veröffentlicht am 11. November 2021.