Update: Keine erweiterte Grundstückskürzung bei unterjährigem Grundstückserwerb

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) im Fall eines unterjährigen Grundstückserwerbs nur dann in Betracht kommt, wenn auch ein Anspruch auf Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG besteht.

Sachverhalt

Klägerin war eine im Januar 2014 gegründete Vorratsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Im Juni 2014 erwarb die Klägerin Grundbesitz (Übergang Nutzen und Lasten zum 1.7.2014). Die Tätigkeiten zur Anbahnung des Grundstückskaufs wurden nicht durch die Klägerin selbst, sondern durch andere Konzerngesellschaften vorgenommen.

Die Klägerin begehrte für das Streitjahr 2014 die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Das Finanzamt lehnte die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG jedoch ab, da die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung aufgrund der unterjährigen Anschaffung des Grundstücks nicht während des gesamten Erhebungszeitraums vorlagen. Zudem habe die Klägerin bis zum Kauf des Grundstücks keine Grundstücke verwaltet. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wurde Klage erhoben.

Richterliche Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts kommt die Ausübung des Wahlrechts zur erweiterten Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nur dann in Betracht, wenn auch ein Anspruch auf die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG besteht. Da die Klägerin den Grundbesitz erst im Laufe des Erhebungszeitraums 2014 erworben hat, stand ihr kein Anspruch auf Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG zu.

Für das Finanzgericht ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Falle der Anschaffung von Grundbesitz im laufenden Erhebungszeitraum Unternehmen, die die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllen, gegenüber Unternehmen, denen nur die einfache Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG zusteht, privilegieren wollte. Aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Gewerbesteuerdurchführungsverordnung (GewStDV), der für die Anwendung des § 9 Nr. 1 GewStG als Stichtag den Beginn des Kalenderjahres benennt, ergebe sich ebenfalls keine Einschränkung dahingehend, dass sich dies nur auf Satz 1 beziehe.

Die Auffassung des Finanzgerichts divergiert zum BFH-Urteil vom 15. März 2000 (I R 17/99), wonach das strenge Stichtagsprinzip in § 20 Abs. 1 Satz 2 GewStDV nicht für die erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gelte. Aus diesem Grund ließ das Finanzgericht die Revision zu.

Überdies führte das Gericht, wenn auch nicht mehr entscheidungserheblich, aus, dass die dem Grundstückskauf vorgeschalteten Tätigkeiten zur Anbahnung und Abwicklung durch andere Konzerngesellschaften nicht schädlich für die erweiterte Kürzung seien.

Update (31. Januar 2022)

Mit Beschluss vom 27. Oktober 2021, III R 7/19, hat der BFH die Revision gegen das Urteil 8 K 8131/17 des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg als unbegründet zurückgewiesen und die Entscheidung des Finanzgerichts im Ergebnis bestätigt.

Auch nach Auffassung des BFH kann die Klägerin (GmbH) die erweiterte Kürzung im Streitjahr 2014 nicht beanspruchen. Abweichend vom Finanzgericht stützt der BFH seine Entscheidung jedoch auf das Ausschließlichkeitsgebot in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Denn ebenso wenig, wie das Erfordernis der Ausschließlichkeit gewahrt ist, wenn sich ein Unternehmen nach dem Verkauf des letzten oder einzigen Grundstücks bis zum Ende des Erhebungszeitraums nicht mehr mit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes befasst, sei es erfüllt, wenn in dem Unternehmen - wie im Streitfall - im Laufe eines Erhebungszeitraums erstmals eine solche Tätigkeit ausgeübt wird.

Auch eine pauschale Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG scheidet aus Sicht des BFH aus, da zum 01. Januar 2014 für die erst im Streitjahr 2014 gegründete Klägerin (naturgemäß) noch keine Einheitswerte von Grundstücken festgestellt worden waren.

Die vom Finanzgericht in seiner Entscheidung in den Vordergrund gestellte Frage, ob die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG deshalb nicht erfüllt sind, weil der Grundbesitz nicht zum 01. Januar 2014 zum Betriebsvermögen der - damals noch nicht existierenden - Klägerin gehört hatte, war demnach nach Auffassung des BFH nicht entscheidungserheblich. Der BFH weist in diesem Zusammenhang nochmals auf die vom Finanzgericht selbst angeführte Entscheidung des BFH I R 17/99 v. 15. März 2000 hin, nach der der sich § 20 Abs. 1 GewStDV lediglich auf die pauschale Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG, nicht aber auf die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bezieht.

Fundstelle

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Dezember 2018 (8 K 8131/17); die Revision ist beim BFH unter dem Az. III R 7/19 anhängig.

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