Krieg in der Ukraine – Auswirkungen auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Drei Fragen an Nadja Roß-Kirsch, Expertin für internationales Arbeitsrecht

Der Krieg in der Ukraine hat weitreichende Auswirkungen auf viele unterschiedliche Bereiche. Mit der PwC-Expertin Nadja Roß-Kirsch sprechen wir in „Drei Fragen an…“ über die Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

„Bei Einsätzen in kritischen Regionen muss der Arbeitgeber seine entsandten Arbeitnehmenden im Vorfeld bestmöglich aufklären und auf Gefahren hinweisen. Diese Informationspflicht gilt auch fortlaufend während des Auslandsaufenthalts.“

Nadja Roß-Kirsch, Senior Managerin, Fachanwältin für Arbeitsrecht


Die Ukraine gilt seit 2014 als Krisengebiet. Unternehmen, die Personaleinsätze in diesem Land planen, haben daher eine gesteigerte Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern, die sie vor Ort einsetzen. Was müssen Arbeitgeber wissen? Was ist in Kriegsgebieten an Besonderheiten zu beachten?

Nadja Roß-Kirsch: Für Unternehmen besteht eine gesteigerte Fürsorge- und Informationspflicht. Je konkreter die Gefährdung, desto intensiver sollte man sich um Schutzmaßnahmen bemühen. Dies gilt insbesondere seit der Warnung des Auswärtigen Amtes bereits vor Ausbruch des Krieges im Februar 2022. Hiernach hätten Unternehmen die Rückholung ihrer Expats umgehend veranlassen sollen. Anderes mag nur in Ausnahmefällen gelten wie etwa bei Kriegsreportern, die ausführlich über die Risiken aufgeklärt werden. Bei unseren Mandanten haben wir bemerkt, dass die Rückholung der Entsandten sehr gut funktioniert hat. Viele sind dabei vermutlich von externen Dienstleistern unterstützt worden – beispielsweise mit Rückflügen aus Krisengebieten. Derzeit kann die Ukraine jedoch nicht angeflogen werden, weil der Luftraum über der Ukraine für die zivile Luftfahrt geschlossen ist. Auch wenn momentan keine Rückholung aus dem Kriegsgebiet per Flugzeug stattfinden kann, sind Firmen aber dazu verpflichtet, eine Rückholung von gegebenenfalls noch im Lande verbliebenen Expats ab den Grenzen der Ukraine – zum Beispiel von Polen oder Rumänien – zu organisieren.

Manche Unternehmen haben in der Ukraine ja auch Niederlassungen. Durch den Krieg sind die Mitarbeiter dieser Niederlassungen jetzt in andere Länder geflüchtet – beispielsweise nach Deutschland. Was bedeutet das hinsichtlich der Kosten? Welche Auswirkungen hat das?

Nadja Roß-Kirsch: Es hat massive Auswirkungen. Man darf nicht vergessen, dass viele Unternehmen, die in der Ukraine engagiert sind, meistens auch in Russland mit Gesellschaften vertreten sind, weil man sich insgesamt entschieden hat, auch diese Länder in die Expansion mit aufzunehmen. Das ist auch deshalb schwierig, weil viele Firmen – ähnlich wie PwC – grundsätzlich jetzt keinen Handel mehr mit Russland treiben wollen. Aber was bleibt, ist die Verantwortlichkeit gegenüber den Mitarbeitenden. Wir stellen fest, dass Firmen zwar sagen, dass sie ihre Aktivitäten in Russland momentan ruhen lassen oder sie – soweit das geht – einstellen. Das kann aber auch gleich wieder zur Folge haben, dass ein Betrieb in Russland dann vielleicht verstaatlicht wird. Wir sehen aber aktuell, dass die Unternehmen den Gedanken der Corporate social responsibility sehr ernst nehmen und versuchen aktiv, Lösungen zu finden und trotzdem für die Mitarbeitenden da zu sein. Die oben dargestellten Rückholpflichten greifen jedoch nur bei Expat-Einsätzen. Falls die Mitarbeitenden hingegen dauerhaft bei einer Landesgesellschaft in der Ukraine oder in Russland angestellt sind, gilt das ukrainische Recht beziehungsweise das aktuelle Kriegsrecht dort sowie für Russland das russische Recht.

Warum muss das mit Landesgesellschaften gelöst werden und warum gilt in diesem Fall lokales Recht? Selbst dann, wenn dahinter vielleicht eine Firma aus Deutschland steht?

Nadja Roß-Kirsch: Dies hat steuerliche und rechtliche Gründe. Viele Firmen entscheiden sich, sofern sie in einem anderen Land ihr Geschäft aufnehmen möchten, entsprechend für die Gründung einer dortigen Landesgesellschaft. Das macht insbesondere das Arbeiten vor Ort viel leichter, weil man nachweisen kann, wenn man vor Ort eine Gesellschaft gegründet hat, bei welcher die Mitarbeitenden direkt eingestellt sind. Allerdings ist zu beachten, dass dann auch alles nach lokalem Recht läuft, selbst wenn dahinter eine deutsche Muttergesellschaft steht. Dies richtet sich nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts und ist in vielerlei Hinsicht relevant für die Arbeitnehmenden. Nach der Rom I Verordnung ist auf ein Arbeitsverhältnis grundsätzlich das Recht des Staates anzuwenden, in welchem der gewöhnliche Arbeitsort des Mitarbeitenden liegt. Folglich ist auf ein Arbeitsverhältnis mit einer beispielsweise in der Ukraine gegründeten Landesgesellschaft ukrainisches Recht anzuwenden, wenn der Arbeitnehmende vor Kriegsausbruch seine Arbeit dauerhaft von dort verrichtet hat.

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