Update: Zerlegung des Gewerbesteuer-Messbetrags beim Betrieb eines Rohrleitungsnetzes

Das Finanzgericht Düsseldorf beschäftigte sich in zwei Klageverfahren mit der Frage, ob der Zerlegungsbescheid einer ein Rohrleitungsnetz betreibenden Gesellschaft rechtmäßig ist, der den gesamten Gewerbesteuermessbetrag auf der Grundlage des Verhältnisses der Arbeitslöhne derjenigen Gemeinde zuweist, in der sich die Geschäftsführungsbetriebsstätte befindet.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine in A ansässige GmbH & Co. KG betriebt ein Rohrleitungsnetz, das u.a. in Deutschland belegen ist. Nachdem sich die Geschäftsleitung und Verwaltung von 1991 bis 2002 in M befand, wurde sie 2002 nach A verlegt, wo sich seitdem ca. 5 Mitarbeiter der Verwaltung der Angelegenheiten der Klägerin widmen. Darüber hinaus verfügt die Klägerin im Inland über weitere Betriebsstätten in B, C, D und E, die über oberirdische Absperrarmaturen zur Einspeisung und Abgabe des transportierten Gases vermittelt werden. In D ist zudem eine Entspannungsstation angesiedelt. Die Überwachung und Steuerung der Rohrleitungsnetzes erfolgt durch die Betriebszentrale in den Niederlanden. Die Wartungs- und Reparaturarbeiten werden durch Dritte erbracht.

Die Zerlegung für die Erhebungszeiträume ab 2002 richtete sich für 25 v.H. des Gewerbesteuermessbetrags nach dem Verhältnis der Anlagewerte und für die verbleibenden 75 v.H. nach dem Verhältnis der Abgabemenge Gas. Dieser Zerlegungsmaßstab orientierte sich damit an einer Vereinbarung von 1992 zwischen der Klägerin und B, C, D, E und M, nach der die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags seit 1991 erfolgt war. Für den die streitigen Erhebungszeiträume wurde der gesamte Gewerbesteuermessbetrag auf Basis des Verhältnisses der Arbeitslöhne der A zugewiesen.

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Klagen abgewiesen.

Das Finanzamt habe die Zerlegung zu Recht gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) nach den Arbeitslöhnen vorgenommen. Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte i.S.d. § 30 GewStG liege hingegen nicht vor, weil die Verwaltungszentrale mit der Pipeline nicht physisch verbunden sei.

Die BFH-Rechtsprechung zu Elektrizitätsunternehmen, nach der die physische Verbindung zwischen dem Verwaltungsgebäude und dem Netz unter bestimmten Voraussetzungen für die Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte im Sinne des § 30 GewStG verzichtbar sei (BFH vom 16. November 1965, I B 249/62 U, BStBl. III 1966, 40), sei auf Pipeline-Unternehmen nicht zu übertragen.

Bei der Zerlegung nach Arbeitslöhnen habe das Finanzamt zu Recht den gesamten GewSt-Messbetrag der Gemeinde zugewiesen, in der das Verwaltungsgebäude belegen sei, weil in den anderen Betriebsstätten keine Löhne gezahlt worden seien. Das Ergebnis der Zerlegung sei nicht offenbar unbillig, so dass keine Zerlegung nach einem anderen Maßstab gem. § 33 Abs. 1 GewStG geboten sei.

Das Finanzgericht hatte die Revision in beiden Verfahren nicht zugelassen. Der BFH hat jedoch den Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerin (IV B 44/20 und IV B 43/20) durch Beschlüsse vom 26. August 2021 stattgegeben.

Update (26. August 2024)

Der BFH hat am 15.5.2024 im Revisionsverfahren IV R 21/21 das Urteil der Vorinstanz aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben, nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO selbst zur Sache entschieden und die Klage als unbegründet abgewiesen. Im Verfahren IV R 22/21 hat der BFH am selben Tag die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BFH hat das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin in den streitigen Erhebungszeiträumen nicht über insgesamt eine Betriebsstätte verfügt habe, die eine mehrgemeindliche Betriebsstätte i.S.v. § 30 GewStG gewesen sei. Vielmehr habe sie über insgesamt zwei Betriebsstätten verfügt, nämlich den Verwaltungssitz und das Rohrleitungsnetz (Pipeline), wovon nur letztere Betriebsstätte eine mehrgemeindliche i.S.v. § 30 GewStG sei.
Die Annahme einer einzigen (mehrgemeindlichen) Betriebsstätte, die den Verwaltungssitz und das Rohrleitungsnetz umfasse, sei nur möglich, wenn zwischen den Betriebsanlagen, Geschäftseinrichtungen oder Teilen von ihnen ein räumlicher sowie betrieblicher, das heißt organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Da ein räumlicher Zusammenhang unstreitig nicht gegeben sei, müsse ein besonders enger betrieblicher Zusammenhang vorliegen. Nur dann könne das Nichtvorhandensein des räumlichen Zusammenhangs in den Hintergrund treten. Ob ein solcher enger betrieblicher Zusammenhang gegeben sei, obliege der Tatsachenfeststellung durch das FG. Dieses habe den engen betrieblichen Zusammenhang indes mit nachvollziehbaren Gründen abgelehnt. Die Tatsachenwürdigung des FG sei möglich und verstoße nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

In einem ersten Schritt habe daher eine Zerlegung des GewSt-Messbetrags zwischen den beiden Betriebsstätten nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG erfolgen müssen, d.h. nach Arbeitslöhnen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Diese Zerlegung bewirke im Streitfall eine Zuteilung des gesamten GewSt-Messbetrags zu der Gemeinde, in
der der Verwaltungssitz belegen gewesen sei, denn nur dort seien Arbeitslöhne gezahlt worden.
Auf die Gemeinden, in denen die mehrgemeindliche Betriebsstätte Rohrleitungsnetz belegen gewesen sei, entfalle nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG ein Zerlegungsanteil von 0%, weshalb die – an sich bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten gebotene – (weitere) Zerlegung nach § 30 GewStG (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 2 GewStG) obsolet sei.

Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG, denn diese Vorschrift lasse nicht den Umkehrschluss zu, dass Gemeinden, auf deren Gebiet transportierte Stoffe abgegeben würden, immer einen Anteil am Gewerbesteuermessbetrag erhalten müssten.
Die Zerlegung nach Arbeitslöhnen sei nicht unbillig, so dass keine abweichende Zerlegung nach § 33 Abs. 1 GewStG erforderlich sei.
Der GewSt-Messbetrag sei auch nicht aufgrund der im Jahr 1992 abgeschlossenen Vereinbarung nach § 33 Abs. 2 GewStG zu zerlegen, denn an der Vereinbarung sei die Gemeinde des Verwaltungssitzes nicht beteiligt gewesen. Voraussetzung für eine wirksame Einigung über die Zerlegung gem. § 33 Abs. 2 GewStG sei jedoch die Beteiligung aller Gemeinden mit einer Betriebsstätte.

Fundstelle

Finanzgericht Düsseldorf, Urteile vom 19. Juni 2020 (3 K 2050/17 G und 3 K 3280/17 G), die Revisionen sind beim BFH unter den Az. IV R 22/21 und IV R 21/21 anhängig.

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