Update: Erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht
Die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Regelung bewirkt auch keinen Verstoß gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Hintergrund
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) tritt die Schenkungsteuerpflicht in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG, wenn der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall ein (unbeschränkte Steuerpflicht). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG gelten als Inländer auch deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb von seiner Mutter mit öffentlich beurkundetem Vertrag ein in der Schweiz belegenes Grundstück gegen Bestellung eines hinter dem Wert des Grundstücks zurückbleibenden sog. lebenslänglichen Nutzniessungsrechts nach Schweizer Recht. Der Kläger und seine Mutter, die beide deutsche Staatsangehörige waren, hatten vor der Übertragung ihre Wohnsitze in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben und waren im November 2011 in die Schweiz verzogen.
Nachdem die Mutter des Klägers im Februar 2013 verstorben war, setzte der Kläger als deren Alleinerbe das Finanzamt im Rahmen des Erbschaftsteuerverfahrens von dem schenkweisen Erwerb des Grundstücks in Kenntnis. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer für den Grundstückserwerb fest.
Auf den Einspruch des Klägers hin setzte das Finanzamt die Schenkungsteuer im Hinblick auf eine Neubewertung des Nutzniessungsrechts herab; im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.
Mit seiner Klage machte der Kläger im Wesentlichen geltend, die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Buchst. b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) sei verfassungs- und unionsrechtswidrig.
Die Klage vor dem Finanzgericht München hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Die sog. erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Einbeziehung der deutschen Staatsangehörigen mit Auslandswohnsitz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG in die unbeschränkte Steuerpflicht gehört zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstands, der dem Gesetzgeber weiten Gestaltungsspielraum eröffnet. Es handelt sich nicht um eine nachrangige Ausnahme, die unter Folgerichtigkeitsaspekten einer erhöhten Rechtfertigung bedürfte.
In Anbetracht der somit weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht erweist sich die konkrete Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG als sachgerecht und nicht willkürlich.
Entgegen der Auffassung des Klägers leidet die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Buchst. b ErbStG geregelte erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht auch nicht an einem mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizit.
Es liegt auch keine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG unter dem Aspekt der Ausreisefreiheit vor.
Die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt auch nicht gegen Unionsrecht. Eine Verletzung der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) ist nicht gegeben. Diesbezüglich ist die Rechtslage durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bereits geklärt, so dass es der Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV nicht bedarf.
Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 30.04.2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, L 114, 6) ist schließlich auch nicht ersichtlich.
Update (23. Juni 2023)
Gegen die Entscheidung des BFH II R 5/20 vom 12. Oktober 2022 wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Az. des BVerfG lautet 1 BvR 325/23.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 12. Oktober 2022 (II R 5/20), veröffentlicht am 19. Januar 2023.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.