BMF: Bedeutung des OECD-Musterkommentars für die Auslegung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 19. April 2023 ein Schreiben zur Bedeutung des OECD-Musterkommentars für die Auslegung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung veröffentlicht.

Nach Auffassung des BMF ist der OECD-Kommentar als ein widerlegliches Indiz für die Staatenpraxis der OECD-Mitgliedstaaten bei der Auslegung der dem OECD-Musterabkommen entsprechenden DBA-Vorschriften anzusehen. Nach Auffassung des BMF teilt ein OECD-Mitgliedstaat, der keine Bemerkung gegen eine Kommentierung im OECD-Kommentar eingelegt hat, die in dem Kommentar vertretene Auffassung.

Zur Frage, auf welche Fassung des OECD-Kommentars für die Indizwirkung abzustellen ist, führt das BMF aus, dass der OECD-Kommentar in seiner jeweils zum Anwendungszeitpunkt gültigen Fassung bei der Auslegung von DBA zu berücksichtigen ist. Dies steht im Widerspruch zu der in dem BFH-Urteil I R 44/16 geäußerten Auffassung des BFH (siehe unseren Blogbeitrag), der eine dynamische Abkommensauslegung ablehnt, sodass spätere Änderungen des OECD-Kommentars für die Auslegung bereits bestehender DBA keine Bedeutung haben (sog. statische Interpretation von DBA nach Auffassung des BFH).

In dem BMF-Schreiben wird darauf hingewiesen, dass die angesprochene Indizwirkung zumindest dann für die innerstaatliche Anwendung widerlegt sei, wenn sich ein anderes Abkommensverständnis aus einem BMF-Schreiben oder einer sonstigen Verwaltungsanweisung ergibt. Die Bindungswirkung für die Finanzverwaltung von BMF-Schreiben oder anderen Verwaltungsanweisungen wird durch den OECD-Kommentar nicht berührt.

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 6. April 2023, IV C 6 - S 2246/19/10004 :004.

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