Erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung bei Erhalt einer Schlusszahlung

Beseitigen die Mietvertragsparteien den fortbestehenden Streit über die Wirksamkeit des Mietvertrags vor Überlassung des Mietobjekts dadurch, dass sie das Mietverhältnis übereinstimmend für beendet erklären und der Mieter zur Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Mietvertrag eine Schlusszahlung an den Vermieter entrichtet, stellt diese Schlusszahlung eine Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz dar. Sie unterliegt der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Streitig war die Gewährung der erweiterten Kürzung für ein Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) im Erhebungszeitraum 2015 (Streitjahr) nach einvernehmlicher Beendigung eines Gewerberaummietvertrags.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Ihr Unternehmensgegenstand ist der Erwerb, die Entwicklung und die Verwaltung eigenen Grundbesitzes, insbesondere der denkmalgeschützten Immobilie … (nachfolgend Areal A).

Am 03.11.2010 schloss die Klägerin als Vermieterin mit der D-GmbH (Mieterin) einen Gewerberaummietvertrag (MV) über Gebäude und Freiflächen auf dem Areal A ab. In diesem Mietvertrag verpflichtete sich die Klägerin, das Areal A für die Nutzung umzubauen und an die Mieterin zur Nutzung zu überlassen. Als Mietbeginn legten die Parteien des Mietvertrags den 01.08.2012 fest. Die Dauer des Mietvertrags sollte 15 Jahre betragen.

Nach mehreren Verschiebungen wurde Beginn des Mietverhältnisses einvernehmlich auf den 20.01.2015 und das späteste Übergabedatum auf den 21.01.2015 festgelegt. Hintergrund war u.a. ein nachträglich entstandener Mietersonderwunsch nach Umbaumaßnahmen. Schließlich einigten sich die Klägerin und die Mieterin nach wiederholtem Streit über die Wirksamkeit der Rücktrittserklärung in einer "Schlussvereinbarung zum Mietvertrag …" vom 02.12./04.12.2015 (Schlussvereinbarung) darauf, das Mietverhältnis gegen Zahlung eines Geldbetrags durch die Mieterin in Höhe von 4.750.000 € (in der Schlussvereinbarung als „Schadenersatz“ bezeichnet) zu beenden.

In der Gewinn- und Verlustrechnung auf den 31.12.2015 erfasste die Klägerin die Zahlung des Schlussbetrags als sonstigen betrieblichen Ertrag. In der Gewerbesteuererklärung 2015 beantragte sie die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen und erklärte einen Kürzungsbetrag nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.

Das Finanzamt versagte die erweiterte Kürzung und teilte der Klägerin mit, dass es sich bei der Zahlung des Schlussbetrags nicht um eine Zahlung im Zusammenhang mit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes gehandelt habe.

Die Klage vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht hat der Klägerin ‑entgegen der Ansicht des Finanzamts‑ zu Recht im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2015 die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG im beantragten Umfang gewährt.

Eigener Grundbesitz im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist der zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörende Grundbesitz. Dieser wird verwaltet und genutzt, wenn er zum Zweck der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz eingesetzt wird, etwa durch Vermietung und Verpachtung.

§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG knüpft allerdings nicht an die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der durch die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an. Daher schließen zum Beispiel Erträge aus der gelegentlichen Veräußerung von Grundbesitz (Einkünfte gemäß § 23 EStG) oder Erträge aus der Übernahme der dinglichen Haftung durch Belastung des eigenen Grundbesitzes (Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG) die erweiterte Kürzung nicht aus (BFH-Urteil vom 13.08.1997, I R 61/96, unter II.3.b).

Nach dem mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck ist die erweiterte Kürzung erst dann ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen zur Gewerblichkeit überschreitet (z.B. BFH-Urteil vom 17.01.2006, VIII R 60/02, unter II.1.c aa).

Die neben der Vermögensverwaltung des Grundbesitzes erlaubten (kürzungsunschädlichen), jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt (z.B. BFH, Urteil vom 22.10.2020, IV R 4/19, Rz 19, m.w.N.). Darüber hinaus liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH Nebentätigkeiten dann noch innerhalb des von dem Ausschließlichkeitsgebot gezogenen Rahmens und sind ausnahmsweise kürzungsunschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im engeren Sinn dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können. Ist der Umfang einer derartigen Nebentätigkeit gering, kommt es nicht zur Versagung der erweiterten Kürzung wegen Verstoßes gegen das Ausschließlichkeitsgebot (z.B. BFH, Urteil vom 22.10.2020, IV R 4/19, Rz 23, m.w.N.).

Die im Streitjahr infolge der Beendigung des Mietvertrags vereinbarte ‑von der Mieterin an die Klägerin zu leistende‑ Zahlung in Höhe von 4.750.000 € stellt eine den eigenen Grundbesitz betreffende Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz dar.

Die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG setzt nicht voraus, dass die Einnahmen nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt unmittelbare Gegenleistung für die Überlassung der Nutzung des Mietobjekts sind. Anderenfalls wäre es nicht möglich, auch Einnahmen aus der gelegentlichen Veräußerung von Grundbesitz oder Einnahmen aus der Übernahme der dinglichen Haftung durch Belastung des eigenen Grundbesitzes der erweiterten Kürzung zu unterwerfen. Denn auch derartige Einnahmen sind keine Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung des Mietobjekts (im engeren Sinne).

Maßgeblich bleibt, dass die Einnahmen aus Tätigkeiten stammen, die der Nutzung und Verwaltung des eigenen Grundbesitzes zuzuordnen sind.

Ebenso bewegt sich die Geltendmachung möglicher Schadensersatzansprüche des Vermieters gegen den Mieter, aber auch umgekehrt die Begleichung möglicher Schadensersatzansprüche durch den Vermieter gegenüber dem Mieter im Rahmen der Nutzung und Verwaltung des eigenen Grundbesitzes. Eine andere Beurteilung hätte das sinnwidrige Ergebnis zur Folge, dass der Vermieter auf die Geltendmachung möglicher Schadensersatzansprüche verzichten müsste, um die erweiterte Kürzung nicht zu gefährden. Gleiches muss auch dann gelten, wenn der Schadensersatz gegebenenfalls mögliche, beim Vermieter eingetretene Substanzschäden mitumfassen sollte. Denn es kann für die Anwendung der erweiterten Kürzung keinen Unterschied machen, ob ein Grundstücksunternehmen in seiner Substanz unbeschädigt geblieben ist oder ob es sich nach Eintritt eines Substanzschadens beim Mieter schadlos hält. Einem berechtigten Schadensersatzanspruch des Mieters könnte sich der Vermieter ohnehin nicht entziehen.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts ist für die Gewährung der erweiterten Kürzung gerade nicht maßgeblich, dass der in Rede stehende Gewerbeertrag ‑bei fehlender fiktiver Gewerbesteuerpflicht‑ sich einkommensteuerrechtlich als Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung des Mietobjekts darstellt. Maßgeblich ist allein ‑‑wie vorstehend dargelegt‑‑, dass die Einnahmen aus einer Tätigkeit stammen, die der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes zuzuordnen ist.

Im Übrigen verdeutlicht das BFH-Urteil vom 21.8.1990, VIII R 17/86, dass der Eigentümer mit dem Empfang einer Abstandszahlung vor Überlassung des Mietobjekts Einkünfte nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i. V. mit § 21 EStG erzielt und damit den Bereich der privaten Vermögensverwaltung gerade nicht verlässt. Mit Blick auf den Sinn und Zweck des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, vermögensverwaltende Grundstücksunternehmen, deren Einkünfte nur kraft Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, den vermögensverwaltenden Einzel- und Personenunternehmen gleichzustellen, kann es daher auch bei gewerblich geprägten Personengesellschaften für die Gewährung der erweiterten Kürzung nicht entscheidend sein, ob das Mietobjekt bereits zur Nutzung überlassen ist.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 25. Mai 2023 (IV R 33/19), veröffentlicht am 3. August 2023.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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