Update: Betriebsausgabenabzug und Begriff der "nur unwesentlichen" Besteuerung i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 AStG

Das Finanzgericht Münster hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass für Zwecke des Betriebsausgabenabzugs eine "nur unwesentliche" Besteuerung i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 AStG voraussetzt, dass die betreffende Zahlung auf Ebene des Empfängers einer Ertragsteuerbelastung von weniger als 10% unterliegt.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine inländische GmbH, die einen Großhandel mit speziellen Maschinen betrieb. Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2014 bis 2016 stellte das Finanzamt fest, dass die Klägerin zwei Maschinen aus China importiert und nach Deutschland transportiert hatte. Die Maschinen wurden in Deutschland zusammengebaut, zollrechtlich lohnveredelt, Probe gelaufen und vom Endabnehmer nach Russland verbracht.

Die in Hongkong ansässige Firma J habe nach Aussagen der Klägerin die Kontakte zu den chinesischen Firmen vermittelt, den Transport organisiert und als Übersetzerin gearbeitet, für die die Firma J diverse Rechnungen geschrieben hatte. Die Schlusszahlung i.H.v. 95.400 EUR hatte die Klägerin am 23.11.2016 in bar an Herrn K (alleiniger Gesellschafter der Firma J) geleistet (nachfolgend Vermittlungsprovision). Die Außenprüfung stellte in diesem Zusammenhang fest, dass von der Firma J zwei - mit Ausnahme des Rechnungsbetrags (95.400 EUR in der einen und 94.400 EUR in der anderen Rechnung) - identische Rechnungen vorlagen.

Streitig ist, ob der Betriebsausgabenabzug i.H.v. 95.400 EUR der Klägerin für die im Streitjahr 2016 geltend gemachte Vermittlungsprovision der Firma J nach § 16 AStG oder § 160 AO zu versagen ist.

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass in Höhe des Teilbetrags von 1.000 EUR (95.400 EUR abzgl. 94.400 EUR) nicht geklärt werden kann, ob der Betrag bei der Klägerin verblieben oder an Herrn K ausgezahlt worden ist, weshalb die Klage insoweit unbegründet ist (Rn. 65).

Den Betriebsausgabenabzug i.H.v. 94.400 EUR hat das Finanzamt jedoch zu Unrecht verweigert (Rn. 67 ff.). Der Betriebsausgabenabzug kann nicht aufgrund von § 160 Abs. 1 Satz 1 AO verweigert werden, da die Klägerin den Empfänger der Zahlungen (Herrn K) in Folge des (rechtmäßigen) Benennungsverlangens des Finanzamts genau benannt hat und der Senat hilfsweise zumindest davon überzeugt ist, dass der wirkliche Empfänger der Zahlungen im Inland nicht steuerpflichtig ist (Rn. 71 ff.).

Hierzu ist es ausreichend, wenn der Leistungsempfänger so genau bezeichnet wird, dass die Finanzbehörde ohne weitere Ermittlungen weiß, bei wem sich die Einnahmen steuerlich auswirken (Rn. 73). Der BFH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass es für Zwecke des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO bereits ausreicht, wenn sichergestellt ist, dass der Zahlungsempfänger im Inland mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht steuerpflichtig ist (vgl. BFH v. 15.4.2021, IV R 25/18, BFHE 273, 73, BStBl. II 2021, 703). Diesen Maßgaben hat die Klägerin durch Benennung der Firma J in Hongkong sowie der Vorlage des Annual Return 2017, aus dem ersichtlich wurde, dass Herr K alleiniger Gesellschafter war, entsprochen (Rn. 74).

Ein Abzugsverbot der Betriebsausgaben kann auch nicht auf § 16 Abs. 1 AStG gestützt werden (Rn. 85). Die Besteuerung in Hongkong mit einem Körperschaftsteuersatz i.H.v. 16,5% ist nach Auffassung des Finanzgerichts keine "nur unwesentliche" Besteuerung i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 AStG (Rn. 86 ff.). Die Darlegungslast trifft insoweit das Finanzamt.

Eine Anknüpfung an den Begriff der "niedrigen Besteuerung" i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG wie in Tz. 16.1.2 des bisherigen AEAStG sieht das Finanzgericht aufgrund der abweichenden Terminologie ("unwesentliche" vs. "niedrige" Besteuerung) sowie der Gesetzeshistorie nicht (Rn. 88). Vielmehr setzt eine "nur unwesentliche" Besteuerung i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 AStG voraus, dass die betreffende Zahlung auf Empfängerebene einer Ertragsteuerbelastung von unter 10% unterlegen hat (Rn. 89). Zudem nennt das AStG an anderer Stelle die 10% als Bagatellgrenze (§§ 9 und 13 Abs. 1 Satz 3 AStG), was für die Auslegung des § 16 AStG ebenso heranzuziehen ist.

Hinsichtlich des Regelungszusammenhangs von § 16 AStG und § 160 AO führt das Finanzgericht aus, dass § 16 AStG den Anwendungsbereich des § 160 AO insoweit erweitert, als er zur genauen Benennung des Zahlungsempfängers bzw. Gläubigers vorschreibt, dass der Steuerpflichtige alle Beziehungen offenlegt, die unmittelbar oder mittelbar zwischen ihm und einer unwesentlich besteuerten ausländischen Gesellschaft oder Person bestehen (Rn. 90).

Update (24. Oktober 2023)

Das Urteil ist laut juris rechtskräftig. Das Finanzgericht hatte die Revision zugelassen.

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 8. März 2023 (9 K 147/20 K,G); rkr.

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