Überentnahmen in einer doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die betriebsbezogene Betrachtung im Rahmen des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetz (EStG) auch bei mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen gilt. Infolgedessen führt die Übertragung eines Gewinns nach § 6b EStG auf einen anderen Rechtsträger mangels einlagefähigen Wirtschaftsguts nicht zu einer - überentnahmemindernden - Einlage beim übertragenden Rechtsträger.

Hintergrund

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, war in den Streitjahren 2009 und 2010 zu jeweils 94 % als Kommanditistin an der Y Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. Objekt G KG (Y G KG) und an der Y Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. Objekt L KG (Y L KG) beteiligt. In 2009 veräußerte die Klägerin im Rahmen eines Sale-and-lease-back-Geschäfts ihre Betriebsimmobilien an die Y G KG beziehungsweise Y L KG. Zur teilweisen Finanzierung der Gesamtinvestitionskosten gewährte die Kommanditistin der Klägerin (die X KG) der Y G KG und der Y L KG jeweils ein Darlehen. Zur Refinanzierung dieser "Mieterdarlehen" gewährte die Klägerin der X KG zwei Darlehen in gleicher Höhe. Später hoben die Klägerin und die X KG die Refinanzierungsdarlehen wieder auf. Bei der Ermittlung ihres im Rahmen der Feststellungserklärung für 2009 erklärten Gewinns machte die Klägerin Gebrauch von der Möglichkeit der Übertragung des beim Verkauf der Grundstücke erzielten Gewinns in Höhe von etwa 3,6 Mio. € nach § 6b EStG auf die Anschaffungskosten der von der Y G KG und von der Y L KG erworbenen Grundstücke.

Das Finanzamt rechnete dem erklärten Gewinn für 2009 nicht abziehbare Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG außerbilanziell hinzu. Die Klägerin war der Auffassung, es könnten sich bei einem betriebsübergreifenden Verständnis der Entnahmen und Einlagen auf der Ebene der nachgeordneten Personengesellschaften keine Überentnahmen ergeben. Das Finanzgericht hatte die Klage abgewiesen.

Entscheidung des BFH

Vor dem BFH hatte die Revision der Klägerin in der Sache ebenfalls keinen Erfolg. Der BFH sieht auch im Bereich der mehrstöckigen Personengesellschaften keinen Raum für die von der Klägerin befürwortete betriebsübergreifende "konzernbezogene" Betrachtung des Entnahmebegriffs.  Entgegen der Ansicht der Klägerin führen somit die konzernintern verwendeten Entnahmebeträge nicht zu einer Minderung der Überentnahmen im Sinne des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG.

Eine Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG ist unter Ablehnung der finalen Entnahmetheorie betriebsbezogen zu definieren. Denn unter Berücksichtigung der systematischen Stellung und der gesetzgeberischen Konzeption des § 4 Abs. 4a EStG, die darauf abzielt, eine Gewinnhinzurechnung bei Vorliegen von Überentnahmen in dem Betrieb vorzunehmen, für den eine eigenständige Gewinnermittlung durchgeführt wird, ist die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs ausschließlich betriebsbezogen auszulegen. Hat der Steuerpflichtige daher mehrere Betriebe oder ist er an mehreren Personengesellschaften beteiligt, ist der Schuldzinsenabzug für jeden Betrieb beziehungsweise Mitunternehmeranteil eigenständig zu ermitteln. Ausgehend von diesem Gesetzesverständnis, wonach die Schuldzinsenkürzung maßgeblich an den Umstand des Eigenkapitalentzugs bei der jeweiligen betrieblichen Einheit anknüpft, stellt grundsätzlich jede Überführung oder Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem betrieblichen Bereich des Steuerpflichtigen in einen anderen betrieblichen Bereich desselben oder eines anderen Steuerpflichtigen eine Entnahme beim abgebenden und eine Einlage beim aufnehmenden Betrieb im Sinne des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG dar.

Auswirkungen auf die Berechnung der Überentnahmen i. S. des § 4 Abs. 4a EStG aus der Übertragung eines Gewinns nach § 6b EStG, wie von der Klägerin vorgetragen, hat der BFH ebenfalls verneint. Es fehle nämlich insoweit an der Zuführung eines Wirtschaftsguts.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 27. September 2023 (IV R 8/21) - veröffentlicht am 14. Dezember 2023.

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