Gleich lautende Erlasse: Anwendung der Optionsverschonung im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

In gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder äußert sich die Finanzverwaltung zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26.07.2022 (II R 25/20) und nimmt zu der dort zugrunde gelegten Sichtweise Stellung, dass die Optionsverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG (bzw. § 13a Abs. 8 ErbStG a.F.) für jede übertragene wirtschaftliche Einheit gesondert ausgeübt werden kann. Dies gilt für alle noch offenen Fälle.

Hintergrund

Mit Urteil vom 26. Juli 2022 (II R 25/20) hat der BFH hinsichtlich des bis zum 30. Juni 2016 geltenden Rechts entschieden, dass bei einer einheitlichen Schenkung von mehreren wirtschaftlichen Einheiten des begünstigten Unternehmensvermögens die Erklärung zur optionalen Vollverschonung (§ 13a Absatz 8 ErbStG a.F.) für jede wirtschaftliche Einheit gesondert abgegeben werden kann. Nach der Systematik der Verschonungsregelungen der §§ 13a, 13b ErbStG sei jeder übertragene Betrieb einzeln zu betrachten (zum Urteil siehe Blogbeitrag vom 26. Oktober 2022).

Wurde die Erklärung zur optionalen Vollverschonung für eine wirtschaftliche Einheit abgegeben, die die Anforderungen an die Optionsverschonung nicht erfüllt, ist nach Auffassung des BFH für diese wirtschaftliche Einheit auch nicht die Regelverschonung (§ 13a Absatz 1 und 2 ErbStG a.F.) zu gewähren, selbst wenn deren Voraussetzungen erfüllt wären.

Die Entscheidungsgründe sind auf Erwerbe von Todes wegen zu übertragen und auch auf die Rechtslage ab 1. Juli 2016 (§ 13a Absatz 10 ErbStG) anzuwenden.

In den gleich lautenden Erlassen (Oberste Finanzbehörden der Länder vom 22.12.2023) nimmt die Finanzverwaltung ausführlich zu den sich aus ihrer Sicht ergebenden Fallgestaltungen Stellung. Die einzelnen Punkte der ministeriellen Verlautbarung in aller Kürze:

Gesonderte Betrachtung jeder einzelnen wirtschaftlichen Einheit bei Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten

Die Gewährung des Verschonungsabschlags nach § 13a Absatz 1 oder Absatz 10 ErbStG oder § 13c ErbStG ist für jede wirtschaftliche Einheit separat zu prüfen. R E 13a.1 Absatz 2 Satz 3 Erbschaftsteuer-Richtlinie (ErbStR) und R E 13b.8 Absatz 1 Satz 1 und 2 ErbStR sind nicht mehr anzuwenden. Aus der gesonderten Antragstellung für jede wirtschaftliche Einheit folgt, dass in einem Steuerfall mit mehreren wirtschaftlichen Einheiten begünstigten Vermögens nebeneinander die Regelverschonung und die Optionsverschonung zur Anwendung kommen können.

Prüfung des Schwellenwerts nach § 13a Absatz 1 Satz 1 ErbStG

Das BFH-Urteil wirkt sich nicht auf die Prüfung des Schwellenwerts aus. R E 13a.2 ErbStR ist weiterhin anzuwenden.

Abzugsbetrag § 13a Absatz 2 ErbStG

Gehören zum Erwerb mehrere selbstständige wirtschaftliche Einheiten des begünstigten Vermögens im Sinne von § 13b Absatz 2 ErbStG, ist der Abzugsbetrag ausgehend von der Summe der nach Anwendung des § 13a Absatz 1 ErbStG verbleibenden Werte zu berechnen.

Zu § 13c und § 28a ErbStG

Das BFH-Urteil wirkt sich weder auf die Antragstellung für das Abschmelzmodell nach § 13c Absatz 1 ErbStG noch auf die Antragstellung auf Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG aus.

§ 10 Absatz 6 ErbStG

Keine Auswirkung auf die Ermittlung der nicht abzugsfähigen Schulden und Lasten im Zusammenhang mit dem nach §§ 13a, 13c ErbStG befreiten Vermögen.

Tarifbegrenzung § 19a ErbStG

Die R E 19a.1 bis R E 19a.3 ErbStR sind unter Berücksichtigung der Ausführungen der gleich lautenden Erlasse vom 13. September 2021 weiterhin anzuwenden.

Lohnsummenregelung § 13a Absatz 3 ErbStG

Die Einhaltung der Mindestlohnsumme ist für jede wirtschaftliche Einheit separat zu prüfen. Die bisherige Zusammenrechnung der Mindestlohnsummen aus den einzelnen selbstständigen wirtschaftlichen Einheiten zu einer Mindestlohnsumme für den gesamten Erwerb entfällt.

Behaltensregelung § 13a A Absatz 6 ErbStG

Ein Verstoß gegen die Behaltensregelung für nur eine wirtschaftliche Einheit führt zu einer Nachversteuerung nur bei dieser wirtschaftlichen Einheit. Bei mehreren wirtschaftlichen Einheiten können sich je nach Regelverschonung oder Optionsverschonung unterschiedliche Behaltensfristen ergeben.

Durchführung der Nachversteuerung

Der Umfang der Nachversteuerung richtet sich nach den Regelungen der Optionsverschonung oder der Regelverschonung. R E 13a.19 Absatz 1, Absatz 2 und Absätze 4 bis 7 ErbStR sind weiterhin anzuwenden.

Vertrauensschutzregelungen

Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung konnte ein Antrag auf Optionsverschonung für alle wirtschaftlichen Einheiten eines Erwerbs nur einheitlich gestellt werden. Nach dem BFH-Urteil vom 26. Juli 2022 (II R 25/20, BStBl 2024 II S. 21) ist nun eine Antragstellung für jede wirtschaftliche Einheit gesondert möglich.

Ein Rückfall auf die Regelverschonung kommt nun nicht mehr in Betracht, wenn ein Antrag auf Optionsverschonung gestellt wurde und die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt werden. Soweit in den vorgenannten Konstellationen die Regelverschonung anstelle der Optionsverschonung zu gewähren war, ist aus Vertrauensschutzgründen wie bisher zu verfahren, wenn der Antrag auf Optionsverschonung vor dem 25. Januar 2024 gestellt wurde.

Nachträgliche Antragstellung auf Optionsverschonung

Soweit die Steuerfestsetzung noch nicht materiell bestandskräftig ist, kann ein Erwerber nunmehr einen Antrag auf Optionsverschonung auch beschränkt auf einzelne wirtschaftliche Einheiten stellen. Dies gilt nicht, wenn bereits ein einheitlicher Antrag auf Optionsverschonung für alle wirtschaftlichen Einheiten gestellt wurde.

Anwendungsregelung

Der Erlass ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Die vorstehenden Regelungen sind für Erwerbe, für die die Erbschaft- und Schenkungsteuer vor dem 1. Juli 2016 entstanden ist, entsprechend anzuwenden.

Fundstelle

Bundessteuerblatt I 2024, Seite 69.

Eine englische Zusammenfassung finden Sie hier.

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