Missbräuchliche Inanspruchnahme eines abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs
In einem aktuellen Urteil hat der Bundesfinanzhof zur missbräuchlichen Inanspruchnahme des Schachtelprivilegs nach dem für den Streitfall anwendbaren DBA-Luxemburg durch eine KGaA Stellung genommen. Die KGaA hatte sich einer wirtschaftlich weitgehend funktionslosen Luxemburger Tochtergesellschaft bedient, mit der sie durch mehrere kurzfristig hintereinandergeschaltete Rechtsakte (Gesellschafterdarlehen, Darlehensverzicht, Gewinnausschüttung) "künstlich" Dividenden erzeugte.
Sachverhalt (in Kürze)
Die Klägerin (eine KGaA) hielt 100 % der Anteile an einer luxemburgischen SARL, eine mit einer deutschen GmbH vergleichbare Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts. Die G-KG, als persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin, an deren Gewinn und Verlust ausschließlich natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt sind, leistete eine nicht auf das Grundkapital bezogene Sondereinlage, mit der sie zu rund 99,7 % am Gewinn und Verlust der Klägerin beteiligt war.
Streitig war, ob die in Luxemburg steuerfreien Ausschüttungen der SARL an die KGaA nach den Regelungen des DBA-Luxemburg auch in Deutschland als Schachteldividenden freizustellen sind. Die SARL konnte eine Gewinnausschüttung nur vornehmen, weil die KGaA auf die Rückzahlung zweier der SARL gewährten Darlehen jeweils kurz nach Darlehensgewährung verzichtet hat und sie die Darlehensverbindlichkeit ertragswirksam auflöste. Eigene Gewinne am Markt erzielte die SARL in den Streitzeiträumen nicht.
Das Finanzgericht hatte die beiden Klagen (jeweils betreffend die Streitjahre 2011 und 2012) abgewiesen. Nach dessen Auffassung unterfielen die Ausschüttungen der SARL an die Klägerin zwar als Dividenden dem Schachtelprivileg des DBA-Luxemburg. Jedoch liege in der rechtlichen Gestaltung der Darlehensvergabe mit anschließendem Erlass der Darlehensforderung und unmittelbar folgender Gewinnausschüttung ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 Abgabenordnung (AO), weil sie ausschließlich dem Zweck gedient habe, in wirtschaftlich unangemessener Weise künstliche, steuerlich nutzbare Verluste realisieren zu können. Eine den wirtschaftlichen Vorgängen angemessene Gestaltung hätte in einer Kapitaleinlage/Kapitalerhöhung mit anschließender (steuerneutraler) Kapitalrückführung bestanden, wodurch es nicht zu einer steuerwirksamen Teilwertabschreibung und zu einem steuerwirksamen Veräußerungsverlust gekommen wäre.
Entscheidung des BFH
Das Finanzgericht, so der BFH, habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Ausschüttungen der G-SARL an die Klägerin, soweit sie auf den Anteil der G-KG entfallen (99,7 %), nur zu 40 % nach dem Teileinkünfteverfahren und nicht auch in Höhe der verbleibenden 60 % gemäß dem Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 DBA-Luxemburg von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuern auszunehmen sind.
Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften vom 08.05.2012 die Bestimmung des § 50d Abs. 11 EStG in das Gesetz eingefügt. Danach wird dann, wenn Dividenden beim Zahlungsempfänger nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, die Freistellung ungeachtet des Abkommens nur insoweit gewährt, als die Dividenden nach deutschem Steuerrecht nicht einer anderen Person zuzurechnen sind (Satz 1). Soweit die Dividenden nach deutschem Steuerrecht einer anderen Person zuzurechnen sind, werden sie bei dieser Person freigestellt, wenn sie bei ihr als Zahlungsempfänger nach Maßgabe des Abkommens freigestellt würden (Satz 2).
Mit § 50d Abs. 11 EStG sollte laut damaliger Beschlussempfehlung des Finanzausschusses erreicht werden, "dass das abkommensrechtliche Schachtelprivileg der Kapitalgesellschaft als Zahlungsempfängerin der Dividenden nur insoweit gewährt wird, als ihr die Dividenden nach deutschem Steuerrecht zuzurechnen sind". Ist Empfängerin der Dividenden eine KGaA, bei der eine Mitunternehmerschaft als persönlich haftende Gesellschafterin fungiert, ist die Vorschrift laut BFH dahin zu verstehen, dass das Abkommen so anzuwenden ist, als würde es die nach innerstaatlichem deutschem Recht bestehende hybride Struktur der KGaA nachvollziehen und das Schachtelprivileg nur insoweit gewähren, als es sich bei den Mitunternehmern um Personen handelt, die das Schachtelprivileg bei einem unmittelbaren Bezug der Dividende in eigener Person in Anspruch nehmen könnten. Da im Streitfall keiner der Gesellschafter der G-KG eine Kapitalgesellschaft ist, wäre nach § 50d Abs. 11 EStG das Schachtelprivileg des DBA-Luxemburg abkommensüberschreibend auf den Gewinnanteil der Klägerin zu beschränken.
Das angefochtene Urteil erweist sich jedenfalls insoweit als zutreffend, als der Klägerin - respektive der G-KG und deren Gesellschaftern - gemäß § 42 AO die Berufung auf das Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 DBA-Luxemburg verwehrt ist, weil es sich bei der zwischengeschalteten SARL um eine wirtschaftlich weitestgehend funktionslose und nicht am allgemeinen Marktgeschehen teilnehmende, ausschließlich mit dem Zweck der Erlangung des steuerlichen Vorteils des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs für die Gesellschafter der G-KG gegründete und unterhaltene "Basisgesellschaft" gehandelt hat.
Anmerkung: Die Entscheidung betrifft das DBA-Luxemburg 1958/1973. Das neue DBA-Luxemburg, welches am 1. 1. 2014 in Kraft getreten ist, enthält eine „subject-to-tax“-Klausel, nach der nur noch Einkünfte aus Luxemburg freigestellt sind, die dort auch tatsächlich besteuert wurden.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 18. Dezember 2024 (I R 12-13/21) – veröffentlicht am 2. Mai 2025.