Virtuelle Kraftwerke aufbauen, betreiben und den Vertriebserfolg sichern

Der aktuelle Bericht des Bundesrechnungshofes zur Energiewende empfiehlt der Bundesregierung den gleichzeitigen Ausbau von erneuerbaren Energien und steuerbarer Kraftwerkskapazität durch private Investitionen.

Damit soll eine wirtschaftliche und umweltverträgliche Stromversorgung auch in Zukunft gewährleistet werden. Hier können virtuelle Kraftwerke eine wesentliche Rolle spielen. Welche Herausforderungen es im Aufbau und Betrieb virtueller Kraftwerke zu bewältigen gilt, erläutern wir in diesem Artikel.

Der Trend zur Dezentralisierung der weltweiten Energiemärkte hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Anforderungen aus notwendigen Klimaschutzbestreben, sowie der beobachteten Preisentwicklung fossiler Energieträger haben diese Entwicklung nur noch bestärkt. 

Während in Deutschland der Ausbau einer dezentralen, erneuerbaren Energieerzeugung maßgeblich durch die diversen EEG-Novellen der letzten zwei Jahrzehnte getrieben wurde, befeuern mittlerweile auch die Finanzmärkte mit der Forderung nach einer nachhaltigen Bewirtschaftung den Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung in fast allen Wirtschaftszweigen.

Ein wesentlicher Baustein zum künftigen Erfolg der Energiewende und Erreichung von Nachhaltigkeitszielen werden sogenannte virtuelle Kraftwerke sein. Diese ermöglichen eine bessere Integration erneuerbarer Energieerzeugung in das Energiesystem und führen so zu einer Emissionsreduktion auf Basis der erreichten Vermeidung von fossilen Energieträgern. Hierfür optimieren virtuelle Kraftwerke Energieanlagen (Erzeuger, Speicher und Verbraucher) und vermarkten diese an mehreren Märkten, wodurch neben einer besseren Systemintegration auch ein wirtschaftlicher Mehrwert für die Anlagenbetreiber erzeugt wird. Bei externen Anlagen ist dies ein direkter wirtschaftlicher Vorteil, den die Betreiber zum Teil weitergeben können. Dies ermöglicht somit das Aufsetzen und die Integration neuer Produkte und Dienstleistungen in das bestehende Vertriebsportfolio – neben dem „klassischen“ Commodity-Vertrieb. Zudem ist die steigende Nachfrage nach flexiblen Produkten und Absicherungsoptionen im Großkundengeschäft, besonders im Bereich der Power Purchase Agreements (PPA), ein wesentlicher Treiber für virtuelle Kraftwerke. Die nutz- und vermarktbare Flexibilität eines virtuellen Kraftwerks reduziert die durch PPAs entstehenden höheren Preis- und Mengenrisiken und stellt somit eine der wenigen Flexibilitätsoptionen im künftigen Strommarkt.

Bereits jetzt werden im B2C Bereich Produkte über virtuelle Kraftwerke angeboten und der dort geschaffene Mehrwert an die Endkunden weitergegeben. Durch die aktive Steuerung und Vermarktung der Kleinanlagen können auch im B2C-Bereich wirtschaftliche Mehrwerte geschaffen werden. Dabei kann es schnell um höhere dreistellige Eurobeträge pro Jahr gehen. Der Smart Meter Rollout kommt nun als Katalysator hinzu. Denn mittels Smart Meter Gateways ist eine deutlich kostengünstigere Steuerung der Kleinanlagen möglich. Der Einsatz eines virtuellen Kraftwerks kann bei der stark steigenden Anzahl der Prosumer und Flexumer rasch der neue Standard für Vertriebsprodukte werden und wird damit essenziell für den künftigen vertrieblichen Erfolg von Energieversorgern. Gerade bei Energiekonzepten, sowohl von Privatpersonen als auch von Unternehmen, können virtuelle Kraftwerke in Zukunft deshalb eine bedeutende Rolle spielen. Beide Kundengruppen erwarten neue Produkte und Services von Ihrem Energieversorger oder Energiedienstleister. Neue Energiekonzepte können dabei Eigenerzeugung, Speicherung und neue Verbraucher wie z.B. Elektroautos und neue Wärmekonzepte mit Wärmepumpen umfassen. Der „Bereich Wärme“ ist hier durch die verstärkte Dezentralität und künftig stark strombasierte Wärmeerzeugung ebenfalls direkt betroffen. Denn auch hier gilt:

Ob Fernwärmenetz oder dezentrale Wärmeerzeugung: Die Gesamtlösung muss kostengünstig sein, zuverlässig Wärme bereitstellen und optimal mit den anderen Versorgungssektoren zusammenarbeiten – eine Kernfunktion virtueller Kraftwerke!

Es gilt nun, die vorhandenen Strukturen bestehender Vermarktungsmöglichkeiten und -prozesse wie Direktvermarktung oder Vermarktung zentraler Großkraftwerke zu überprüfen und mögliche Optimierungsebenen sinnvoll auszulegen. Dabei sollten die entsprechenden Nebenbedingungen systemseitig durch ein aktives Vertragsmanagement auf das individuelle Kundenverhalten abgestimmt werden. Das führt zu einem Paradigmenwechsel in der Auslegung der Funktionsarchitektur sowie den abzubildenden Datenflüssen zwischen den beteiligten Applikationen.

Da diese Produkte und Dienstleistungen immer den Letztverbraucher im Fokus haben, muss das virtuelle Kraftwerk massentauglich sein. Planung, Aufbau und Betrieb müssen mit allen betroffenen Unternehmensbereichen vom Energiehandel über das Messwesen bis zum Vertrieb erfolgen. Allerdings muss die Technik auch betrieben werden! Ähnlich wie im Netzbereich muss ein Assetmanagement für Wartung und Entstörung der zahlreichen Kundenanlagen und Sekundärtechnik aufgebaut werden. Abhängig von den gesetzlichen IT-Sicherheitsvorgaben werden weitere kritische Infrastrukturen entstehen, die in der Architektur der Gesamtlösung und den Betriebsprozessen berücksichtigt werden müssen.

Mit der Neu- oder Weiterentwicklung eines virtuellen Kraftwerks können Energieversorgungsunternehmen ihrer Klimaschutzaufgabe besser gerecht werden und die Nachhaltigkeits-Forderungen ihrer Kunden in Verbindung mit einer langfristigeren Kundenbindung bedienen. Ein richtig ausgelegtes virtuelles Kraftwerk ermöglicht eine flexible Reaktion auf heutige und zukünftige Produkte und Dienstleistungen, um dem beschriebenen Wandel gerecht zu werden.

Bereits heute sollte mit dem Aufbau einer Infrastruktur für ein virtuelles Kraftwerk begonnen werden, um der Komplexität der Aufgabe gerecht zu werden. Dabei sind die Umsetzung und der Betrieb eines virtuellen Kraftwerks eine gesamtunternehmerische Aufgabe. Bevor mit der Umsetzungsplanung begonnen wird, sollte eine fundierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung verschiedener Produkte und Märkte sowie die Konzeption eines zukunftsfähigen Betriebsmodells vorgenommen werden. Die anschließende Integration in die bestehende Unternehmensarchitektur und besonders IT-Architektur lässt sich mit modernen Enterprise Architecture Methoden (EAM) steuern und bewältigen. Da bereits Dienstleister am Markt aktiv sind, sind die verschiedenen Handlungsoptionen stets vor dem Hintergrund einer „Make-or-Buy“ Alternative zu betrachten und einzuordnen.

Wir unterstützen Sie gerne von Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bis hin zur Umsetzung eines, auf Ihre Bedürfnisse und den Anforderungen Ihrer Kunden zugeschnittenen, virtuellen Kraftwerks.

Sprechen Sie uns gerne an.

Ansprechpartner:
Michael Kopetzki

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