Elektrifizierung von Prozesswärme – neue Förderchancen für Europas Industrie
In der anstehende Antragsrunde des EU-Innovationsfonds wird erstmals eine Auktion für Prozesswärme eingeführt. Nachfolgend erfahren Sie, welche Potenziale die Elektrifizierung von Prozesswärme birgt, wie die Auktion voraussichtlich ausgestaltet sein wird und was zu beachten ist.
Transformation der Prozesswärme als Chance für die europäische Industrie – aber nicht ohne Hürden
Der größte Energieverbraucher der Industrie ist neben der Gebäudewärme die Prozesswärme. Aktuelle Studien belegen, dass rund dreiviertel der industriellen CO2-Emissionen aus der Bereitstellung von Prozesswärme mittels fossiler Brennstoffe in Sektoren wie Chemie, Stahl, Papier und Lebensmittel stammen. Die Elektrifizierung industrieller Prozesswärme kann insoweit ein maßgeblicher Treiber für die industrielle Dekarbonisierung sein. Bisher werden jedoch lediglich rund 4% des Energiebedarfs für Prozesswärme strombasiert gedeckt. Damit rückt die Elektrifizierung der Prozesswärmebereitstellung in den Fokus der von der EU in der aktuellen Legislaturperiode forcierte Transformation der Industrie durch den vermehrten Einsatz Erneuerbarer Energien. Hierdurch sollen Treibhausgasemissionen eingespart und die Energieversorgungssicherheit verbessert werden. Langfristig können entsprechende Maßnahmen zudem die Wirtschaftlichkeit industrieller Prozesse verbessern und bilden damit einen perfekten Anknüpfungspunkt für weitere politische Maßnahmen.
Der Umsetzung stehen derzeit jedoch insbesondere wirtschaftliche und infrastrukturelle Hürden entgegen: Der Ausbau der Strominfrastruktur und die Anpassung bestehender Anschlüsse an die notwendigen Stromnetzebenen sind unerlässlich, jedoch oft teuer und zeitaufwendig. Da die Energiekosten den Großteil der Betriebskosten einer Prozesswärmeanlage ausmachen, ist in wirtschaftlicher Hinsicht vor allem der Preisunterschied zwischen Strom und dem derzeit dominierenden fossilen Brennstoff Erdgas entscheidend. Elektrifizierungsprojekte sind nur dann wettbewerbsfähig, wenn - unter Berücksichtigung der CO2-Preisbestandteile - der Strompreis dem des fossilen Brennstoffs entspricht, was aktuell jedoch häufig nicht der Fall ist. Technologien müssen daher erhebliche Effizienzgewinne oder andere Vorteile bieten, um gegenüber erdgasbasierten Alternativen bevorzugt zu werden oder es muss eine Förderung und/oder Senkung des Strompreises bzw. Erhöhung des CO₂-Preises erfolgen.
Abhilfe durch die EU-Kommission: 1 Milliarde Euro für neue Prozesswärmeauktion im EU-Innovationsfond
Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Strompreise in Europa hat auch die EU-Kommission erkannt und bereitet derzeit im Rahmen des EU-Innovationsfonds ein neues, auktionsbasiertes Förderinstrument zur Dekarbonisierung industrieller Prozesswärme mittels Elektrifizierung und Nutzung von erneuerbaren Energien vor. Aktuell läuft die Konsultation zu dem Entwurf der Fördervoraussetzungen („Terms & Conditions“).
Aufbauend auf den guten Erfahrungen, die mit den Wasserstoffauktionen in den vergangenen Jahren gemacht wurden, liegt der Fokus der neuen Auktion auf der Elektrifizierung industrieller Prozesswärme, zum Beispiel durch Wärmepumpen oder Elektrokessel, sowie dem direkten Einsatz erneuerbarer Wärme, wie Solarthermie und Geothermie, für industrielle Prozesse. Projekte müssen voraussichtlich eine Mindestgröße von 5 MWth neu installierter Kapazität an einem einzelnen Standort aufweisen; eine virtuelle Bündelung ist nicht zulässig. Sowohl die Umstellung vorhandener Systeme als auch die Einführung neuer Technologien kann gefördert werden.
Der Auktion soll ein „Pay-as-bid“-Mechanismus zugrunde liegen, d.h., interessierte Unternehmen geben verbindliche Gebote in Höhe des benötigten Förderbetrages pro vermiedener Tonne CO2 ab. Die Bewertung erfolgt ausschließlich auf Grundlage der Gebote, vorausgesetzt die Projekte erfüllen die Zulassungs- und Qualifikationskriterien. Projekte erhalten den Zuschlag, bis das jeweilige Budget erschöpft ist. Die Förderung soll als feste Prämie gewährt werden, die an die nachgewiesene tatsächliche CO2-Einsparung gekoppelt und proportional zum bezuschlagten Gebot ist. Im Entwurf der Förderbedingungen ist ein Maximalgebot von 250 €/t CO2 für Projekte im Bereich Niedrigtemperaturwärme (100°C bis 400°C) und von 500 €/t CO2 für Projekte im Bereich Hochtemperaturwärme (> 400°C) vorgesehen. Der Förderhöchstbetrag je Gebot ist auf 250 Millionen Euro festgelegt. Die Förderung erfolgt über einen Zeitraum von maximal fünf Jahren, mit halbjährlicher Auszahlung ab der Inbetriebnahme basierend auf dem tatsächlichen Output. Es sind Flexibilisierungsmechanismen im Hinblick auf die tatsächliche Produktion vorgesehen.
Die Auktion soll in die Themenfelder Niedertemperatur- und Hochtemperaturwärme aufgeteilt werden, um eine getrennte Evaluierung zu ermöglichen. Das Gesamtbudget von 1 Mrd. Euro soll hälftig verteilt werden. Für Prozesswärmeanwendungen im Temperaturbereich unterhalb von 100°C ist gegenwärtig keine Förderung vorgesehen.
Was es zu beachten gibt
Die Auktion soll grundsätzlich technologie- und branchenoffen ausgestaltet werden, schließt jedoch bereits weitgehend elektrifizierte Technologien, wie Elektrolichtbogenöfen, sowie die Wärmeerzeugung für Raumheizung oder für den Verkauf als Fernwärme von der Förderung aus. Des Weiteren ist die Förderung generell auf 80% der nominellen Jahreskapazität der jeweiligen Anlage begrenzt, es sei denn, im Antrag sind Flexibilisierungsmaßnahmen, wie Speicher, vorgesehen. Hintergrund ist die Vermeidung einer Subventionierung von Stromnutzung bei Verbrauchsspitzen.
Die Höhe des Förderbedarfs, also das Gebot, kann vom Bieter frei festgelegt werden. Vorgaben im Hinblick auf den IRR, den NPV oder die berücksichtigungsfähigen Kosten macht die EU-Kommission nicht. Die Herausforderung besteht für die Unternehmen insbesondere darin, ein Gebot abzugeben, das einerseits wettbewerbsfähig ist und andererseits - angesichts der Fertigstellungsgarantie und der Kumulierungsverbote – ausreichend hoch ist, um das Projekt wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Dabei ist zu beachten, dass keine automatische Indexierung der Förderung erfolgt, sodass Inflation, potenzielle Kostensteigerungen usw. in der Preisstrategie berücksichtigt werden müssen.
Um sicherzustellen, dass ausschließlich hinreichend weit entwickelte Projekte an der Auktion teilnehmen, verlangt die EU-Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Zuschlagserteilung eine Fertigstellungsgarantie in Höhe von 8% der maximalen Fördersumme. Ein entsprechender Letter of Intent ist bereits mit dem Antrag einzureichen. Die Garantie wird bei fehlendem Projektfortschritt oder Nichteinhaltung bestimmter Fristen sowie – im Fall eines Austauschs – bei einem fehlenden Nachweis über die Stilllegung der alten Anlagen in Anspruch genommen.
Mögliche Anpassungen am Entwurf der Förderbedingungen und wie es jetzt weitergeht
Die EU-Kommission befindet sich noch bis zum 15. August 2025 in der Konsultationsphase der Förderbedingungen und hat nach eigenen Angaben bisher insbesondere Rückmeldungen zu den geplanten Temperaturgrenzen und der Mindestgröße von 5 MWth erhalten. Es gibt Vorschläge, diese Werte zu senken, um mehr Projekte zu berücksichtigen. Zudem wird die Höhe der Fertigstellungsgarantie kritisch hinterfragt. Bei der Wasserstoffauktion war die Garantie im vergangenen Förderaufruf von 4% auf 8% der maximalen Fördersumme erhöht worden. Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob dieser Ansatz auch für die Prozesswärmeauktion übernommen werden sollte. Des Weiteren erhält die EU-Kommission zahlreiche Rückmeldungen zur Ausgestaltung der Flexibilisierungsoptionen.
Die endgültige Festlegung der Förderbedingungen bleibt insoweit abzuwarten. Diese werden für September 2025 erwartet. Die Auktion soll dann am 3. Dezember 2025 starten und voraussichtlich Mitte Februar 2026 enden. Die Ergebnisse der Auktion werden im Frühling 2026 erwartet. Dieser Zeitplan entspricht im Wesentlichen dem Zeitplan der bereits in der vorhergehenden Antragsrunde durchgeführten Wasserstoffauktion
Bereits jetzt sollten Unternehmen prüfen, ob geplante Projekte für eine Teilnahme an der Prozesswärmeauktion in Frage kommen. Gerne unterstützen wir Sie hierbei sowie auch im Prozess der Antragstellung.
Ansprechpartnerin
Contact

