Keine Wiedereinsetzung: Geringerer Beweiswert eines "Freistempler"-Aufdrucks mit Datumsanzeige bei Fristversäumnis

Der "Freistempler"-Aufdruck (mit Datum „….“ und Werbeteil des Prozessbevollmächtigten) hat eine geringere Beweiskraft als der Poststempel. Die Freistempelung des Briefes besagt lediglich, dass dieser versandfertig gemacht worden, nicht aber, dass es auch tatsächlich zur rechtzeitigen Versendung mit der Post gekommen ist.

Sachverhalt

Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. Januar 2017 mit dem Az. 5 K 23/15 U (EFG 2017 S. 703) ist der Steuerpflichtigen (GbR) am 20. Februar 2017 per Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Die Revisionsbegründungsschrift ist am 21. April 2017 beim BFH eingegangen. Der Freistempel auf dem Briefumschlag der Revisionsbegründungsschrift weist als Datum den 18. April 2017 aus. Nachdem die Geschäftsstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) den Prozessbevollmächtigten auf die verspätet eingegangene Begründung der Revision hingewiesen hat, beantragte die Klägerin fristgerecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.


Frist zur Begründung der Revision schuldhaft versäumt

Der BFH hat die Revision als unzulässig verworfen, weil die Klägerin die Frist zur Begründung der Revision schuldhaft versäumt hat und daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren war. Nach den einschlägigen Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO) muss die Revision beim BFH innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich eingelegt und spätestens innerhalb eines weiteren Monats begründet werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 Abs.1 FGO kann auf Antrag gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei schließt jedes Verschulden - also auch einfache Fahrlässigkeit - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Steuerpflichtige muss sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten dabei zurechnen lassen. Die Wiedereinsetzung erfordert in formeller Hinsicht, dass innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, müssen aufgrund ständiger Rechtsprechung zwingend innerhalb dieser Frist vollständig (alle entscheidungserheblichen Umstände), substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden.

Nach Auffassung des BFH hat dies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht getan, weil er nur vorgetragen hat, dass man als Postkunde darauf vertrauen konnte, dass zur Fristeinhaltung gegenüber Behörden und Gerichten eine Zustellung am nächsten Werktag erfolgen würde und die Revisionsbegründungsschrift am 18.4.2017 zur Post aufgegeben worden ist. Letzteres sei durch den Freistempel mit Datum auf dem Briefumschlag der Sendung belegt.
Die Freistempelung des Briefes besagt nach Ansicht der obersten Finanzrichter allerdings nur, dass die Sendung versandfertig gemacht worden ist, nicht aber, dass es auch tatsächlich bzw. wann es zur rechtzeitigen Versendung gekommen ist. Der Prozessbevollmächtigte hat zur Versendung weder vorgetragen, wer zu welcher Zeit und in welcher Weise das fristgebundene Revisionsbegründungsschreiben zur Post gegeben hat noch hat er präsente Beweismittel wie eidesstattliche Versicherung eines Mitarbeiters der Kanzlei, Auszüge aus dem Postausgangsbuch und Fristenkontrollbuch beigebracht.


Fundstelle
BFH, Beschluss vom 15. Mai 2019, XI R 14/17, veröffentlicht am 18. Juli 2019

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