Nachhaftung des Schuldners für vom Insolvenzverwalter nicht erfüllte Masseverbindlichkeiten

Der Insolvenzschuldner erzielt laut Bundesfinanzhof die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn der Insolvenzverwalter die vom Schuldner als Vermieter begründeten Mietverträge erfüllt. Wird dann die Einkommensteuer erstmals nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens festgesetzt, ist der Steuerbescheid dem vormaligen Insolvenzschuldner als Inhaltsadressat bekannt zu geben; eine Bekanntgabe an den vormaligen Insolvenzverwalter kommt nicht mehr in Betracht.

Sachverhalt


Der Kläger war Eigentümer eines bebauten Grundstücks, das er vermietete. Im Dezember 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Die Insolvenzverwalterin setzte die Vermietung zunächst fort. Daraus ergaben sich –-unstreitig – Einkünfte für 2004 von 45.748 EUR, für 2005 von 32.698 EUR und für 2006 von 38.942 EUR. Anschließend wurde die Immobilie zugunsten der Masse veräußert. Die Insolvenzverwalterin gab keine Steuererklärungen für den Kläger ab und leistete auch keine Zahlungen auf die aus der Vermietung entstandene Einkommensteuer. Das Amtsgericht erteilte dem Kläger im November 2010 die Restschuldbefreiung. Das Insolvenzverfahren wurde im April 2011 aufgehoben.


Das Finanzamt begann im Juni 2011 mit einer Außenprüfung beim Kläger. Gegenstand der Prüfung war u.a. die Einkommensteuer 2004 bis 2006. Aufgrund der Prüfungsergebnisse erließ das Finanzamt im Jahr 2012 erstmals Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2006, in denen es u.a. die Einkünfte aus Vermietung ansetzte. Die Bescheide gab es dem Kläger bekannt. Dieser berief sich auf die erteilte Restschuldbefreiung. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht abgewiesen.

Restschuldbefreiung wirkt nur gegenüber den Insolvenzgläubigern

Der BFH hat die Auffassung des Finanzgerichts bestätigt und die vom Kläger eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 15.3.2017, 2 K 59/16, EFG 2017 S. 1892) hat laut Bundesfinanzhof zutreffend erkannt, dass das Finanzamt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Steueransprüche, bei denen es sich insolvenzrechtlich um vom Insolvenzverwalter nicht bezahlte Masseschulden handelt, gegen den Steuerpflichtigen persönlich festsetzen darf (und muss).
Die Restschuldbefreiung wirkt nur gegenüber den Insolvenzgläubigern. In Bezug auf die streitigen Steuerforderungen, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, entfaltet sie keine Wirkung. Für sog. Masseschulden haftet der Insolvenzschuldner nach Aufhebung des Verfahrens persönlich.


Für die persönliche Zurechnung der Einkommensteuerschuld enthält die InsO keine Vorschriften. Die Einkommensteuer schuldet, wer die ihr zugrunde liegenden Einkünfte erzielt hat. Das ist grundsätzlich derjenige, der durch eine eigene oder durch eine ihm steuerlich zurechenbare Handlung eines Dritten den Besteuerungstatbestand verwirklicht, also z.B. Wohnraum gegen Entgelt zur Nutzung überlässt.


Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Danach kann der Schuldner aus Rechtsgründen die vermietende Tätigkeit nicht mehr durch eigenes Tun ausüben, soweit das vermietete Grundstück dem Insolvenzbeschlag unterfällt. Der Insolvenzverwalter muss jedoch Mietverträge, die der Schuldner als Vermieter geschlossen hat, fortführen; insofern steht ihm kein Erfüllungswahlrecht zu (§ 103 InsO).
Die daraus erzielten Einkünfte werden dem Schuldner und nicht dem Insolvenzverwalter persönlich zugerechnet. Der Insolvenzverwalter handelt steuerlich nicht auf eigene Rechnung, sondern als Vermögensverwalter. Als solcher muss er lediglich die in § 34 Abs. 1 Abgabenordnung aufgeführten steuerlichen Pflichten des Steuerpflichtigen erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Die Steuerschuld ist davon nicht erfasst. Dem Schuldner ist die Insolvenzmasse bis zu ihrer Verteilung rechtlich zuzurechnen. Ihm sind deshalb auch die Mieten zugeflossen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter zur Masse gezahlt werden.


Handlungen des Insolvenzverwalters werden dem Schuldner grundsätzlich zugerechnet

Wenn die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens i.S. von § 38 InsO begründeten Steuerforderungen, soweit sie aus der von der Insolvenzverwalterin fortgeführten Vermietungstätigkeit des Klägers herrühren vor Verteilung der Masse nicht vom Insolvenzverwalter berichtigt werden, geht dies nicht zulasten des Finanzamts. Wegen vom Insolvenzverwalter nicht erfüllter Masseverbindlichkeiten findet eine Nachtragsverteilung nicht statt. Wegen aller noch offenen Masseverbindlichkeiten kann ab diesem Zeitpunkt nur noch der Schuldner in Anspruch genommen werden.


Nicht relevant ist, ob die Insolvenzverwalterin die sie treffenden steuerlichen Pflichten des Schuldners, insbesondere die Pflicht, für den Schuldner Steuererklärungen abzugeben und die Pflicht, Masseverbindlichkeiten vorab zu berichtigen, (schuldhaft) nicht erfüllt hat und ob sie deshalb für einen etwaigen Steuerausfall persönlich haften müsste. Die Steuerpflicht des Schuldners beseitigt dies jedenfalls nicht. Das Bestehen der Hauptschuld ist Voraussetzung für die Haftung; eine etwaige Haftung lässt die Hauptschuld aber nicht entfallen.


Fundstelle
BFH, Urteil vom 2. April 2019, IX R 21/17, veröffentlicht am 27. Juni 2019.

To the top