Update: Verlustrücktrag bei schädlichem unterjährigem Anteilseignerwechsel möglich?

Nach Auffassung des Finanzgerichts Münster besteht in Fällen des unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerbs i.S. des § 8c Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz – entgegen der Verwaltungsauffassung - die Möglichkeit, sowohl die in diesem Jahr vor und nach dem schädlichen Beteiligungswechsel entstandenen Verluste zurückzutragen.

Sachverhalt und Urteil: Konkret wurden in dem strittigen Fall im November 2013 50% der Anteile an der Klägerin übertragen, insofern lag ein „schädliches Ereignis“ unstreitig vor. Das Finanzamt hatte interveniert und sich dabei auf die Verwaltungsanweisung im BMF-Schreiben vom 4. Juli 2008 (Rz. 30) gestützt, wonach ein Verlustrücktrag nach dem schädlichen Anteilseignerwechsel nicht möglich sei. Unterjährig erzielte Verluste seien vom Verlustrücktrag generell ausgeschlossen. Das Finanzgericht gab der Klage statt und ließ den Verlustrücktrag nach 2012 zu. Denn, so die Finanzrichter, durch den Verlustrücktrag nutzten lediglich diejenigen Anteilseigner den Verlustanteil, die ihn während ihres wirtschaftlichen Engagements auch wirtschaftlich getragen haben. Dies gelte sowohl für die in 2013 vor als auch im selben Jahr nach dem schädlichen Beteiligungswechsel entstandenen Verluste.

Gesetzesorientierte Auslegung: Hinsichtlich der nach dem schädlichen Anteilseignerwechsel entstandenen Verluste stützt sich das Finanzgericht auf den Wortlaut des § 8c Abs. 1 KStG, der „von bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verlusten“ spricht. Hinsichtlich der vor dem schädlichen Beteiligungserwerb entstandenen Verluste verweisen die Richter auf Sinn und Zweck des § 8c KStG, der darin bestehe, dem Erwerber die Nutzung der Verluste zu versagen.

Auch BFH für stichtagsbezogene Betrachtung: Das Finanzgericht sieht seine Schlussfolgerung auch höchstrichterlich gestützt: In seinem Urteil vom 30. November 2011 (I R 14/11) habe der BFH entschieden, dass ein bis zum schädlichen Beteiligungswechsel erwirtschafteter Gewinn mit dem vortragsfähigen Verlust zum vorangegangenen Feststellungszeitpunkt verrechnet werden darf. Dieser Rechtsfindung, so das Finanzgericht Münster, liege erkennbar die Differenzierung zwischen dem alten und dem neuen wirtschaftlichen Engagement zugrunde, deren Zäsur durch den schädlichen Beteiligungserwerb erfolgen soll.

Update (9. August 2019)

Im Verfahren I R 61/16 hat der BFH mit Urteil vom 28. November 2018 das Urteil des Finanzgerichts Münster hinsichtlich des Körperschaftsteuerbescheids für 2012 aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen. Der durch einen fachkundigen Berufsträger vertretene Kläger habe gegen den von ihm angegriffenen Bescheid für 2012 keinen Einspruch eingelegt. Es fehle daher an dem § 44 Abs. Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen Vorverfahren. Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts könne der Einspruch gegen die Bescheide für 2013 auch nicht so ausgelegt werden, dass der nicht erwähnte Bescheid für 2012 mit angegriffen werden sollte.

Der BFH hat in dem Revisionsverfahren gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster damit eine Trennung der Verfahren für die Streitjahre 2012 und 2013 durchgeführt. Das Verfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2013 ist weiterhin anhängig und wird unter dem Az. I R 41/18 geführt. Im Wege der Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit der Klage hat der BFH am 28. November 2018 die Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2013 für zulässig erklärt.

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 21. Juli 2016 (9 K 2794/15 K,F); die Revision ist beim BFH unter dem Az. I R 41/18 anhängig.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier (Loss carry back in case of change in shareholding during the year?).

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