Keine Masseverbindlichkeit bei vorläufiger Eigenverwaltung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat, im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH, entschieden, dass der Umsatzsteueranspruch für einen Besteuerungszeitraum, in dem der Unternehmer einem Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung unterliegt, weder nach § 55 Abs. 2 InsO noch nach § 55 Abs. 4 InsO eine Masseverbindlichkeit ist; auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht.

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren einer GmbH. Die GmbH hatte als Insolvenzschuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gemäß § 270a Insolvenzordnung (InsO) beantragt. Das zuständige Amtsgericht bestellte den Kläger mit Beschluss vom selben Tag zum vorläufigen Sachwalter. Nachdem über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet worden war, wurde wiederum der Kläger zum Sachwalter bestellt.

Noch im vorläufigen Insolvenzverfahren hatte der Kläger Umsatzsteuerzahlungen der GmbH angefochten, die vom Finanzamt daraufhin erstattet wurden.

Diese Umsatzsteueransprüche setzte das Finanzamt daraufhin als Masseverbindlichkeit fest. Zugleich meldete das Finanzamt die streitgegenständliche Forderung auch als Insolvenzforderung an, da es sich über deren insolvenzrechtliche Qualifizierung nicht sicher war.

Die vom Kläger vertretene Auffassung, dass es sich nicht um Masseverbindlichkeiten handele, blieb im Einspruchsverfahren ohne Erfolg.

Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht Münster, unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. November 2018 (IX ZR 167/16), statt.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht hat zutreffend entschieden, dass der Umsatzsteueranspruch für einen Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum, in dem der Unternehmer einem Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung nach § 270a InsO unterliegt, weder nach § 55 Abs. 2 InsO noch nach § 55 Abs. 4 InsO eine Masseverbindlichkeit ist; auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht.

Es liegen keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 und Abs. 4 InsO vor. Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO gelten Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt gemäß § 55 Abs. 4 InsO für die Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind.

Für eine unmittelbare Anwendung von § 55 Abs. 2 und Abs. 4 InsO fehlt es im Streitfall bereits an der Grundvoraussetzung der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters.

Weder § 55 Abs. 2 InsO noch § 55 Abs. 4 InsO sind auf ein Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung nach § 270a InsO analog anzuwenden. Der BFH schließt sich dabei dem vom Finanzamt angegriffenen BGH-Urteil (IX ZR 167/16) an.

Die auf vorläufige Insolvenzverwalter beschränkte Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO unter Ausschluss der vorläufigen Eigenverwaltung führt entgegen der Auffassung des Finanzamts auch nicht zum Vorliegen einer Beihilfe i.S. des Unionsrechts.

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 7. Mai 2020 (V R 14/19), veröffentlicht am 30. Juli 2020.

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