Begriff der Betriebsstätte bzw. festen Niederlassung im Umsatzsteuerrecht

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass ein Unternehmer jedenfalls dann eine Betriebsstätte bzw. feste Niederlassung unterhält, wenn er umfassenden Zugriff auf eine Einrichtung hat, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistung ermöglicht.

Sachverhalt

Der Kläger war in den Besteuerungszeiträumen 2008 bis 2010 als beratender Volkswirt unternehmerisch tätig. Der Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit war S, seine Umsätze versteuerte er nach vereinnahmten Entgelten.

In den Streitjahren bezog der Kläger Vergütungen aus einer Tätigkeit als sog. intermit-tierender Langzeitberater eines Projektpartners aus dem Nicht-EU-Staat X. Vertragspartner waren insoweit der nicht unternehmerisch tätige W als Leistungsempfänger mit Sitz in S sowie die A-GmbH, eine 100-prozentige Tochter des J, die das Projekt buchhalterisch abwickelte.

Der Kläger rechnete gegenüber der A-GmbH über die von ihm erbrachten Leistungen jeweils ohne Ausweis der Umsatzsteuer ab. In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre, die jeweils Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden, sind die betreffenden Umsätze als nicht steuerbar angeführt.

Nach einer Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass sich der Ort der betreffenden sonstigen Leistungen --für die Streitjahre 2008 und 2009 nach § 3a Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und für das Streitjahr 2010 nach § 3a Abs. 2 UStG -- jeweils im Inland befunden habe und die deshalb steuerbaren Umsätze nach den vereinnahmten Beträgen abzüglich der Umsatzsteuer zu bemessen seien.

Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg blieb ohne Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Der Kläger hat nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts einschlägige Leistungen als beratender Volkswirt auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung erbracht.

Eine Verlagerung des Leistungsorts nach § 3a Abs. 3 UStG 2005 liegt nicht vor. Denn weder aus dem Vortrag der Beteiligten, dem übrigen Akteninhalt noch sonst ist ersichtlich, dass der W i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG unternehmerisch tätig geworden wäre, weshalb eine Ortsverlagerung nach § 3a Abs. 3 Sätze 1 und 2 UStG 2005 nicht in Betracht kommt.

Auch wenn es sich danach beim W nicht um einen Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG handelt, verlagert sich der Leistungsort ebenso wenig nach § 3a Abs. 3 Satz 3 UStG 2005, da der W seinen Sitz nicht im Drittlandsgebiet, sondern in S hat.

Das Finanzgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass der Kläger in den Streitjahren in X keine Betriebsstätte unterhalten habe, von der aus er sonstige Leistungen ausgeführt hat.

Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG 2005 wird eine sonstige Leistung (vorbehaltlich der im Streitfall nicht maßgeblichen §§ 3b und 3f UStG 2005 und soweit --wie im Streitfall-- § 3a Abs. 2 UStG 2005 nicht erfüllt ist) an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 1 Satz 2 UStG 2005).

Der in dieser Vorschrift verwendete Begriff der Betriebsstätte stimmt mit dem vom 01. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 in Art. 43 MwStSystRL a.F. verwendeten Begriff der festen Niederlassung überein (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2012 - XI R 30/10).

Für die Annahme einer festen Niederlassung ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen personellen Mittel und Betriebsmittel ständig vorhanden sind und diese Niederlassung damit einen gewissen Bestand hat (vgl. EuGH, Urteil v. 17.7.1997 – C-190/95 „ARO Lease“).

Fundstelle

BFH, Urteil vom 29. April 2020 (XI R 3/18), veröffentlicht am 13. August 2020.

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