Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung bei fehlender großer Auskunftsklausel

Die Hinzurechnungsbesteuerung von Schweizer Zwischengesellschaften mit Einkünften aus Kapitalanlagecharakter verstößt nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Nach einem aktuellen Urteil des Hessischen Finanzgerichts kommt es auch nicht darauf an, ob sich die ohne große Auskunftsklausel fehlende Steueraufsicht im Einzelfall tatsächlich auf die Verifikation der Übereinstimmung der Feststellung des Hinzurechnungsbetrages mit den wahren Umständen ausgewirkt hat.

Ausgangslage

Der Bundesfinanzhof hatte in einem früheren Urteil I R 11/19 und im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 26.02.2019 (C 135/17, X GmbH) entschieden, dass die Hinzurechnung von im Wirtschaftsjahr 2006 erzielten Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter einer in der Schweiz ansässigen Zwischengesellschaft zwar die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt, aber gerechtfertigt sei und daher nicht gegen Unionsrecht verstößt. Das Hessische Finanzgericht hat nun in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt unter Verweis auf das BFH-Urteil I R 11/19 ebenfalls entschieden, dass die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung im Ergebnis nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.

Sachverhalt

Das Klageverfahren vor dem Hessischen Finanzgericht betraf die Frage der Hinzurechnungsbesteuerung hinsichtlich einer Minderheitsbeteiligung der Klägerin an einer Schweizer Aktiengesellschaft, die unter anderem Zinserträge erzielte. Die Klägerin war im Jahr 2005 mit einem Anteil von 30 % an der B AG-CH beteiligt. Die weiteren Aktionäre waren in der Schweiz ansässig. Die B AG erbrachte seit Gründung und auch im Jahr 2005 zum einen Dienstleistungen gegenüber Dritten, die nach Angaben der Klägerin in der Vermögensverwaltung von Privatpersonen, einschließlich Beratung im Zusammenhang mit Börsengängen, Unternehmenskäufen und Fusionen, Venture Capital und Private Equity im Zusammenhang mit Liegenschaftskäufen bzw. -verkäufen bestanden.

Das Finanzamt gelangte zu der Ansicht, dass bei der Klägerin 30 % des sich aus den Zinseinnahmen und den damit zusammenhängenden Ausgaben ergebenden Gewinns der B AG der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. Außensteuergesetz (AStG) in der damaligen Fassung unterliege. Die Schweiz sei danach weder aus Art. 27 DBA-Schweiz (im Streitjahr in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 12.02.2002) noch aus dem für die Schweiz erst ab 01. Januar 2017 geltenden Übereinkommen des OECD und des Europarats über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen zu Auskünften zur B AG für das Streitjahr verpflichtet gewesen. Deshalb liege mangels (hinreichend) „großer” Auskunftsklausel eine nach dem o.g. EuGH-Urteil C 135/17 gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vor.

Entscheidung des Finanzgerichts

Das Hessische Finanzgericht hat die Klage abgewiesen und entschieden, dass eine Verlagerung von "freiem Kapital" Anlass für die Hinzurechnungsbesteuerung von Einkünften mit Kapitalanlagecharakter nach § 7 Abs. 6 und 6a AStG ist. Im Streitfall sei keine funktional wirtschaftliche Zuordnung bzw. funktionale Betrachtungsweise von Zinseinkünften zu einer Dienstleistungstätigkeit einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft vorzunehmen. Das Gericht knüpfte zudem an das Schlussurteil des BFH I R 11/19 an und stellte fest, dass die (erweiterte) Hinzurechnungsbesteuerung im streitigen Wirtschaftsjahr 2005 auch nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Mangels "großer Auskunftsklausel" in dem DBA zwischen Deutschland und der Schweiz sei ein Motivtest nicht zu gewähren. Es käme ferner nicht darauf an, ob sich die ohne große Auskunftsklausel fehlende Steueraufsicht im Einzelfall tatsächlich ausgewirkt hat. Eine weitere Vorlage an den EuGH lehnte das Finanzgericht ab. Außerdem verstießen die vorliegend entscheidungserheblichen Vorschriften nicht gegen das Grundgesetz. Die Abgrenzung von Einkünften und die wirtschaftliche Zuordnung von Einnahmen zu bestimmten Einkunftsarten bzw. Einkunftsquellen (hier nach § 7 Abs. 6a AStG) ist auf Grund der Vielgestalt der wirtschaftlichen Gestaltungen gerade Aufgabe der – insbesondere gerichtlichen – Rechtsanwendung, die durch § 7 Abs. 6, 6a AStG in Verbindung mit den anerkennten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmte gesetzliche Leitlinien erfährt.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Fundstelle

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 5. Juni 2020 (4 K 91/15) - Das Urteil ist rechtskräftig, Quelle: Juris-Fachportal.

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