EuGH-Vorlage zur Vereinbarkeit des Zuschlags nach § 162 Abs. 4 AO mit der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit

Das Finanzgericht Bremen hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob ein Zuschlag gem. § 162 Abs. 4 AO mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) vereinbar ist. Lesen Sie hierzu auch mit weiteren Ausführungen den Newsflash unserer TP-Spezialisten.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine KG mit Sitz im Inland, wendet sich gegen die Festsetzung eines Zuschlags nach § 162 Abs. 4 AO für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2010 (insgesamt 80.000 Euro). Gegenstand ihres Unternehmens war das Halten und Verwalten von Beteiligungen, insbesondere von in Deutschland ansässigen Unternehmen, und die Erbringung von Service-, Beratungs- und Managementleistungen gegenüber verbundenen Unternehmen und Dritten. Sie hielt in den Streitjahren 100% der Anteile an einer Tochter-GmbH, die wiederum 100% der Anteile an vier weiteren deutschen GmbHs hielt. Die alleinige Kommanditistin war eine niederländische B.V., deren alleinige Gesellschafterin wiederum die ebenfalls in den Niederlanden ansässige Y N.V. war.

Die Y N.V. erbrachte in den Streitjahren Dienstleistungen an die Töchter der Klägerin. Rechtsgrundlagen hierfür waren im Jahr 2007 ein Vertrag zwischen der Y N.V. und der Komplementärin der Klägerin, einer inländischen GmbH ohne Kapitalbeteiligung an der Klägerin, und in den Jahren 2008-2010 ein Vertrag zwischen der Y N.V. und der Klägerin. Die Vergütung sollte nach den tatsächlich entstandenen Kosten auf Vollkostenbasis (inbes. angefallene Gehälter) erfolgen. Kosten im gesellschaftlichen Interesse (shareholder's costs) der Y N.V. sollten nicht abgerechnet werden. Die zudem vereinbarte jährliche Detailabrechnung durch die Y N.V. erfolgte indes nicht.

Im Rahmen der Bp. für die Jahre 2007-2010 wurde um Vorlage der gem. § 90 Abs. 3 AO i.V.m. § 1 ff. GAufzV anzufertigen Dokumentationen gebeten. Insbesondere Dokumentationen zu möglichen doppelten Berücksichtigungen einzelner Positionen, der Einbeziehung von shareholder's costs und der Ermittlung von Personalkosten (angesetzte Arbeitsstunden, Ermittlung der Stundensätze) konnten durch die Klägerin nicht in ausreichender Qualität vorgelegt werden. Allerdings informierte die niederländische Finanzverwaltung die Bp. darüber, dass die Y N.V. die shareholder's costs nicht aus den Vergütungen herausgerechnet hatte. Die Klägerin und die Finanzverwaltung schlossen daraufhin unter Beteiligung der Y N.V. die tatsächliche Verständigung ab, die gezahlten Vergütungen teilweise (in Höhe von 400.000 Euro pro VZ) als Entnahme zu erfassen.

Zusätzlich setzte die Bp. einen Zuschlag gem. § 162 Abs. 4 AO in Höhe von 5% des Korrekturbetrags fest (20.000 Euro pro VZ), da die vorgelegte Dokumentation nicht verwertbar gewesen sei. Diesen Zuschlag griff die Klägerin mit ihrer Klage an. Der Zuschlag gem. § 162 Abs. 4 AO sei europarechtswidrig, die Niederlassungsfreiheit werde ungerechtfertigt beschränkt. Zur Durchsetzung der Steueraufsicht sei es nicht erforderlich, einen Zuschlag zu erheben, der nur bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen Anwendung findet.

Vorlagebegründung

Das Finanzgericht Bremen äußert in seinem Vorlagebeschluss Zweifel daran, ob der Zuschlag nach § 162 Abs. 4 AO mit der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Es liege eine Beschränkung vor, da die Aufzeichnungspflichten und der damit verbundene Zuschlag nur für Steuerpflichtige mit Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen im Ausland, nicht aber für Geschäftsbeziehungen im Inland gelte und damit geeignet sei, die Niederlassungsfreiheit zu beeinträchtigen.

Eine Rechtfertigung dieser Beschränkung sei indes zweifelhaft. Zwar sei der Zuschlag nach § 162 Abs. 4 AO geeignet, das Ziel der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten und der Bekämpfung der Steuervermeidung zu verwirklichen.

Die Festsetzung eines solches Zuschlags sei jedoch nicht erforderlich. Der Gesetzgeber habe der Finanzverwaltung zur Durchsetzung der Dokumentationspflichten mit der Befugnis zu einer ungünstigen Veranlagung aus § 163 Abs. 3 AO bereits ausreichende Mittel an die Hand gegeben. Ein (zusätzlicher) Zuschlag trage daher nicht mehr zu einer Vermeidung von Steuerumgehungen bei.

Zudem führten auch die Regelungen betreffend die Höhe des Zuschlags dazu, dass dieser dem Gericht nicht erforderlich erscheine. Insbesondere knüpfe der Zuschlag nicht unmittelbar an die steuerlichen Auswirkungen der Feststellung an (sondern an den Mehrbetrag der Einkünfte) und könne selbst dann 5.000 Euro betragen, wenn kein Mehrbetrag der Einkünfte festgestellt wird. Ebenso sei kein Höchstbetrag festgelegt.

Fundstelle

Finanzgericht Bremen, Beschluss vom 07. Juli 2021 (2 K 187/17 (3)).

Eine englische Zusammenfassung des Beschlusses finden Sie hier.

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