Update: Privates Veräußerungsgeschäft - Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung

Eine "Anschaffung" bzw. "Veräußerung" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn die übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Zehn-Jahres-Frist bindend abgegeben worden sind (Anschluss an BFH-Urteil vom 10. Februar 2015, IX R 23/13, BStBl II 2015, 487). Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Streitig ist, ob der Kläger im Streitjahr (2013) einen Gewinn aus der Veräußerung eines Immobilienobjekts als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt hat.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht erfüllt gewesen sei. Das Veräußerungsgeschäft sei bis zur Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung schwebend unwirksam gewesen. Das Finanzamt vertrat hingegen die Ansicht, dass die Veräußerung noch innerhalb der Zehn-Jahres-Frist erfolgt sei.

Die Klage vor dem Finanzgericht München hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Blick auf den Zweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen, kann von einer (rechtsgeschäftlichen) "Anschaffung" oder "Veräußerung" nur gesprochen werden, wenn die Vertragserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind.

Eine "Veräußerung" in diesem Sinne liegt daher vor, wenn die rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist übereinstimmend abgegeben werden.

Denn mit den beiderseitigen übereinstimmenden Willenserklärungen wird der Vertragsschluss für die Vertragspartner zivilrechtlich bindend. Damit sind, dem Normzweck des § 23 EStG entsprechend, die Voraussetzungen für die Realisierung der Wertsteigerung verbindlich eingetreten.

Die Bindungswirkung eines innerhalb der Haltefrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG abgeschlossenen, wegen des Fehlens einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung (noch) schwebend unwirksamen Vertrags kann jedoch ausreichen, um die Rechtsfolgen eines privaten Veräußerungsgeschäfts eintreten zu lassen. Haben sich die Parteien bereits vor Erteilung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung auf die Vertragsinhalte geeinigt und sich mithin dergestalt gebunden, dass sich keine Partei mehr einseitig vom Vertrag lösen kann, sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäfts innerhalb der Zehn-Jahres-Frist erfüllt.

Denn die in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwendeten Begriffe "Anschaffung" und "Veräußerung" verdeutlichen, dass die Wirksamkeit des Vertrags nicht zwingend schon bei dessen Abschluss gegeben sein muss. Bezieht sich die Genehmigung Dritter nicht auf die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrags oder die Wirksamkeit der Willenserklärungen, verfolgt sie vielmehr Zwecke, die außerhalb des Vertrags liegen, und auf die die Vertragsbeteiligten keinen Einfluss haben, hat sie auf die zivilrechtlich entstandene --und von den Vertragsbeteiligten auch gewollte-- Bindungswirkung keinen Einfluss.

Erforderlich ist danach eine beiderseitige Bindung der Vertragsbeteiligten. Eine bloß einseitige Bindung durch ein einseitiges Angebot, einen Kauf auf Probe (§ 454 BGB) oder die Möglichkeit einer Partei, sich durch Versagung der Genehmigung nach Abschluss des Vertrags durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 177 Abs. 1 BGB) jederzeit wieder vom Vertrag lösen zu können, reicht insoweit nicht aus.

Anders ist dies hingegen, wenn --wie im Streitfall-- das Erstarken eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts zur vollen Wirksamkeit nicht mehr vom Verhalten der Vertragsparteien abhängig ist. Denn im Fall des Vertragsschlusses bei noch ausstehender sanierungsrechtlicher Genehmigung können sich die Vertragsparteien nicht einseitig von ihren Willenserklärungen lösen; sie unterliegen während der schwebenden Unwirksamkeit dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und sind verpflichtet, alles zu unternehmen, um die Genehmigung und damit die volle Wirksamkeit des Vertrags herbeizuführen.

Update (28. März 2022)

Das Urteil IX R 10/20 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2021, Seite 758.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 25. März 2021 (IX R 10/20), veröffentlicht am 29. Juli 2021.

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