Update: BMF: Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 19. Juli 2021 zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern in Folge des BFH-Urteils vom 27. November 2019, V R 23/19, V R 62/17 Stellung genommen und den Umsatzsteueranwendungserlass angepasst.

Mit Urteil vom 27. November 2019, V R 23/19, V R 62/17 hat der Bundesfinanzhof (BFH) u. a. entschieden, dass das Mitglied eines Aufsichtsrats entgegen bisheriger Rechtsprechung nicht als Unternehmer tätig ist, wenn es aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt (siehe unseren Blogbeitrag).

In Abschnitt 2.2 Absatz 2 des UStAE wird Satz 2 geändert:

"Dies gilt jedoch nicht, wenn Vergütungen für die Ausübung einer bei Anwendung dieser Grundsätze nicht selbständig ausgeübten Tätigkeit
ertragsteuerrechtlich auf Grund der Sonderregelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu Gewinneinkünften umqualifiziert werden, sowie bei der Beurteilung der Selbständigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, deren Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG als selbständig qualifiziert wird."

Satz 7 wird gestrichen.

In Absatz 3 wird Satz 1 wird gestrichen und die folgenden Sätze werden entsprechend neu nummeriert.

Nach Absatz 3 wird ein neuer Absatz 3a eingefügt (Sätze 1-13):

  1. Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht selbständig tätig.

  2. Die Vergütung kann sowohl in Geldzahlungen als auch in Sachzuwendungen bestehen.

  3. Eine Festvergütung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere im Fall einer pauschalen Aufwandsentschädigung vor, die für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt wird.

  4. Sitzungsgelder, die das Mitglied des Aufsichtsrats nur erhält, wenn es tatsächlich an der Sitzung teilnimmt, sowie nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen sind keine Festvergütung im Sinne des Satzes 1.

  5. Besteht die Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen, ist es grundsätzlich selbständig tätig, wenn die variablen Bestandteile im Kalenderjahr mindestens 10 % der gesamten Vergütung, einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen, betragen.

  6. Reisekostenerstattungen sind keine Vergütungsbestandteile und demzufolge bei der Ermittlung der 10 %-Grenze nicht zu berücksichtigen.

  7. Die Sätze 1 bis 6 sind für jedes Mandat eines Aufsichtsrates separat zu prüfen.

  8. Ausnahmen von der Festlegung in Satz 5 sind in begründeten Fällen möglich.

  9. Das Mitglied eines Aufsichtsrats trägt nicht schon deshalb ein Vergütungsrisiko, weil seine Vergütung nachträglich für mehrere Jahre ausgezahlt wird.

  10. Trägt das Mitglied des Aufsichtsrats kein Vergütungsrisiko, ist es nicht deshalb selbständig tätig, weil es unter den Voraussetzungen des § 116 AktG für pflichtwidriges Verhalten haftet.

  11. Bei Beamten und anderen Bediensteten einer Gebietskörperschaft, die die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung ihres Arbeitgebers oder Dienstherren übernommen haben und nach beamten- oder dienstrechtlichen Vorschriften verpflichtet sind, die Vergütung bis auf einen festgelegten Betrag an den Arbeitgeber bzw. Dienstherren abzuführen, ist es bei einem bestehenden Vergütungsrisiko nicht zu beanstanden, wenn diese allein auf Grund dieser Tätigkeit ebenfalls als nicht selbständig tätig behandelt werden.

  12. Für Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung gilt Satz 11 entsprechend, soweit sie im Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit zur Regierung einem Aufsichtsrat angehören und einer zumindest teilweisen öffentlich-rechtlichen Abführungspflicht unterliegen.

  13. Die Sätze 1 bis 12 gelten auch für Mitglieder von Ausschüssen, die der Aufsichtsrat nach § 107 Abs. 3 AktG bestellt hat und für Mitglieder von anderen Gremien, die nicht der Ausübung, sondern der Kontrolle der Geschäftsführung einer juristischen Person oder Personenvereinigung dienen.“

Abschnitt 18.6 Abs. 1 Satz 1 Beispiel Satz 1 wird wie folgt gefasst:
"Ein Aufsichtsratsmitglied erhält im Monat Mai eines jeden Jahres vertragsgemäß eine leistungsabhängige Vergütung (vgl. Abschnitt 2.2 Abs. 3a)."

Anwendungsregelung:

Die Regelungen dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten wird es von Seiten der Finanzverwaltung – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn die bisher geltenden Regelungen in Abschnitt 2.2. Abs. 2 Satz 7 und Abs. 3 Satz 1 UStAE auf Leistungen angewendet werden, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 ausgeführt worden sind.

Es wird ebenfalls nicht beanstandet, wenn ein Beamter oder ein politischer Mandatsträger, der eine Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichts- oder Verwaltungsrats nicht lediglich aufgrund seiner gesellschaftlichen oder politischen Stellung, sondern aufgrund unmittelbarer Verknüpfung mit seinem Amt ausübt, trotz eines vorliegenden Vergütungsrisikos insoweit für bis 31. Dezember 2021 ausgeführte Umsätze als nicht selbstständig im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG tätig beurteilt wird.

Update (29. März 2022)

Das BMF hat am 29. März 2022 ein Schreiben zur Klärung weiterer Fragen zum BMF-Schreiben vom 8. Juli 2021 veröffentlicht (III C 2 - S 7104/19/10001 :005).

Mit dem vorliegenden BMF-Schreiben wird Abs. 3a des Abschnitts 2.2 des UStAE geändert. Die Regelungen des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es sind jedoch Nichtbeanstandungsregelungen vorgesehen.

Die Anwendungsregelungen des BMF-Schreibens ersetzen die Anwendungsregelungen des BMF-Schreibens vom 8. Juli 2021.

Update (19. August 2021)

Das BMF hat am 19. August 2021 ein Schreiben (III C 2 - S 7283/19/10001 :002) zur Abrechnung über nicht ausgeführte sonstige Leistung mittels Gutschrift; Folgen aus dem BFH-Urteil vom 27. November 2019, V R 23/19 (V R 62/17) veröffentlicht.

Das BMF nimmt zum zweiten Leitsatz der Entscheidung V R 23/19 Stellung und erläutert die Abrechnung an Nichtunternehmer, die Abrechnung an Unternehmer über eine nicht erbrachte Leistung sowie den Widerspruch gegen eine Gutschrift.
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 08. Juli 2021, III C 2 - S 7104/19/10001 :003.

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