§ 14 Abs. 3 Satz 1 KStG umfasst keine außerorganschaftlichen Mehrabführungen

Das Tatbestandsmerkmal "vororganschaftlich" in § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG ist nur in zeitlicher, nicht auch in sachlicher Hinsicht zu verstehen; außerorganschaftlich verursachte Mehrabführungen in organschaftlicher Zeit sind nicht erfasst (entgegen Rz Org.33 des sog. Umwandlungssteuererlasses 2011, BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314). Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Im Streitfall wurden zwei Tochtergesellschaften im Weg einer Aufwärtsverschmelzung auf ihre Mutter (eine Organgesellschaft) verschmolzen. Während die beiden Tochtergesellschaften beantragten, die bei der Verschmelzung übergehenden Wirtschaftsgüter in ihrer steuerlichen Schlussbilanz gemäß § 11 Abs. 2 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) mit dem Buchwert anzusetzen, kam es in der Handelsbilanz zur Aufdeckung der stillen Reserven.

Die sich aus der Differenz zwischen dem handelsbilanziellen und dem steuerbilanziellen Ansatz ergebende Mehrabführung behandelte die Klägerin (die Organträgerin) als organschaftlich im Sinne von § 14 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) und bildete in ihrer Steuerbilanz einen besonderen passiven Ausgleichsposten in gleicher Höhe (§ 14 Abs. 4 Satz 1 KStG). Bei der Organgesellschaft wurde das Einlagekonto entsprechend gemindert (§ 27 Abs. 6 KStG).

Das Finanzamt vertrat jedoch die Auffassung, dass es sich bei der Mehrabführung nach Rn. Org 33 des BMF-Schreibens vom 11. November 2011 (Umwandlungssteuererlass 2011) um außer- bzw. vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen handele, die als Gewinnausschüttungen an den Organträger zu behandeln seien, § 14 Abs. 3 S. 1 KStG.

Die dagegen erhobene Klage vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der vorgenannten Mehrabführung nicht um eine vororganschaftliche Mehrabführung i.S. des § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG, sondern um eine organschaftliche Mehrabführung i.S. des § 14 Abs. 4 Satz 1 KStG handelt.

Eine vororganschaftliche Mehrabführung i.S. von § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG liegt vor, wenn die Mehrabführung "ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit" hat. Der Gesetzeswortlaut spricht insoweit eindeutig für ein rein zeitliches Verständnis, denn der Passus "Ursache in vororganschaftlicher Zeit" kann sprachlich und in seinem Kontext nur so verstanden werden, dass die Ursache der Mehrabführung zeitlich vor dem Wirksamwerden der Organschaft liegen muss.

Der Gesetzeswortlaut lässt eine Auslegung, wonach "vororganschaftlich verursacht" i. S. von "außerhalb des konkreten Organschaftsverhältnisses verursacht" auszulegen ist, nicht zu.

Hinsichtlich des Zeitpunkts der Ursache der Mehrabführung ist dabei mit dem Finanzgericht auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem das Ereignis eintritt, auf dem der Unterschied zwischen der handelsrechtlichen Gewinnabführung und der Vermögensmehrung in der Steuerbilanz beruht. Der Geschäftsvorfall, auf den die Differenz zwischen handelsbilanziellem Jahresüberschuss und Steuerbilanzgewinn zurückgeht, muss demnach erstmalig in einer Handels- bzw. Steuerbilanz vor Wirksamwerden des Ergebnisabführungsvertrags zu bilanzieren gewesen sein.

Für die vorgenannte Auslegung spricht auch der Zweck des § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG, Gewinne, die bei der Organgesellschaft bereits vor Begründung des Organschaftsverhältnisses besteuert wurden, handelsrechtlich aber erst nach der Begründung des Organschaftsverhältnisses entstehen und an den Organträger abgeführt werden, der Dividendenbesteuerung beim Organträger zuzuführen.

Es liegt auch keine Regelungslücke vor, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen wäre. § 14 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 KStG differenzieren Mehrabführungen allein danach, ob sie "in vororganschaftlicher Zeit" oder "in organschaftlicher Zeit" verursacht sind. Nach dieser Systematik wird ausnahmslos jede Mehrabführung von einer der beiden Bestimmungen erfasst und ist eine eigene Kategorie von "außerorganschaftlich" verursachten Mehrabführungen weder im Gesetz angelegt noch erforderlich.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 21. Februar 2022 (I R 51/19), veröffentlicht am 23. Juni 2022.

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