Zuordnungsentscheidung eines gemischt genutzten Gegenstandes zum Unternehmen

Für die Dokumentation der Zuordnung zum Zwecke eines Vorsteuerabzugs ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) aufgrund des Ergebnisses zweier vorausgegangener Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschieden.

Hintergrund

Im Streitfall XI R 29/21 (XI R 7/19) erwarb der Kläger in 2014 (Streitjahr) eine Photovoltaikanlage. Den seit September 2014 erzeugten Strom verbrauchte er teilweise selbst, teilweise speiste er ihn in das Stromnetz eines Netzbetreibers (X) ein. Finanzamt und Finanzgericht lehnten das Ansinnen des Klägers ab, er habe bereits mit Abschluss des Einspeisevertrags im September 2014 seine Zuordnungsentscheidung nach außen dokumentiert.

Der Fall XI R 28/21 (XI R 3/19) betraf die Zuordnung eines in Bauplänen mit "Arbeiten" bezeichneten Zimmers zum Unternehmen und die Geltendmachung des damit zusammenhängenden anteiligen Vorsteuerabzugs für 2015. Erstmals im September 2016 machte der Kläger für die Errichtung dieses Zimmers anteilig den Vorsteuerabzug geltend. Finanzamt und Finanzgericht vertraten die Auffassung, eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung liege nur vor, wenn sie bis zum 31. Mai des Folgejahres dem Finanzamt gegenüber abgegeben werde. Die Planungsunterlagen seien keine hinreichende Dokumentation der Zuordnungsentscheidung.

Da für den BFH zweifelhaft war, ob ein Mitgliedstaat eine Ausschlussfrist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorsehen darf, hatte er zur weiteren Klärung den EuGH um Vorabentscheidung gebeten. Der EuGH entschied in den beiden verbundenen Rechtssachen (siehe hierzu unseren Blogbeitrag vom 14. Oktober 2021), dass einem Unternehmen der Vorsteuerabzug zwar grundsätzlich verweigert werden darf, wenn bestimmte Fristen nicht eingehalten werden. Der BFH müsse prüfen, ob die fragliche Ausschlussfrist, d. h. der 31. Mai des Jahres, das auf das Jahr folgt, in dem die Zuordnungsentscheidung getroffen wurde, im Hinblick auf das Ziel der Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verhältnismäßig ist.

Schlussurteile des BFH

Der BFH hat nun in beiden Fällen der Revision der Kläger stattgegeben.

Im Streitfall XI R 29/21 (XI R 7/19) bestand ein Zuordnungswahlrecht des Klägers, da er den von der Photovoltaikanlage erzeugten Strom teilweise steuerpflichtig an X geliefert und teilweise für private Zwecke verbraucht hat. Steht nach außen hin und anhand objektiver Anhaltspunkte, die innerhalb der Zuordnungsfrist erkennbar geworden sind, fest, dass der Steuerpflichtige einen Gegenstand dem Unternehmen zugeordnet hat, ist es entgegen dem Urteil des Finanzgerichts nicht zusätzlich erforderlich, dass er die erfolgte Zuordnung der Finanzverwaltung innerhalb dieser Frist mitteilt. Die so verstandene Frist sieht der BFH auch als verhältnismäßig an. Dem Steuerpflichtigen werde dadurch der Vorsteuerabzug weder praktisch unmöglich gemacht noch übermäßig erschwert, weil er nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ohnehin beim Erwerb wählen muss, ob er als Steuerpflichtiger handelt und dies eine materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist.

Entsprechend hat der BFH im teilweise inhaltsgleichen Urteil im Streitfall XI R 29/21 (XI R 7/19) entschieden. Für eine Zuordnung zum Unternehmen kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird. Insbesondere, wenn der Unternehmer für seinen Gerüstbaubetrieb einen Büroraum benötigt, er bereits in der Vergangenheit kein externes Büro, sondern einen Raum seiner Wohnung für sein Unternehmen verwendet hat und er beabsichtigt, dies in dem von ihm neu errichteten Gebäude so beizubehalten. Anhand der tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts kann allerdings nicht entschieden werden, ob der Kläger die Zuordnung der Eingangsleistungen des Streitjahres zum Unternehmen rechtzeitig, d.h. bis zum 31. Mai des Folgejahres, "implizit" (konkludent) vorgenommen hat. Diese Feststellungen muss das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang noch nachholen. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts, so der BFH, könne sich aber aus den Bauplänen eine Zuordnung ergeben, sofern zu den Bauplänen weitere Umstände hinzutreten.

Fundstellen

BFH, Urteile vom 4. Mai 2022 XI R 29/21 (XI R 7/19) und teilweise inhaltsgleich XI R 28/21 (XI R 3/19), beide veröffentlicht am 30. Juni 2022.

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