Vorläufige Festsetzung von Erstattungszinsen

Die vorläufige Festsetzung von Erstattungszinsen für Zeiträume ab 2019 kann nicht ermessensfehlerfrei aufgehoben und die Entscheidung über die Zinsfestsetzung ausgesetzt werden nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO i.V.m. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO. Eine auf Aufhebung eines Vorläufigkeitsvermerks zur Festsetzung von Erstattungszinsen gerichtete Klage ist nicht deshalb wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig, weil eine Änderung des Zinsbescheides zuungunsten der Kläger ohnehin nicht erfolgen kann (so aber FG Münster, 3 K 4376/04 Erb), denn der Kläger ist bereits durch die sich aus der Vorläufigkeit ergebende Rechtsunsicherheit beschwert. Die Anordnung der Vorläufigkeit der Festsetzung von Erstattungszinsen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat war ermessensfehlerhaft, weil bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung feststand, dass eine spätere Änderung der Steuerfestsetzung wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausschied. Dies hat das Finanzgericht Hamburg entschieden.

Sachverhalt

Im Rahmen der Steuerfestsetzung für 2017 vom 20. September 2019 waren Erstattungszinsen festgesetzt worden, die mit einem Vorläufigkeitsvermerk bzgl. der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat versehen waren. Gegen diesen Vorläufigkeitsvermerk richtete sich die Klage. Während des Klageverfahren erging am 18. Juli 2021 der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem der Zinssatz nach § 233a Abgabenordnung (AO) für Verzinsungszeiträume ab 2014 für verfassungswidrig, aber erst ab 2019 eine Neuregelung eingefordert wurde mit Frist bis 31. Juli 2022.

Daraufhin änderte der Beklagte den angegriffenen Zinsbescheid in der Weise, dass er die Zinsfestsetzung aufhob und „teilweise“ für Verzinsungszeiträume ab 2019 nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO aussetzte; ausgenommen waren vor der Veröffentlichung der Entscheidung festgesetzte Nachzahlungs- und Erstattungszinsen.

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht Hamburg hat die Klage trotz der Aussetzung des Zinsbescheides als zulässig angesehen, weil sich dadurch das klägerische Begehren nicht erledigt, sondern sogar verschlechtert habe.

Statt einer vorläufigen Zinsfestsetzung in bezifferter Höhe, die eine Berufung auf Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO habe auslösen können, würden die Kläger nun ohne jegliche Zinsfestsetzung auf eine künftige Neuregelung verwiesen. Auch in der Sache haben die Kläger in voller Linie Recht bekommen. Mit der Aufhebung des Zinsbescheides und der Aussetzung der Zinsfestsetzung habe der Beklagte seine Ermessengrenzen überschritten und die Vorgaben des BMF-Schreibens vom 17. September 2021 zum Umgang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts missachtet.

Darüber hinaus durfte die Festsetzung der Zinsen nicht mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen werden. Der diesbezügliche Klageantrag sei – entgegen der abweichenden Annahme des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 14. September 2006, 3 K 4376/04 Erb) – zulässig, weil von dem Vorläufigkeitsvermerk eine beschwerende Rechtsunsicherheit ausgehe, und habe auch in der Sache Erfolg. Bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung habe festgestanden, dass eine spätere Änderung wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausgeschieden sei.

Die Revision wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Fundstelle

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 14. April 2022 (1 K 126/20); die Revision ist beim BFH unter dem Az. VIII R 12/22 anhängig, siehe den Newsletter 2/2022 des Finanzgerichts.

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