Gewerbesteuerrechtliches Schachtelprivileg bei doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften

Zu den inländischen Kapitalgesellschaften i.S. des § 9 Nr. 2a GewStG gehören auch Kapitalgesellschaften, die ihren statutarischen Sitz im Ausland und ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland haben. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die gewerbesteuerrechtliche Kürzung von Gewinnausschüttungen einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft.

Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Ihr Unternehmensgegenstand ist die Verwaltung eigenen Vermögens, insbesondere der Erwerb und die Verwaltung eigenen Grundbesitzes sowie die Beteiligung an in- und ausländischen Gesellschaften, die Grundbesitz erwerben und verwalten.

Im Jahr 2009 (streitiger Erhebungszeitraum) war die Klägerin Alleingesellschafterin der B-BVBA, einer Gesellschaft mit Sitz in Belgien. Die B-BVBA ist nach den Grundsätzen des sog. Rechtstypenvergleichs als Kapitalgesellschaft einzuordnen und war nicht aktiv tätig i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen in der für den streitigen Erhebungszeitraum geltenden Fassung (Außensteuergesetz ‑AStG‑). Unternehmensgegenstand der B-BVBA war das Halten und Verwalten von Beteiligungen. Ihr alleiniger Geschäftsführer wohnte im Inland.

Die B-BVBA war ihrerseits zu 14 % am Stammkapital der mexikanischen Kapitalgesellschaft M-CV beteiligt, die im streitigen Erhebungszeitraum aus ihrem im Wirtschaftsjahr 2008 erzielten Gewinn einen Anteil an die B-BVBA ausschüttete. Die B-BVBA schüttete diesen Betrag noch im streitigen Erhebungszeitraum ohne Abschlag weiter an die Klägerin aus. In den jeweiligen Ausschüttungen waren keine zurückgezahlten Einlagen enthalten.

Das Finanzamt ermittelte den Gewerbeertrag und den vortragsfähigen Gewerbeverlust antragsgemäß unter Hinzurechnung von 95 % der Gewinnausschüttung der B-BVBA gemäß § 8 Nr. 5 des Gewerbesteuergesetzes i.V.m. § 8b Abs. 1 und 5 des Körperschaftsteuergesetzes, jeweils in der für den streitigen Erhebungszeitraum geltenden Fassung ‑GewStG und KStG‑. Auf dieser Grundlage setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für 2009 und den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2009 fest. Die entsprechenden Bescheide vom 02. September 2010 standen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Den Antrag der Klägerin, diese Bescheide dahin zu ändern, dass die Hinzurechnung gemäß § 9 Nr. 7 GewStG wieder gekürzt wird, lehnte das Finanzamt ab. Ein Einspruch blieb erfolglos.

Die Klage vor dem Hessischen Finanzgericht hatte Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht hat zu Recht entschieden, dass das Finanzamt verpflichtet ist, den Hinzurechnungsbetrag nach § 8 Nr. 5 GewStG zu korrigieren und dadurch den vortragsfähigen Gewerbeverlust zu erhöhen. Die im streitigen Erhebungszeitraum von der B-BVBA an die Klägerin ausgeschütteten Gewinnanteile erfüllen in dieser Höhe die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG.

Eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG ist ausgeschlossen, soweit die Gewinnanteile die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG erfüllen.

Das Finanzgericht hat in den BFH bindender Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass die Geschäftsleitung der B-BVBA im streitigen Erhebungszeitraum in Deutschland lag, die B-BVBA keinen aktiven Tätigkeiten i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG nachging und sie zu weniger als 15 % an der mexikanischen M-CV beteiligt war.

Auf Grundlage dieser Feststellungen hat das Finanzgericht zutreffend entschieden, dass keine der Tatbestandsalternativen des § 9 Nr. 7 GewStG vorlag. Dies gilt auch für § 9 Nr. 7 Satz 1 Halbsatz 2 GewStG, der tatbestandlich erfordert, dass Sitz und Geschäftsleitung der B-BVBA im anderen Mitgliedstaat belegen wären.

Die Entscheidung des Finanzgerichts, stattdessen § 9 Nr. 2a GewStG anzuwenden, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern.

Auf der Grundlage der bindenden Feststellungen des Finanzgerichts (§ 118 Abs. 2 FGO) liegen die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG grundsätzlich vor. Insbesondere ist die B-BVBA nach dem sog. Rechtstypenvergleich als Kapitalgesellschaft einzuordnen. Da die Klägerin im streitigen Erhebungszeitraum zu 100 % an der B-BVBA beteiligt war, ist auch die Mindestbeteiligungsquote überschritten.

Darüber hinaus erfüllte die B-BVBA als doppelt ansässige Gesellschaft mit Sitz in Belgien und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland die Voraussetzungen einer "inländischen" Kapitalgesellschaft i.S. des § 9 Nr. 2a GewStG.

Die Einbeziehung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften in den Anwendungsbereich des § 9 Nr. 2a GewStG ist umstritten. Während ein Teil der Literatur die Voraussetzung einer inländischen Kapitalgesellschaft zumindest bei denjenigen Gesellschaften bejaht, die - wie die B-BVBA - ihren statutarischen Sitz im Ausland und ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland haben, fordert ein anderer Teil der Literatur einen doppelten Inlandsbezug, d. h. Sitz und Ort der Geschäftsleitung müssen sich im Inland befinden.

Das Finanzgericht hat sich zu Recht der zuerst genannten Auffassung angeschlossen. Ob auch doppelt ansässige Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im Inland und Ort der Geschäftsleitung im Ausland als inländische Kapitalgesellschaft i.S. des § 9 Nr. 2a GewStG anzusehen sind oder sogar eine inländische Betriebsstätte ausreicht kann im Streitfall dahingestellt bleiben.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 28. Juni 2022 (I R 43/18), veröffentlicht am 13. Oktober 2022.

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