DBA-Schweiz: Grenzgänger bei 24-Stunden-Diensten und geringfügiger Beschäftigung

Der Grenzgängerbegriff im DBA-Schweiz ist unabhängig von örtlichen Voraussetzungen oder Grenzzonen definiert und setzt keine Mindestanzahl an Grenzüberquerungen pro Woche oder Monat voraus. In zwei Urteilen ist der Bundesfinanzhof auch der Frage nachgegangen, ob eine Rückkehr an den Wohnort aufgrund der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort zumutbar ist.

Hintergrund

Der Kläger war als Honorararzt in einer Klinik in Deutschland tätig. Darüber hinaus erzielte er aus einer Vertretungstätigkeit in einer Klinik in der Schweiz vom 24.08.2014 bis 14.09.2014, vom 28.09.2014 bis 05.10.2014 und vom 02.11.2014 bis 05.11.2014 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger wies in seiner Einkommensteuer-Erklärung für 2014 darauf hin, dass die Versteuerung in der Schweiz erfolgt sei und reichte eine Bestätigung des Spitals beim Finanzamt ein. Dieses erfasste die Einkünfte aus der Vertretungstätigkeit in der Schweiz als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Der Kläger hatte argumentiert, dass eine tägliche Heimfahrt aufgrund der Entfernung von mehr als 200 km vom Tätigkeitsort zum Wohnort und der 24-Stunden-Dienste während der befristeten Arbeitseinsätze nicht möglich gewesen sei. Aus diesem Grund habe der Arbeitgeber in der Schweiz auch die ordentliche Quellensteuer zum Abzug gebracht. Das Besteuerungsrecht verbleibe deshalb in der Schweiz. Das Finanzgericht München hatte der Klage stattgegeben und unterwarf die streitigen Einkünfte lediglich dem Progressionsvorbehalt.

Entscheidung des BFH

Die Revision des Finanzamts ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts. Der Kläger war Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz.

Das Fazit des BFH: Auf Grundlage der Feststellungen des Finanzgerichts erfüllt der Kläger die Voraussetzungen eines Grenzgängers i.S. des DBA-Schweiz, da er regelmäßig an seinen Wohnort zurückgekehrt ist. Im Streitjahr ist es zu drei mehrtägigen Arbeitseinsätzen in der Schweiz gekommen, die nach Nr. II.1. des Verhandlungsprotokolls wegen durchgängiger 24-Stunden-Bereitschaftsdienste jeweils als Einheit zu betrachten sind und an deren Ende der Kläger jeweils an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt ist. Es liegt kein einziger Nichtrückkehrtag vor, der zu einer Anwendung des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz (für den Grenzgängerbegriff schädliche Nichtrückkehrtage) führen könnte. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist die in der Schweiz erhobene Quellensteuer in Höhe von 4,5 % auf die inländische Einkommensteuer anzurechnen. Dazu führt der BFH weiter aus:

Rechtsfehlerhaft war die Schlussfolgerung des Finanzgerichts, die Voraussetzungen des Grenzgängerbegriffs seien schon wegen der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort und der daraus folgenden Unzumutbarkeit einer Rückkehr nicht erfüllt. Denn dieser Begriff ist unabhängig von örtlichen Voraussetzungen oder Grenzzonen definiert.

Darüber hinaus ist das Finanzgericht nach Dafürhalten des BFH ebenfalls zu Unrecht davon ausgegangen, dass die einzelnen Tage der Tätigkeit des Klägers in der Schweiz getrennt zu betrachten sind und dadurch die zulässige Anzahl schädlicher Nichtrückkehrtage überschritten wird. Vielmehr sind die drei mehrtägigen Arbeitseinsätze in der Schweiz aufgrund der lückenlosen Verbindung über 24-Stunden-Bereitschaftsdienste jeweils als Einheit zu betrachten. Da der Kläger am Ende jeder dieser "Arbeitseinheiten" jeweils an seinen Wohnort zurückgekehrt ist, liegt im Streitfall kein einziger Nichtrückkehrtag vor.

Dass der Kläger ausschließlich in dem Streitjahr und nur an insgesamt 31 Tagen in der Schweiz gearbeitet hat ist, im Gegensatz zur Sichtweise des Finanzgerichts, nicht von Relevanz. Der in Artikel 15a Abs. 2 DBA-Schweiz verwendete Begriff "regelmäßig" („… und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt“) setzt keine Mindestanzahl an Grenzüberquerungen pro Woche oder Monat voraus.

Die Regelung des § 7 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen Deutschland und der Schweiz (KonsVerCHEV), wonach bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen eine regelmäßige Rückkehr ausscheidet, wenn sich der Arbeitnehmer nicht mindestens an einem Tag pro Woche oder fünf Tagen pro Monat von seinem Wohnsitz an seinen Arbeitsort und zurück begibt, steht dem nicht entgegen. Denn diese Regelung verstoße gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und ist daher zu verwerfen, so der BFH abschließend.

Fundstelle

BFH- Urteil vom 1. Juni 2022 (I R 32/19), veröffentlicht am 24. November 2022.

Ebenso das am 24. November 2022 veröffentlichte und teilweise inhaltsgleiche Urteil vom 28. Juni 2022 (I R 24/21).

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