Update: Tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags

Die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG) bezieht sich nicht nur auf den Schlusspunkt des Ausgleichs aller aus dem Gewinnabführungsvertrag resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Die entsprechenden Forderungen und Verbindlichkeiten müssen auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Sämtliche Geschäftsanteile der Klägerin werden von der B-GmbH gehalten. Zwischen der Klägerin und der B-GmbH wurde ein EAV geschlossen, mit dem sich die Klägerin der geschäftlichen Leitung der B-GmbH unterwarf.

Im Jahr 2013 erwirtschaftete die Klägerin einen Verlust, welcher im Jahr 2015 von der B-GmbH durch Überweisung auf das Konto der Klägerin ausgeglichen wurde. Der Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des Verlustes wurde weder bei der Klägerin noch bei der B-GmbH bilanziell ausgewiesen.

Mit Verweis auf den nicht erfolgten bilanziellen Ausweis erkannte das Finanzamt den EAV nicht an.

Die Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht gegen diese Auffassung hatte keinen Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die tatsächliche Durchführung des EAV voraus, dass er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird. Dies bedeutet u.a., dass die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden (BFH, Urteil vom 5. April 1995, I R 156/93). "Verrechnung" ist in diesem Zusammenhang dahin zu verstehen, dass es sich um eine einer tatsächlichen Zahlung gleichstehende Aufrechnung handeln muss; die reine Buchung der Forderung ohne Erfüllungswirkung ist dagegen nicht ausreichend (BFH, Beschluss vom 26. April 2016, I B 77/15).

Die Voraussetzung der tatsächlichen Durchführung des EAV bezieht sich aber nicht allein auf den Schlusspunkt des tatsächlichen Ausgleichs aller aus dem EAV resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Vielmehr wird der EAV nur dann durchgeführt, wenn er während der gesamten Geltungsdauer tatsächlich "gelebt" wird; schon vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung/Verrechnung muss also objektiv erkennbar sein, dass sowohl der Organträger als auch die Organgesellschaft ihre zivilrechtlichen Vertragspflichten (BFH, Urteil vom 10. Mai 2017, I R 51/15) aus dem EAV erfüllen werden.

Daraus folgt, dass die entsprechenden Forderungen/Verbindlichkeiten auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden müssen.

Die Klägerin hat im Jahr 2013 einen Verlust erzielt, ohne ihren aus dem EAV folgenden Verlustausgleichsanspruch gegen die Organträgerin (B-GmbH) in der Bilanz zum 31. Dezember 2013 zu aktivieren. Der Verlustausgleichsanspruch wird lediglich in einem Bericht des Steuerberaters über die Erstellung des Jahresabschlusses sowie einem Begleitschreiben an die Klägerin erwähnt.

Ob der tatsächliche Ausgleich des Jahresfehlbetrags 2013 durch die B-GmbH am 11. Februar 2015 noch rechtzeitig war, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Die Nichtdurchführung des EAV folgt jedenfalls aus der fehlenden Buchung einer entsprechenden Forderung der Klägerin in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2013.

Die Hinweise in internen Berichten und Begleitschreiben auf den Verlustausgleichsanspruch reichen nicht aus, um den EAV "zu leben" und die daraus resultierenden Vertragspflichten objektiv erkennbar anzuerkennen. Entsprechendes gilt für die Angaben in der Anlage ORG der Steuererklärung, zumal sie nach den Feststellungen des Finanzgericht unvollständig waren (kein Eintrag in Zeile 21 der Anlage ORG).

Darüber hinaus hat das Finanzgericht zutreffend die Voraussetzungen einer sog. Heilung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG verneint. Nach dieser Regelung gilt der Gewinnabführungsvertrag unter bestimmten, dort aufgeführten Voraussetzungen auch dann als durchgeführt, wenn der abgeführte Gewinn oder ausgeglichene Verlust auf einem Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält. Der Anwendungsbereich ist nach diesem Wortlaut aber auf fehlerhafte Bilanzansätze mit einer Wirkung auf den abgeführten Gewinn oder ausgeglichenen Verlust beschränkt und bezieht sich auf die Höhe des abzuführenden Gewinns oder auszugleichenden Verlusts.

Nicht erfasst ist dagegen der fehlerhafte Ausweis eines in der Organgesellschaft verbleibenden Gewinns oder Verlusts durch den unterlassenen Ausweis einer Forderung (Verlustausgleichsanspruch) oder einer Verbindlichkeit (Gewinnabführungsverpflichtung) der Organgesellschaft auf der Grundlage des EAV.

Schließlich hat das Finanzgericht zutreffend entschieden, dass die Nichtdurchführung des EAV für das Jahr 2013 für sämtliche Streitjahre zur rückwirkenden Nichtanerkennung der Organschaft führt.

Update (12. Mai 2023)

Das Urteil I R 37/19 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2023, Seite 409.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 2. November 2022 (I R 37/19), veröffentlicht am 9. Februar 2023.

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