Fremdübliche Verzinsung einer Darlehensforderung
Der Verzicht auf eine angemessene Verzinsung einer auf einem Gesellschafterverrechnungskonto verbuchten Darlehensforderung kann zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung der fremdüblichen Zinsen erkennbar, ist es nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs nicht zu beanstanden, wenn davon ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen.
Hintergrund
Bei den Forderungen der Klägerin (einer GmbH) an ihren Gesellschafter handelte es sich um über ein Gesellschafterverrechnungskonto gebuchte, an den Gesellschafter ausgereichte oder für diesen verauslagte Beträge. Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass es ihr angesichts des allgemein niedrigen Zinsniveaus nicht möglich gewesen wäre, das Kapital anderweitig ertragbringend anzulegen, so dass auch angesichts der zinslosen Überlassung der Mittel an den Gesellschafter nicht von entgangenen Einnahmen ausgegangen werden könne. Das Finanzgericht Schleswig-Holstein vermochte dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen und hatte die Klage abgewiesen (hierzu: Blogbeitrag vom 2. Februar 2021).
Entscheidung des BFH
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet ab. Das Finanzgericht habe, so der BFH, zutreffend auf den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) "dem Grunde nach" erkannt. Es bestehen auch keine grundlegenden Bedenken dagegen, auf den Mittelwert der o.g. Bandbreite abzustellen (Margenteilungsgrundsatz). Im Einzelnen führt der BFH weiter u. a. folgendes aus:
Bei Kreditgeschäften zwischen einer Kapitalgesellschaft (die selbst keine Bankgeschäfte betreibt und als privater Darlehensgeber agiert) und ihrem Gesellschafter als privatem Darlehensnehmer berechnet sich die für den Ansatz einer vGA erforderliche verhinderte Vermögensmehrung nach den in Rechnung gestellten Sollzinsen, wenn und soweit davon ausgegangen werden kann, dass der dem Gesellschafter zinslos überlassene Darlehensbetrag anderenfalls zur Kreditrückzahlung verwendet worden wäre. Hat die Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, so bilden die banküblichen Habenzinsen die Unter- und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze der verhinderten Vermögensmehrung. Der im Einzelfall maßgebliche Betrag innerhalb der genannten Marge ist durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zukommt. In der Regel ist der Ansatz der Sollzinsen jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesellschaft keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb auch nicht den damit verbundenen Aufwand hat. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen.
Das Verrechnungskonto, das einen Saldo zugunsten der Klägerin aufwies, war in den Streitjahren - im Unterschied zu den Vorjahren - unverzinst geblieben. Allerdings ist ungeachtet des Umstands, dass in den Streitjahren ein Niedrigzinsniveau herrschte und im Falle der Geldanlage bei Banken sogar "Strafzinsen" drohten, aus Sicht der darlehensgebenden Klägerin von einer verhinderten Vermögensmehrung auszugehen. Denn nach der Senatsrechtsprechung ist der bankübliche Habenzins, der tatsächlich in den Streitjahren nahezu bei Null lag, nicht der alleinige Maßstab für die Fremdvergleichsprüfung. Die Tatsache, dass die Klägerin keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb auch nicht den damit verbundenen ("einzupreisenden" banküblichen) Aufwand hat, führt nicht dazu, dass der Sollzinssatz als Fremdvergleichsmaßstab ausschiede und sich die Schätzung allein am Habenzinssatz zu orientieren hätte.
Die Voraussetzungen eines sog. Vorteilsausgleichs, der dem Ansatz einer vGA entgegenstehen könnte, sind im Streitfall nicht erfüllt. Im Streitfall besteht der "Nachteil" auf Seiten der Klägerin darin, dass sie keine Zinsen für die Überlassung des Kapitals zur Nutzung erhalten hat. Im Übrigen war auch nicht ersichtlich, dass überhaupt eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem beherrschenden Gesellschafter bestanden hat, die den Ausgleich dieses "Nachteils" durch einen "Vorteil" zum Gegenstand hatte.
Auch der Hinweis der Klägerin auf das "Zinseszinsverbot" ist unbeachtlich. Denn dieses "Verbot" betrifft nach dem Wortlaut des § 248 Abs. 1 BGB nur im Voraus getroffene Vereinbarungen, nach denen künftige Zinsen dem (verzinslichen) Kapital zugeschlagen werden sollen. Die Klägerin hat selbst nicht vorgetragen und das Finanzgericht hat auch nicht festgestellt, dass eine solche Vereinbarung im Streitfall zustande gekommen ist.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 22. Februar 2023 (I R 27/20) – veröffentlicht am 25. Mai 2023.