Erweiterte Kürzung: Keine teleologische Reduktion im Fall von Sondervergütungen an nicht der Gewerbesteuer unterliegende Mitunternehmer

§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG ist auch dann anzuwenden, wenn der die Sondervergütung beziehende Gesellschafter nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Streitig ist, ob § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) auch dann anzuwenden ist, wenn der Empfänger der Sondervergütungen nicht der Gewerbesteuer unterliegt.

Die Klägerin ist eine gewerblich geprägte Personengesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Ihr Unternehmensgegenstand besteht in der Vermietung von Immobilien. Komplementärin ist die V-GmbH. Daneben sind acht Kommanditisten an der Klägerin beteiligt, die nicht der Gewerbesteuer unterliegen.

Das Finanzamt setzte die Gewerbesteuermessbeträge für 2013 und 2014 zunächst erklärungsgemäß auf 0 € fest. Die vortragsfähigen Gewerbeverluste wurden auf den 31.12.2012, 31.12.2013 und 31.12.2014 jeweils auf 167.895 € gesondert festgestellt.

Im Rahmen einer im Jahr 2016 durchgeführten Betriebsprüfung für die Erhebungszeiträume 2012 bis 2014 traf der Prüfer die Feststellung, dass die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf die Gewinne zu beschränken sei, die sich ohne Tätigkeitsvergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergäben (§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG). Vor diesem Hintergrund erließ das Finanzamt am 14.10.2016 nach § 35b Abs. 1 GewStG bzw. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Gewerbesteuermessbescheide für 2013 und 2014 und setzte den Gewerbesteuermessbetrag ‑unter Berücksichtigung des Verlustabzugs‑ auf 0 € (2013) bzw. 3.206 € (2014) fest. Den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 setzte es mit Bescheid vom 01.06.2017 auf 4.865 € fest.

Die nachfolgende Klage vor dem Finanzgericht Köln, mit der die Klägerin eine teleologische Reduktion des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG unter Hinweis darauf begehrte, dass sämtliche Kommanditbeteiligungen "im Privatvermögen gehalten" würden, hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und im Hinblick auf die Gewerbesteuermessbescheide für 2014 und 2015 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Das Finanzgericht hat eine teleologische Reduktion des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG zu Recht abgelehnt.

Der Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a Satz 1 GewSt setzt allein "Vergütungen im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes" voraus, "die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern, mit Ausnahme der Überlassung von Grundbesitz, bezogen hat". Dass der Gesellschafter als Vergütungsempfänger der Gewerbesteuer unterliegt, verlangt die Norm nicht.

Auch Sinn und Zweck der Norm sowie historische Erwägungen rechtfertigen keine einschränkende Auslegung. Systematische Erwägungen, die für das gegenteilige Auslegungsergebnis sprechen, sind ebenfalls nicht ersichtlich.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG in den Fällen, in denen der Vergütungsempfänger nicht der Gewerbesteuer unterliegt, auch nicht teleologisch reduziert werden.

In Anwendung dieser Grundsätze hat die Vorinstanz zu Recht entschieden, dass die Sondervergütungen nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG nicht der erweiterten Kürzung unterliegen. Dies betrifft jedenfalls die an die Kommanditisten gezahlten Sondervergütungen. Ob die Haftungsvergütung der Komplementär-GmbH der erweiterten Kürzung unterfällt, kann der Senat hingegen nicht entscheiden. Das Urteil der Vorinstanz ist daher aufzuheben. Die Sache ist ‑soweit die Erhebungszeiträume 2014 und 2015 betroffen sind‑ nicht spruchreif und muss zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

Für Zwecke der zeitlichen Anwendungsbestimmung des § 36 Abs. 6a Satz 2 GewStG i.d.F. des JStG 2009 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1a Satz 2 GewStG kommt es in den Fällen, in denen die Vergütungsvereinbarung vor Begründung der Gesellschafterstellung getroffen worden ist, auf die Begründung der Gesellschafterstellung an.

In Bezug auf den Gewerbesteuermessbescheid für 2013 hat die Revision in vollem Umfang Erfolg. Soweit das Finanzamt die Sondervergütungen im streitgegenständlichen Änderungsbescheid erstmals der Gewerbesteuer unterworfen hat, fehlt es an einer Korrekturvorschrift. Die Änderung ist insbesondere nicht von § 35b Abs. 1 GewStG gedeckt. § 35b Abs. 1 GewStG ermöglicht nur eine punktuelle Änderung des Gewerbesteuermessbescheids und erlaubt nicht die Korrektur von Rechtsfehlern. Die Vorentscheidung ist insoweit auch aus diesem Grund aufzuheben.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 9. März 2023 (IV R 11/20), veröffentlicht am 29. Juni 2023.

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