Nichtberücksichtigung "finaler" Verluste einer italienischen Betriebsstätte

Der auf einem DBA (hier: DBA-Italien 1989) beruhende Ausschluss der Berücksichtigung von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte (sog. Symmetriethese) verstößt auch im Hinblick auf endgültige ("finale") Verluste weder gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit (Anschluss an EuGH-Urteil W vom 22.09.2022 - C-538/20; Bestätigung der Senatsrechtsprechung) noch gegen Art. 20 der Charta der Grundrechte der EU und das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine inländische GmbH. Im Rahmen der Expansion des Unternehmens in europäische Länder eröffnete sie im Jahr 2004 eine Niederlassung in der Italienischen Republik (Italien). Diese Niederlassung erwirtschaftete in den Jahren 2004 bis 2008 Verluste.

Im Dezember 2008 beschloss die Klägerin, dass die Geschäftstätigkeit in Italien ab dem 01.01.2009 von der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) aus ausgeübt werden soll. Sie schloss die italienische Niederlassung daher zum 31.12.2008. Weil sie in Italien zu keinem Zeitpunkt Gewinne erzielt hat, konnte die Klägerin in eigener Person die Verluste dort weder durch einen Verlustrücktrag noch durch einen Verlustvortrag nutzen.

Mit ihrer Steuererklärung für das Jahr 2008 (Streitjahr) machte die Klägerin ausländische Betriebsstättenverluste gewinnmindernd geltend. Das Finanzamt berücksichtigte diese Verluste jedoch bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer nicht.

Die Klägerin erhob im Dezember 2011 Sprungklage gegen den Körperschaftsteuerbescheid. Nachdem das Finanzamt der Sprungklage nicht zugestimmt hatte, wurde das Verfahren als außergerichtlicher Rechtsbehelf fortgeführt. Im Dezember 2012 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage, mit der sie zuletzt beantragt hat, die Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung eines Verlusts aus der italienischen Betriebsstätte festzusetzen. Sie hat dabei für die Jahre 2004 bis 2006 und 2008 die Verluste der italienischen Betriebsstätte nach deutschen Gewinnermittlungsgrundsätzen angesetzt, für das Jahr 2007 hingegen die (geringeren) Verluste, wie sie in der gegenüber dem italienischen Fiskus abgegebenen Steuerklärung erklärt worden sind.

Die Klage vor dem Finanzgericht Hamburg hatte Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.

Entgegen der Annahme der Vorinstanz mindern weder der im Streitjahr entstandene Verlust noch die in den Jahren 2004 bis 2007 angefallenen Verluste der italienischen Zweigniederlassung der Klägerin die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer für das Streitjahr.

Die qualifizierte Rückfallklausel des Abschn. 16 Buchst. d des Protokolls zum DBA-Italien 1989, nach der die Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person (nur dann) als aus dem anderen Vertragsstaat stammend gelten, wenn sie im anderen Vertragsstaat in Übereinstimmung mit dem Abkommen effektiv besteuert worden sind, ist auch auf negative Einkünfte anzuwenden.

Von einer effektiven Besteuerung durch den anderen Staat ist im Falle von Verlusten jedenfalls dann auszugehen, wenn der andere Staat die Verluste in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezieht und einen Ausgleich mit positiven Einkünften eines anderen Veranlagungszeitraums ermöglicht. Nicht erforderlich ist hingegen, dass es zu irgend einem Zeitpunkt tatsächlich zu einem solchen Ausgleich kommt.

Dass der im Streitjahr entstandene Verlust - ebenso wie die in den Vorjahren angefallenen Verluste - der italienischen Zweigniederlassung von der Verlustberücksichtigung bei der Körperschaftsteuer ausgeschlossen sind, obgleich die Verluste infolge der Schließung der Zweigniederlassung in Italien dort endgültig nicht nutzbar ("final") geworden sind, verstößt nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit.

Zuletzt hat die Klägerin im Hinblick auf eine Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Betriebsstättenverluste unbeschränkt Steuerpflichtiger zusätzlich einen Verstoß gegen Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 18.10.2000 (ABlEG 2000, Nr. C 364, 1) ‑EUGrdRCh‑ geltend gemacht. Auch damit bleibt sie indessen ohne Erfolg.

Der BFH hält den auf der abkommensrechtlichen Symmetriethese beruhenden Ausschluss des Abzugs ‑gegebenenfalls auch "finaler"‑ ausländischer Betriebsstättenverluste für vereinbar mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen für die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht sind daher nicht erfüllt.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12. April 2023 (I R 44/22 (I R 49/19, I R 17/16)), veröffentlicht am 29. Juni 2023.

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