Teilwertansatz bei börsennotierten "hybriden" Anleihen

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes liegt bei börsennotierten verzinslichen Wertpapieren ohne feste Laufzeit, die von den Gläubigern nicht gekündigt werden können, eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vor, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Anschaffungskosten bei Erwerb überschreitet.

Hintergrund

Die Klägerin, eine GmbH, hielt in ihrem Umlaufvermögen zwei sogenannte Tier-1-Anleihen (nachrangige Bankschuldverschreibungen, die aus Sicht des Emittenten an der Grenze zwischen Eigen- und Fremdkapital stehen) aus 2006 der XY Bank (Emittentin). Diese Anleihen haben keine vorausbestimmte Fälligkeit und nur der Emittent, nicht aber der Anleger kann kündigen. Der Zinssatz ist variabel und vom Euribor abhängig. Zinszahlungen durften nur geleistet werden, wenn ausreichend verteilbarer Gewinn vorhanden war. Durch das höhere Ausfallrisiko traten höhere Kursschwankungen auf. Beide Anleihen waren bei Fälligkeit zu 100 % des Nennkapitals rückzahlbar.

Die Klägerin bewertete die Anleihen in ihrer Bilanz zum 31.12.2012 mit dem Kurswert als Teilwert. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Klägerin trage ein Kursrisiko nur bei einem vorzeitigen Verkauf. Die Laufzeit sei nicht unendlich, sondern lediglich unbestimmt, die Anleihen seien daher mit dem Nominalwert anzusetzen. Das Finanzgericht hatte der Klage stattgegeben. Bei Wertpapieren ohne feste Laufzeit mit Kündigungsrecht der Emittentin führe ein Kursrückgang regelmäßig zu einer voraussichtlich dauernden Wertminderung, wenn keine Kündigung durch die Emittentin absehbar sei.

Entscheidung des BFH

Der BFH bestätigte die Vorinstanz und wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung liege vor. Der Teilwert ergibt sich aus dem Kurswert, der zum 31.12.2012 bei circa 50 % lag. Die vom BFH Im Wege einer typisierenden Gesetzesauslegung für börsennotierte Aktien bestimmte Bagatellgrenze von 5 %, um die der aktuelle Börsenkurs der Aktie am Abschlussstichtag den Börsenkurs der Aktie bei Anschaffung unterschreiten muss, war im Streitfall erfüllt.

Bei einer Anleihe, die nur von der Emittentin gekündigt werden kann und die über keine feste Laufzeit verfügt, führt ein Kursrückgang regelmäßig zu einer dauerhaften Wertminderung, es sei denn, eine Kündigung durch die Emittentin ist absehbar. Während der Inhaber eines endfälligen Wertpapiers, das bei Laufzeitende zu 100 % zurückzuzahlen ist, bei gesunkenem Börsenkurs lediglich das Ende der Laufzeit abwarten müsse, um den Nominalwert zurückgezahlt zu bekommen (und der Kurs entsprechender Wertpapiere, die sich ihrer Endfälligkeit nähern, sich immer mehr an den Nominalwert annähere), trete dieser Effekt im Streitfall mangels Endfälligkeit und mangels Kündigungsmöglichkeit des Inhabers nicht ein. Durch bloßes Zuwarten könne die Annäherung des Werts an den Nominalbetrag nicht erreicht werden. Eine Kündigung sei zu den Bilanzstichtagen nicht absehbar gewesen.

Eine Abweichung von der allgemeinen Regel, dass der Börsenkurs die Auffassungen der Marktteilnehmer über den Wert widerspiegelt, ist nur dann gerechtfertigt, wenn feststeht, dass die Wertminderung keinen Bestand haben wird. Dies ist nicht der Fall, solange ungewiss ist, ob es jemals zu einer Rückzahlung (zum Nominalwert) kommen wird. Die vom Bundesfinanzministerium, das dem Verfahren inzwischen beigetreten war, betonte Möglichkeit einer vollständigen Wertaufholung wegen der Möglichkeit der Kündigung, zu der es im Jahr 2021 tatsächlich gekommen ist, reicht nicht aus. Bei der Kündigung, so der BFH, handele es sich nicht um eine wertaufhellende Tatsache, sondern um einen später eingetretenen Umstand.

Trotz der guten Bonität der Emittentin stand am Bilanzstichtag nicht fest, dass die Wertminderung keinen Bestand haben werde. Das Ende der Laufzeit war zum Bilanzstichtag ebenso ungewiss wie die Rückzahlung der Anleihe an sich. Da kein (bestimmter) Fälligkeitszeitpunkt existiert, steigt der Kurswert auch nicht zwangsläufig sukzessive an, bis er im Fälligkeitszeitpunkt (wieder) den Nominalbetrag der Forderung beziehungsweise den Nominalwert erreicht, wie dies bei einer festen Laufzeit der Fall ist.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 23. August 2023, XI R 36/20 – veröffentlicht am 21. Dezember 2023.

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