Beitrittsaufforderung an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zu § 4 Abs. 6 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat das BMF in einem aktuellen Beschluss aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu verschiedenen Fragen zu § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG Stellung zu nehmen.

Sachverhalt

Als AöR einer Gemeinde betrieb die Klägerin u.a. die Wasserversorgung und ein Freibad. Im Jahr 2007 entschied sich die Klägerin dafür, die alte Kesselanlage zur Beheizung des zwischen Mai und September betriebenen Freibades zu ersetzen und stattdessen ein auf die Wärmebedürfnisse des Freibades ausgerichtetes Blockheizkraftwerk (BHKW I) auf dem Gelände des Freibades zu errichten. Das BHKW I wird mit Biogas betrieben. Eine Biogasanlage befindet sich an einem anderen Ort auf gemeindlichem Gebiet. Die für die Biogaserzeugung notwendige Wärme wurde durch ein zweites, kleineres BHKW (BHKW II) an der Biogasanlage produziert. Der in beiden BHKWs erzeugte Strom wurde an die Stadtwerke als Stromversorger verkauft. Die im BHKW I in der Freibadsaison produzierte Wärme wurde ganz überwiegend zur Erwärmung des Freibades verwandt, während in den Wintermonaten ein in unmittelbarer Nähe des Freibades errichtetes Neubaugebiet mit Fernwärme versorgt wurde.

In ihren Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen verrechnete die Klägerin die negativen Einkünfte aus dem Betrieb des Freibades im Rahmen eines BgA „Versorgung“ mit den Einkünften aus der Wasserversorgung und aus der Strom- und Wärmeerzeugung aus dem Betrieb der zwei BHKWs.

Dem hielt das Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung entgegen, dass der Freibadbetrieb nicht mit einem BgA „Versorgung“ zusammengefasst werden könne. Eine nach dem Gesamtbild der Verhältnisse objektive enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bestehe insoweit nicht.

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hatte im Ergebnis der Klage stattgegeben und eine Verrechnung der Verluste aus dem Betrieb des Freibades mit den Einkünften aus einem zusammengefassten Versorgungs-BgA „Betrieb von BHKW/Wasserversorgung“ zugelassen (siehe unseren Blogbeitrag).

Mit seiner Revision macht das Finanzamt geltend, das Finanzgericht habe zu Unrecht eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG zwischen dem BgA Freibad und dem BgA BHKW angenommen, weil es diese ausschließlich aus der Sicht des Freibades betrachtet habe. Außerdem rügt das Finanzamt die fehlerhafte Anwendung des BMF-Schreibens vom 11.05.2016 (BStBl I 2016, 479).

Im Streitfall stellt sich nach Auffassung des BFH zum einen die Frage, ob § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden BgA ermöglicht. Zum anderen ist zu entscheiden, ob diese Vorschrift eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA gestattet, bei der auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst werden und es dann auf einer zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA ausreicht, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG nur zu einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen.

Für die Anwendung von § 4 Abs. 6 KStG verlangt die Finanzverwaltung keine organisatorische Verflechtung, sondern lässt es ausreichen, dass zur Ausübung des steuerlichen Wahlrechts für den zusammengefassten BgA lediglich eine eigenständige Gewinnermittlung vorgenommen wird (BMF-Schreiben vom 12.11.2009, BStBl I 2009, 1303, Rz 1 Satz 5, Rz 3). Ob die Finanzverwaltung damit § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zutreffend auslegt, erscheint dem BFH zweifelhaft. Der BFH hält es für möglich, dass Regelungen des BMF-Schreibens vom 12.11.2009, IV C 7 - S 2706/08/10004, BStBl I 2009, 1303 als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend zu bezeichnen sind.

Entscheidung des BFH

Der BFH fordert das BMF deshalb auf, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

1. Ermöglicht § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden Betriebe gewerblicher Art (BgA)?

2. Gestattet § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA, bei der auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst werden und es dann auf einer zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA ausreicht, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG nur zu einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen?

Hinweis

Siehe dazu auch den Beitrag aus unserem Blog Öffentlicher Sektor - Zukunft gestalten.

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 31. Januar 2024 (V R 43/21), veröffentlicht am 7. März 2024.

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