Einbringungsbedingter Übergang des Gewerbeverlustes von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft

Bringt eine Kapitalgesellschaft ihren gesamten Betrieb nach § 24 des Umwandlungssteuergesetzes in eine GmbH & Co. KG ein und beschränkt sich ihre Tätigkeit fortan auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung an der aufnehmenden Gesellschaft sowie das Halten der Beteiligung an der Komplementär-GmbH, steht § 2 Abs. 2 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der Annahme von Unternehmensidentität im Sinne des § 10a GewStG auf der Ebene der übernehmenden Personengesellschaft nicht entgegen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Hintergrund

Nach § 10a Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) wird der maßgebende Gewerbeertrag bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Mio. € um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Der 1 Mio. € übersteigende maßgebende Gewerbeertrag ist nach § 10a Satz 2 GewStG bis zu 60 % um nicht berücksichtigte Fehlbeträge der vorangegangenen Erhebungszeiträume zu kürzen. Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist gesondert festzustellen (§ 10a Satz 6 GewStG).

Die Geltendmachung eines Gewerbeverlustes setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sowohl Unternehmensidentität als auch Unternehmeridentität voraus (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 17.01.2019, III R 35/17, BStBl II 2019, 407, Rz 18 ff.).

Sachverhalt

Streitig ist, ob der für eine Kapitalgesellschaft festgestellte Gewerbeverlust im Fall der Einbringung ihres Betriebs in eine Personengesellschaft auf diese übergeht.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH & Co. KG, die ihren Sitz zunächst in A hatte, der im Jahr 2014 nach B verlegt wurde. Gesellschafter der Klägerin sind die im US-Bundesstaat Delaware gegründete und ansässige G Limited Liability Company (LLC) ‑G‑ als alleinige Kommanditistin sowie die G-GmbH als Komplementärin, die nicht am Gewinn und Verlust der Klägerin beteiligt ist. Alleingesellschafterin der Komplementärin ist ebenfalls die G.

Mit Einbringungsvertrag vom Oktober 2011 brachte die G ihre im Handelsregister eingetragene Betriebsstätte mit Sitz in B in die Klägerin ein. Ausweislich des Vertrags übertrug die G dabei das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der Betriebsstätte einschließlich der immateriellen und nicht bilanzierten Vermögensgegenstände (zum Beispiel Kundenstamm, Geschäfts- und Firmenwert, gewerbliche Schutzrechte) auf die Klägerin, die zugleich in alle bestehenden Dauerschuldverhältnisse, Arbeitsverhältnisse und sonstigen Vertragsverhältnisse der Betriebsstätte eintrat.

Nach der Einbringung führte die Klägerin den Betrieb der eingetragenen deutschen Betriebsstätte der G vollumfänglich fort, das heißt, Verträge und Kundenbeziehungen sowie die Geschäftstätigkeit wurden übernommen und nahtlos fortgesetzt. Die eingetragene Betriebsstätte der G wurde gelöscht. Neben der Mitunternehmerstellung als Kommanditistin der Klägerin sowie dem Halten der Anteile an der Komplementärin entfaltete die G keine weiteren operativen gewerblichen Aktivitäten mehr in der Bundesrepublik Deutschland.

Das Finanzamt B hatte für die eingetragene deutsche Betriebsstätte der G einen vortragsfähigen Gewerbeverlust nach § 10a GewStG in Höhe von 1.481.837 € festgestellt. Aufgrund eines Gewinns der G im Jahr 2011 in Höhe von 2.843 € wurde der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.2011 mit Feststellungsbescheid des Finanzamts A vom 29.01.2014 mit 1.478.994 € festgestellt. Im Jahr 2012 ergab sich für die G ein Verlust in Höhe von 8.107 €, sodass sich der zum 31.12.2012 festzustellende vortragsfähige Gewerbeverlust der G mit Feststellungsbescheid des Finanzamts A vom 20.02.2014 auf 1.487.101 € erhöhte. Für die Jahre 2013 bis 2018 ergingen Gewerbesteuermessbescheide jeweils ausgehend von einem Gewinn in Höhe von 0 €, sodass für die Folgejahre jeweils der identische vortragsfähige Gewerbeverlust festgestellt wurde.

Nach Einbringung der Betriebsstätte der G und ihrer Fortführung durch die Klägerin beantragte diese im Rahmen ihrer Gewerbesteuererklärungen für die Erhebungszeiträume ab 2011 die Nutzung beziehungsweise Fortführung des entstandenen Gewerbeverlustes. Mit Gewerbesteuermessbescheid für 2011 vom 16.04.2014, erlassen vom seinerzeit für die Klägerin zuständigen Finanzamt A, wurde der von der Klägerin beantragte Verlust sowohl im Rahmen der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags als auch im Rahmen der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 unberücksichtigt gelassen, da keine Unternehmensidentität bestehe.

Die Klage vor dem Finanzgericht Köln hatte Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der für die G auf den 31.12.2010 festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust aufgrund von Unternehmensidentität mit dem im Erhebungszeitraum 2011 von der Klägerin erzielten Gewerbeertrag verrechnet werden kann. Die erforderliche Unternehmeridentität ist ebenfalls zu bejahen.

Da es sich bei der Klägerin um eine Personengesellschaft handelt, ist das Merkmal der Unternehmensidentität im Ausgangspunkt nach den für Personengesellschaften geltenden (allgemeinen) Rechtsgrundsätzen zu beurteilen.

Nach allgemeinen Grundsätzen ist Unternehmensidentität in Fällen wie dem vorliegenden zu bejahen. Ob die Betätigung unverändert geblieben ist, muss nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale beurteilt werden, wie insbesondere der Art der Betätigung, des Kunden- und Lieferantenkreises, der Arbeitnehmerschaft, der Geschäftsleitung, der Betriebsstätten sowie der Zusammensetzung des Aktivvermögens. Unter Berücksichtigung dieser Merkmale muss ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang zwischen den Betätigungen bestehen (z.B. BFH-Urteil vom 11.10.2012, IV R 38/09, BStBl II 2013, 958, Rz 24). Einen solchen Zusammenhang hat die Vorinstanz vorliegend in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.

Der Nutzung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes durch die Mitunternehmerschaft steht nicht entgegen, dass der Verlust in der Person einer (fortbestehenden) Kapitalgesellschaft entstanden ist, für die § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt.

Überträgt die Kapitalgesellschaft ihren gesamten Betrieb auf eine Personengesellschaft, unterhält sie nach der Einbringung gewerbesteuerrechtlich keinen (identischen) Gewerbebetrieb im Sinne des Merkmals der Unternehmensidentität mehr. Ihre zivilrechtliche Existenz reicht dafür nicht aus. Im Fall einer solchen "Totalausgliederung" tritt die (rechtliche) Gewerblichkeitsfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG hinter die tatsächliche identitätswahrende Fortführung des Unternehmens durch die Mitunternehmerschaft zurück. Führt die Übernehmerin das "gleiche Unternehmen" fort, steht ihr der Abzug des Gewerbeverlustes zu.

Dem steht nicht entgegen, dass die Kapitalgesellschaft im Zuge der Einbringung des Betriebs Mitunternehmeranteile erwirbt. Hierin liegt ‑‑mit Blick auf das Merkmal der Unternehmensidentität‑‑ keine relevante Tätigkeit. Der Betrieb der Kapitalgesellschaft ist nach der Einbringung nur noch eine "leere Hülle".

§ 9 Nr. 2 GewStG liegt die Wertung zugrunde, dass Gewerbeerträge ‑dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer folgend‑ allein im Gewerbebetrieb der Mitunternehmerschaft der Gewerbesteuer unterworfen werden sollen, nicht beim Mitunternehmer.

Nur diese Sichtweise wird dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15.01.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, Rz 5) gerecht, auf dem auch das Merkmal der Unternehmensidentität gründet. Dieser gebietet es, auf die tatsächliche Fortführung der gewerblichen Betätigung abzustellen, nicht auf eine rechtstechnische Fiktion.

Der Umstand, dass die G eine Beteiligung an der Komplementär-GmbH hält, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Beteiligung stellt sogenanntes Sonderbetriebsvermögen II der G bei der Klägerin dar und gehört damit ‑auch gewerbesteuerrechtlich‑ nicht zum Betriebsvermögen der G (vgl. nur BFH-Urteil vom 16.04.2015, IV R 1/12, BStBl II 2015, 705, m.w.N.). Sie begründet keine relevante Tätigkeit der G.

Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass es sich bei der G um eine ausländische Kapitalgesellschaft handelt, die gegebenenfalls Betriebsstätten im Ausland unterhält. Das Finanzgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass einer derartigen Betätigung mangels inländischer Betriebsstätte gewerbesteuerrechtlich keine unmittelbare Bedeutung zukommt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG).

Fundstelle

BFH, Urteil vom 1. Februar 2024 (IV R 26/21), veröffentlicht am 21. März 2024.

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