Zum Umfang der Fiktion des § 7 Satz 3 GewStG

§ 7 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes fingiert keinen Gewerbebetrieb, sondern setzt das Bestehen eines solchen voraus. Gewinne aus Sondervergütungen im Sinne des § 5a Abs. 4a Satz 3 des Einkommensteuergesetzes, die auf den Zeitraum nach der Einstellung der werbenden Tätigkeit einer Personengesellschaft entfallen, gehören daher nicht zum Gewerbeertrag. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Hintergrund

Nach § 5a EStG können Gewerbebetriebe mit Geschäftsleitung im Inland ihren Gewinn aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr auf Antrag nach der im Betrieb geführten Tonnage ermitteln. Dieser nach § 5a EStG ermittelte Gewinn gilt als Gewerbeertrag i.S. von § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Der BFH zählte in ständiger Rechtsprechung hierzu auch die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HS 2 EStG hinzuzurechnenden Sondervergütungen. Nachdem der BFH mit drei Entscheidungen vom (25.10.2018, IV R 35/16; IV R 40/16 und IV R 41/16) seine Rechtsprechung hinsichtlich der Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge gem. § 5a Abs. 4 EStG geändert hatte und nunmehr die Hinzurechnung eines Unterschiedsbetrages nicht mehr zum „nach § 5a EStG ermittelten Gewinn“ i.S. von § 7 Satz 3 GewStG zählte, ergänzte der Gesetzgeber mit JStG 2019 § 7 Satz 3 GewStG um den Zusatz „einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und 4a EStG“ mit Rückwirkung auf die Erhebungszeiträume ab 2008.

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Haftungsvergütung der Komplementärin einer nach der Tonnage besteuerten Schifffahrtsgesellschaft auch insoweit Bestandteil des fiktiven Gewerbeertrags im Sinne von § 7 Satz 3 Alternative 1 GewStG ist, als sie auf die Zeit nach Einstellung der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft entfällt.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass § 7 Satz 3 GewStG nicht nur den Gewerbeertrag, sondern auch einen Gewerbebetrieb fingiere mit der Folge, dass die nach Einstellung der werbenden Tätigkeit entstandenen Sondervergütungen hinzuzurechnen seien.

Die Klägerin verwies darauf, dass ihr Gewerbebetrieb mit der Veräußerung des Schiffs beendet worden sei, sodass die auf den Zeitraum nach der Veräußerung entfallende Haftungsvergütung nicht mehr der Gewerbesteuer unterliege.

Die Klage vor dem Finanzgericht Hamburg hatte Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Klägerin klagebefugt ist und die sachliche Gewerbesteuerpflicht der KG mit dem Verkauf und der Übergabe ihres einzigen Schiffs endete. Hieraus hat das Finanzgericht zutreffend gefolgert, dass die streitgegenständliche Sondervergütung ‑das heißt jener Teil der Haftungsvergütung, der auf die Zeit nach dem Ende der sachlichen Gewerbesteuerpflicht der KG entfällt‑ nicht zum Gewerbeertrag zählt, da § 7 Satz 3 Alternative 1 GewStG keinen Gewerbebetrieb fingiert, sondern das Bestehen eines solchen voraussetzt.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts fingiert § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG keinen Gewerbebetrieb, sondern setzt ‑wie allgemein für die Ermittlung des Gewerbeertrags‑ das Bestehen eines solchen voraus (ebenso Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 7 Rz 117; Specker in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 7 Rz 14; vgl. BFH-Urteil vom 30.08.2012, IV R 54/10, BStBl II 2012, 927, Rz 27, zu § 7 Satz 2 GewStG; anderer Ansicht Bruns, DStR 2018, 441).

§ 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG enthält ‑wie bereits § 7 Satz 3 GewStG a.F.‑ für den Bereich der Besteuerung nach der Tonnage eine Fiktion des Gewerbeertrags, wie der Wortlaut ("gilt") zeigt. Dass die Norm darüber hinaus ‑wie das Finanzamt meint‑ für den Bereich der Besteuerung nach der Tonnage das Bestehen eines Gewerbebetriebs fingiert, ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen.

§ 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG erwähnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht (§ 2 GewStG) nicht und lässt auch im Übrigen nicht erkennen, dass eine Regelung zum Beginn oder zum Ende der sachlichen Gewerbesteuerpflicht getroffen werden soll. Stattdessen verweist § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG (unverändert) auf § 7 Satz 1 GewStG, der nach allgemeiner Auffassung das Bestehen eines Gewerbebetriebs voraussetzt. Nach dem Ende der werbenden Tätigkeit des Betriebs entstehende Gewinne oder Verluste zählen dementsprechend nicht mehr zum Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.05.2017, IV R 30/15, Rz 18).

Gegen das vom Finanzamt für zutreffend erachtete Normverständnis spricht zudem die systematische Stellung der Vorschrift, die im (zweiten) Abschnitt über die Bemessung der Gewerbesteuer angesiedelt ist, während die Regelungen zum Gewerbebetrieb als sachlichem Steuergegenstand dem ersten Abschnitt des Gewerbesteuergesetzes zugeordnet sind.

Der Gesetzesbegründung kann ebenfalls nicht entnommen werden, dass § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG ‑neben einem fiktiven Gewerbeertrag‑ auch einen fiktiven Gewerbebetrieb bestimmt.

Das vom Finanzamt für zutreffend erachtete Normverständnis widerspräche zudem dem Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Gewerbebetrieb bezogenen Sachsteuer (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2016, IV R 1/13, BStBl II 2017, 489, Rz 25). Gegenstand der Gewerbesteuer ist nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistungen entstandene Gewinn (BFH-Urteile vom 30.08.2022 - X R 17/21, BFHE 278, 327, BStBl II 2023, 396, Rz 17; vom 12.05.2016 - IV R 1/13, BFHE 255, 65, BStBl II 2017, 489, Rz 25).

Entgegen der Auffassung des Finanzamts rechtfertigen die Besonderheiten der Gewinnermittlung nach der Tonnage gemäß § 5a EStG keine andere Beurteilung. Aus dem Umstand, dass § 5a EStG eine pauschale Gewinnermittlung vorsieht, die von der objektiven Ertragskraft des Gewerbebetriebs ‑an der sich die Gewerbesteuer orientiert‑ weitgehend losgelöst ist, kann indes nicht hergeleitet werden, dass es im Bereich der Besteuerung nach der Tonnage ‑entgegen dem Wesen der Gewerbesteuer und der Regelung in § 2 Abs. 1 GewStG‑ auf das tatsächliche Bestehen eines Gewerbebetriebs nicht ankommt.

Anders als das Finanzamt meint, können auch die für Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen nicht auf Mitunternehmerschaften übertragen werden. Dies folgt bereits daraus, dass die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften ‑anders als die der Personengesellschaften und Einzelunternehmen‑ nach der ausdrücklichen Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt.

Auch aus der BFH-Rechtsprechung lässt sich kein anderes Verständnis des § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG herleiten.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 22. Februar 2024 (IV R 14/21), veröffentlicht am 4. April 2024.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

To the top