GLE: Anwendung des § 1 Absatz 3 Grunderwerbsteuergesetz zu Anteilsvereinigungen und Anteilsübertragungen

Mit Datum vom 5.3.2024 liegen Gleich lautende Erlasse (GLE) der obersten Finanzbehörden der Länder zu § 1 Abs. 3 GrEStG (Anteilsvereinigungen von mindestens 90 % an einer Gesellschaft mit Grundbesitz) vor.

Hintergrund

§ 1 Absatz 3 GrEStG bestimmt, dass die Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft oder der Übergang bereits vereinigter Anteile Grunderwerbsteuer auslösen. Diese können sowohl unmittelbar, mittelbar als auch teilweise unmittelbar und mittelbar über eine andere Gesellschaft erfolgen. Beim unmittelbaren Anteilserwerb wird der Erwerber selbst zivilrechtlich Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft. Beim mittelbaren Anteilserwerb wird der Erwerber selbst nicht Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft, sondern wird an ihr über eine oder mehrere andere Gesellschaften beteiligt. Eine Anknüpfung an das Zivilrecht scheidet aus, da es keine Regelungen für einen mittelbaren Anteilserwerb vorsieht. Unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer Anteilserwerb vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 1 Absatz 3 GrEStG zu beurteilen.

Die Gleich lautenden Erlasse zu § 1 Absatz 3 GrEStG vom 5. März 2024

Diese enthalten folgende wesentliche Aussagen:

Zurechnung von Grundstücken (unter Abschnitt 2): Hinsichtlich der Frage, ob und wann einer Gesellschaft ein Grundstück im Sinne des § 1 Absatz 3 GrEStG gehört, wird auf die GLE zur Zurechnung von Grundstücken für die Ergänzungstatbestände in § 1 Absatz 2a bis 3a GrEStG v. 16.10.2023 verwiesen.

Begriff des Anteils an der Gesellschaft (unter Abschnitt 3): Bei einer Kapitalgesellschaft und dem mittelbaren Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft kommt es auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital bzw. am Gesellschaftsvermögen an. Auf die mit den Anteilen verbundene Rechtsmacht (wie bspw. Stimmrechte) soll es nicht ankommen. Eigene Anteile sollen bei der Ermittlung der 90%-Grenze unberücksichtigt bleiben. Wertpapiere wie American Depository Receipts („ADRs“), die kein Eigentum an Anteilen vermitteln, sollen nicht unter den Anteilsbegriff fallen. Beim unmittelbaren Anteilserwerb an einer Personengesellschaft soll es (trotz entsprechender vom BFH geäußerter Zweifel) weiterhin auf die sachenrechtliche Mitberechtigung ankommen (sog. Pro-Kopf-Betrachtung). Hierbei wird auf die bis 1.1.2027 geltende Übergangsregelung in § 24 GrEStG verwiesen, nach der rechtsfähige Personengesellschaften als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen gelten sollen.

Stufenbetrachtung bei mittelbaren Anteilserwerben (unter Abschnitt 4): In Bezug zum Erwerb von Beteiligungsketten bestätigt die Finanzverwaltung die wohl herrschende Meinung, nach der ein Erwerb von mindestens 90 % an einer zwischengeschalteten Gesellschaft zu einer Zurechnung aller von der zwischengeschalteten Gesellschaft gehaltenen Anteile führen soll (anders als bei § 1 Abs. 3a GrEStG keine Duchmultiplizierung).

Beteiligungsebene, auf der § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht wird (unter Abschnitt 5): Grundsätzlich soll der Rechtsträger den § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklichen, der unmittelbar Beteiligter des Rechtsgeschäfts/Anteilsübergangs ist (d.h. zivilrechtlicher Erwerber, bei dem sich 90 % der Anteile vereinigen). Im Fall, dass der unmittelbar am Rechtsvorgang Beteiligte die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht erfüllt (z.B. im Fall, dass zwei Schwestergesellschaften jeweils 50 % an der grundbesitzenden Gesellschaft erwerben), ist auf den jeweils am nächsten stehenden (untersten) Rechtsträger abzustellen (also z.B. die gemeinsame Muttergesellschaft als „wirtschaftliche“ Erwerberin).

Verkürzung der Beteiligungskette (unter Abschnitt 6): Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG bestätigt die Finanzverwaltung erneut, dass die Verstärkung einer bereits bestehenden Anteilsvereinigung nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG erfüllen soll. Ob die vorausgehende Anteilsvereinigung besteuert wurde oder nicht, soll dabei unbeachtlich sein.

Verhältnis zu den Anteilsbewegungen nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG (Signing/Closing-Problem) (unter Abschnitt 7): Die Finanzverwaltung hält für den sog. Signing/Closing-Fall (z.B. „einfacher“ Anteilskaufvertrag) an ihrer Auffassung fest, wonach grundsätzlich zwei Erwerbstatbestände verwirklicht werden (im Zeitpunkt des „Signings“ ein Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG und im Zeitpunkt des „Closings“ ein Vorgang nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG). Die bereits in früheren Gleich lautenden Erlassen zur Anwendung von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG enthaltenen verfahrensrechtlichen Aussagen werden im Grundsatz beibehalten, aber an den zwischenzeitlich mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2022 eingeführten § 16 Abs. 4a und Abs. 5 Satz 2 GrEStG angepasst. Dementsprechend ist eine Festsetzung von Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG nur geboten, wenn eine Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs 2a oder Abs. 2b GrEStG (d.h. das „Closing“) innerhalb eines Jahres nach „Signing“ nicht zu erwarten ist. Ferner muss der Grundstücksbestand im Zeitpunkt von „Signing“ und „Closing“ identisch sein und fristgerechte und in allen Teilen vollständige Anzeigen vorgenommen worden sein. Wurden keine fristgerechten und in allen Teilen vollständige Anzeigen vorgenommen (§ 16 Abs. 5 Satz 2 GrEStG) sind die Finanzbehörden gehalten, die Festsetzung nachzuholen. Danach bleibt die Möglichkeit, dass zum Zeitpunkt des „Signings“ eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG unterbleibt grundsätzlich bestehen. Erfolgt dagegen eine Festsetzung, kann sie nach § 16 Abs. 4a GrEStG auf Antrag aufgehoben oder geändert werden. Voraussetzung ist auch hier die Grundstücksidentität und die Vornahme fristgerechter und in allen Teilen vollständiger Anzeigen (§ 16 Abs. 5 Satz 2 GrEStG). Lediglich in Fällen, in denen die Anteilsbewegung nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zeitgleich mit dem Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 GrEStG (i.d.R. Umwandlungsfälle) verwirklicht wird, soll letztgenannte Norm aufgrund des Vorrangs bereits auf Tatbestandsebene verdrängt werden. In diesem Fall hat § 16 Abs. 4a und Abs. 5 Satz 2 GrEStG keine Bedeutung.

Zeitlicher Anwendungsbereich:  Dieser Erlass tritt an die Stelle der gleich lautenden Erlasse vom 2. Dezember 1999 (BStBl I, 991) betreffend die Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG in der Fassung der Bekanntmachung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, vom 19. September 2018 (BStBl I, 1053) betreffend die Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden (Personen-) Gesellschaft i. S. des § 1 Absatz 3 GrEStG, und vom 19. September 2018 (BStBl I, 1069). Er ist in allen offenen Fällen anzuwenden.

Für Rechtsvorgänge, die vor dem 1. Juli 2021 verwirklicht werden oder die unter die Übergangsregelung des § 23 Absatz 21 GrEStG fallen, gilt dieser Erlass mit der Maßgabe, dass die Beteiligungsgrenze von 95 % anzuwenden ist. Ausführungen zu § 23 Absatz 21 GrEStG enthalten die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29. Juni 2021 zu den Übergangsregelungen auf Grund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (BStBl I, 1006).

Quelle: Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Absatz 3 Grunderwerbsteuergesetz vom 5. März 2024

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