Anforderungen an die Person des Leistungsempfängers im Sinne des § 13b Abs. 5 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)

Für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 UStG kommt es nicht auf die Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Leistungsempfänger an. Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger wirkt zu Gunsten des leistenden Unternehmers und führt zu einer den leistenden Unternehmer hinsichtlich der Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 1 UStG treffenden Feststellungslast. Eine Entscheidung auf Grundlage der Feststellungslast kann im finanzgerichtlichen Verfahren erst im Falle einer Unaufklärbarkeit des Sachverhalts getroffen werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Streitig ist, welche Anforderungen ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer, der im Inland sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 2 oder Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an Unternehmer und Nichtunternehmer erbringt, zu erfüllen hat, damit er von einer Steuerschuldnerschaft seiner unternehmerischen Leistungsempfänger nach § 13b UStG ausgehen kann.

Die Klägerin ist eine GmbH, die durch Verschmelzung im Jahr 2018 Gesamtrechtsnachfolgerin der im Jahr 2015 (Streitjahr) im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmerin X, einer Kapitalgesellschaft nach ausländischem Recht, geworden ist. X betrieb im Streitjahr einen Online-Marktplatz, auf dem sowohl Unternehmer als auch Nichtunternehmer ("Endverbraucher") Gegenstände zum Kauf anboten. Die Dienstleistungen der X bestanden darin, den Anbietern der Waren den Zugang und die Nutzung des Online-Marktplatzes zu gewähren, wofür X Gebühren von den Nutzern erhob, deren Höhe sich vornehmlich nach den Verkaufserlösen richtete.

Um die Dienstleistung von X in Anspruch zu nehmen und den Online-Marktplatz nutzen zu können, mussten sich die Leistungsempfänger zunächst registrieren und den allgemeinen Geschäftsbedingungen der X zustimmen. Bei dieser Registrierung mussten die Leistungsempfänger angeben, ob sie als Privatperson ("privates Konto") oder als Unternehmer ("gewerbliches Konto") den Marktplatz nutzen wollten. Erfolgte eine Anmeldung als Unternehmer, mussten in der Eingabemaske u.a. Angaben zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) gemacht werden, die von X auf Gültigkeit geprüft wurde.

Bis zum 31.12.2014 behandelte X ausschließlich die Leistungsempfänger als Unternehmer, die eine gültige USt-IdNr. angaben. Zum 01.01.2015 stellte X das Verfahren um. Kunden, die eine gültige USt-IdNr. angaben, wurden nach wie vor als Unternehmer behandelt. Sofern eine angegebene USt-IdNr. nicht mehr als gültig bestätigt wurde oder der Leistungsempfänger sich als gewerblicher Nutzer registrierte, aber keine oder eine ungültige USt-IdNr. angab, prüfte und bejahte X nunmehr die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers, wenn bei diesem eines von drei Kriterien zur Bejahung einer Unternehmereigenschaft vorlag. Insoweit stellte X darauf ab, ob der Leistungsempfänger im laufenden Jahr oder im Vorjahr entweder mehr als … Verkäufe tätigte oder getätigt hatte, ob (im gleichen Zeitraum) Leistungsentgelte ("Verkaufsgebühren") von mindestens … € entstanden waren oder ob sich der Leistungsempfänger auf einer besonderen Plattform (gewerbliche Plattform) angemeldet hatte, die gewerblichen Händlern vorbehalten war. Handelte es sich bei den Leistungsempfängern nach den von ihnen gemachten Angaben um eine im Inland ansässige Person und lag in Bezug auf diese Person eines der drei Kriterien vor, ging X von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gemäß § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG aus.

Im Rahmen einer bei X für das erste Kalendervierteljahr 2015 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertraten die Prüfer die Auffassung, dass nur die Leistungsempfänger als Unternehmer zu behandeln seien, für die eine gültige USt-IdNr. vorgelegen habe. Die drei von X angelegten Kriterien waren nach Ansicht der Prüfer nicht geeignet, die Unternehmereigenschaft der Leistungsempfänger anzunehmen.

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte teilweise Erfolg. X sei für die Leistungen an die im Inland ansässigen Empfänger, die sie aufgrund der drei Kriterien als Unternehmer angesehen habe, Steuerschuldnerin (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG). Eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 UStG auf die Leistungsempfänger, die X aufgrund der drei Kriterien als Unternehmer angesehen habe, komme nicht in Betracht. Die Verwendung einer gültigen USt-IdNr. sei zwar weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht notwendig, um den Leistungsempfänger als Unternehmer im Sinne des § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG zu qualifizieren. Die Klägerin habe jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass diese Leistungsempfänger Unternehmer im Sinne des § 13b Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 2 UStG gewesen seien und ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland gehabt hätten.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Das Finanzgericht hat zutreffend entschieden, dass es für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 UStG nicht auf die Verwendung einer gültigen USt-IdNr. durch den Leistungsempfänger ankommt.

Weiter ist das Finanzgericht zwar zutreffend davon ausgegangen, dass für eine Verlagerung der grundsätzlich den leistenden Unternehmer nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG treffenden Steuerschuld durch § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 UStG jedenfalls die Person des Leistungsempfängers hinreichend bekannt, das heißt identifizierbar sein muss.

Auf Grundlage dieser zutreffenden Rechtsauffassung ist das Finanzgericht jedoch ‑wie von der Klägerin gerügt‑ verfahrensfehlerhaft unter Verletzung der ihm obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) davon ausgegangen, dass eine Ermittlung der Unternehmereigenschaft der Leistungsempfänger und eine Überprüfung der von X zu den Leistungsempfängern gemachten Angaben nicht möglich gewesen sei.

Eine Einschränkung der Sachaufklärungspflicht ergibt sich auch nicht daraus, dass § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 1 UStG eine Sonderregelung zu § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ist. Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger wirkt zwar zu Gunsten des leistenden Unternehmers, was zu einer den leistenden Unternehmer hinsichtlich der Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 1 UStG treffenden Feststellungslast führt (vgl. z.B. zum Bereich der Steuersatzermäßigung BFH-Urteil vom 12.05.2022, V R 19/20, BStBl II 2023, 885, Rz 26).

Allerdings kann eine Entscheidung auf Grundlage der Feststellungslast (objektive Beweislast) im finanzgerichtlichen Verfahren erst im Falle einer Unaufklärbarkeit des Sachverhalts getroffen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19.01.2017, III R 28/14, BStBl II 2017, 743, Rz 20, mit Hinweis zur sogenannten "Beweisrisikosphäre"). Daran fehlt es im Streitfall mangels hinreichender Sachaufklärung durch das Finanzgericht.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts musste X die von ihr aufgezeichneten Angaben der Leistungsempfänger auch nicht selbst in der Weise dahingehend überprüfen, ob aus den Angaben und Unterlagen zu den Leistungsempfängern und aufgrund der Überprüfung objektiv oder "schlüssig" auf die Unternehmereigenschaft und Identität der Leistungsempfänger geschlossen werden konnte.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 31. Januar 2024 (V R 20/21), veröffentlicht am 4. April 2024.

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